BMW:"Man muss immer einen Schritt vorausdenken"

BMW: BMW-Werk in München. In den Fabrikhallen ist gerade nicht viel los – Zeit, um die Produktion des elektrischen BMW i4 vorzubereiten.

BMW-Werk in München. In den Fabrikhallen ist gerade nicht viel los – Zeit, um die Produktion des elektrischen BMW i4 vorzubereiten.

(Foto: oh)

Management in Corona-Zeiten: Wie das Virus den Alltag bei dem Münchner Autokonzern verändert - und warum man jetzt die Zeit danach plant.

Von Thomas Fromm

Seit einigen Wochen geht es bei Herbert Grebenc gar nicht mehr so sehr um das, was sein Unternehmen in normalen Zeiten produziert: Autos. Stattdessen beginnt jetzt jeder Tag mit einem Meeting: Was hat sich in den letzten Stunden in der Welt verändert? Was bedeutet das für diesen Konzern mit seinen mehr als 130 000 Mitarbeitern? Was ist in den USA los, was in China, was passiert gerade in Europa? Wer hat die Grenzen geschlossen, wo könnte es Probleme mit Lieferketten geben?

Grebenc leitet bei BMW die Konzernsicherheit, und in diesen Wochen kümmert er sich um den Corona-Krisenstab in der Zentrale. Er ist zur Stunde einer der wichtigsten Menschen im Unternehmen. "Man muss immer einen Schritt vorausdenken", sagt er. Seine tägliche Frage lautet: Wie würde man morgen reagieren, wenn es noch schlimmer kommt? Der Sicherheitsmann schreibt To-Do-Listen, spricht sich rund um die Uhr mit den Kollegen von der Sicherheit ab, der internen Kommunikation, den Leuten aus der Personalabteilung und vom Gebäudemanagement. Immer möglich: Dass sich innerhalb kürzester Zeit die Lage wieder verändert. "So war das zum Beispiel, nachdem Ministerpräsident Markus Söder Ausgangsbeschränkungen für Bayern verhängte", sagt Grebenc. "Da hatten wir um 17 Uhr schon ein konkretes Maßnahmenpaket für das Unternehmen vorliegen." Es gibt Dinge, die man schon vorbereiten kann, auch wenn der Ernstfall noch gar nicht eingetreten ist.

In einem Konzern, der im vergangenen Jahr zweieinhalb Millionen Autos verkaufte, geht es jetzt um Krisenstrategien und die richtige Vernetzung. BMW-Chef Oliver Zipse ist im Büro, und mit ihm seine Vorstandskollegen. Man telefoniert, aber man sitzt auch noch zusammen. "Die Vorstandssitzungen finden jetzt zum Beispiel in doppelt so großen Räumen statt, damit der Abstand eingehalten werden kann", sagt Grebenc. Es gäbe nun mal Situationen, in denen Menschen präsent sein müssten.

Zum Beispiel die Leute vom Krisenstab. "Wir treffen uns natürlich auch noch physisch", sagt Birgit Hiller vom Krisenstab Corona. "Das sieht dann aus wie in einem dieser typischen Lage-Räume in einem Hollywood-Film: Jeder steht in einer Ecke, alle schauen auf Flipcharts und diverse Bildschirme, die an der Wand hängen."

"Hier ist jetzt genau die richtige Zeit für Kreativität und kluge Konzepte."

Überall, wo BMW heute mit Werken vertreten ist, gibt es auch örtliche Krisenstäbe. Bei einer weltweiten Seuche geht es nun darum, all diese Stäbe zu koordinieren. Die Fäden laufen bei Grebenc in München zusammen, da geht es um Fragen wie diese: Kann der Mindestabstand in den Fabrikhallen wirklich überall eingehalten werden? Und was ist mit der Sitzordnung in Werksbussen? Ist hier genügend Abstand zwischen den Leuten auf den Sitzen? Es würde ja nichts bringen, wenn man überall anderthalb Meter Sicherheitsabstand hält und ausgerechnet in den Werksbussen aufeinandersitzt, sagt der Krisenstabschef. Es waren die Kolleginnen und Kollegen im chinesischen Shenyang, die ein Modell für die Firmenbusse entwarfen. Bus fahren in Zeiten von Corona - da gibt es woanders schon Erfahrungen, von denen man in München profitieren kann.

Der Autobauer ist ein ganz gutes Beispiel für das, was gerade in vielen großen Konzernen passiert. Ein globaler Konzern muss heruntergefahren werden. Das allein ist schon schwierig, weil es für so etwas zwar Theorien und Schubladenpläne gibt, aber eben nur wenig praktische Erfahrung, auf die man zurückgreifen könnte. Und dann muss man dieses heruntergedimmte Reich hinterher irgendwann sehr schnell ans Laufen kriegen und ohne Probleme wieder hochfahren können.

Zum Beispiel im Münchner Mittelklasse-Werk, wo derzeit keine Autos mehr gebaut werden, nach heutigem Stand bis zum 20. April. "Am Dienstag letzter Woche kam der Beschluss, die Produktion runterzufahren", sagt Werksleiter Robert Engelhorn. "Am Donnerstag gegen Mitternacht rollte dann das letzte Auto vom Band. Das war der schnellste Shutdown, den das Werk je erlebt hat." Es waren Tage, an denen es erste Corona-Fälle gab, weil Mitarbeiter kurz zuvor noch im Urlaub in Südtirol oder anderen Krisengebieten waren. Schnell gab es eine Telefonhotline und eine App. Und dann wurde geprüft: Werden gerade noch Autos verkauft? Dann ging es in wenigen Stunden um "die technischen Vorbereitungen, die Kommunikation an Mitarbeiter und Lieferanten" und schnelle Absprachen mit dem Betriebsrat. "Die Produktion muss sich am Markt ausrichten, und wenn der nicht mehr gegeben ist, wenn nicht einmal mehr die Händler geöffnet haben, dann brauchen Sie auch nicht mehr zu produzieren", sagt Engelhorn.

In der Münchner Fabrikhalle ist gerade nicht viel los, es wird umgebaut. Zeit zum Beispiel, um die Produktion des elektrischen BMW i4 vorzubereiten, der hier ab dem nächsten Jahr gebaut wird. Und dann sind da noch jene Kreativbüros, in denen das Leben gerade weitergeht. "Es gibt Abteilungen, die aktuell weniger stark ausgelastet sind", sagt Birgit Hiller vom Krisenstab. "Hier ist jetzt genau die richtige Zeit für Kreativität und kluge Konzepte. Wir bereiten uns jetzt auf die Zeit nach der Krise vor." Oder, wie es Werksleiter Engelhorn sagt: "Es gibt ein Leben während Corona, und es gibt ein Leben nach Corona."

Einer, der diesen Übergang kennt, ist Jochen Goller. Der China-Chef von BMW war da, als vor einigen Wochen nichts mehr ging in China. Inzwischen haben 95 Prozent der BMW- Händler in China wieder geöffnet. "Die Show-Rooms sind besucht, die Menschen kommen in die Läden", sagt Goller. "Das ist ein erstes Zeichen für eine Erholung."

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