Süddeutsche Zeitung

BMW: Erhöhung der Auslandsproduktion:Fifty-fifty

50 zu 50 statt 60 zu 40: BMW verdient im Ausland kräftig - und will künftig mehr Fahrzeuge im Ausland bauen. Arbeitsplätze hierzulande sollen allerdings nicht leiden.

Thomas Fromm

Der Autobauer BMW stellt sich darauf ein, wegen der guten Absatzlage im Ausland künftig noch mehr Autos außerhalb Deutschlands zu bauen. "Die Relation hat sich verschoben", sagte BMW-Produktionsvorstand Frank-Peter Arndt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung. "Inzwischen produzieren wir 60 Prozent unserer Autos in Deutschland, 40 Prozent im Ausland. Langfristig werden wir uns wohl auf eine Verteilung von bis zu 50 zu 50 einstellen müssen."

Zurzeit beschäftigen die Münchner 72.000 Menschen im Inland; etwa 24.400 Mitarbeiter sind in ausländischen Werken wie im chinesischen Shenyang oder in Spartanburg in den USA tätig. Ihre Zahl dürfte in Zukunft stärker wachsen. Allerdings, betonte Arndt, nicht auf Kosten heimischer Arbeitsplätze: "Es bedeutet aber, dass der Aufbau neuer Arbeitsplätze in großem Umfang im Ausland, da wo die BMW Group am stärksten wächst, stattfinden wird", sagt der Vorstand. "Wir müssen davon ausgehen, dass die Wachstumsraten in Europa geringer sind als in Asien und den USA."

Produktionschefs wie Arndt haben in diesen Zeiten eine zentrale Rolle in Autokonzernen. Sie müssen für eine größtmögliche Auslastung ihrer Fabriken sorgen - und gleichzeitig auf die Kosten achten. Wegen des unerwartet starken Wachstums im Ausland produzieren die Hersteller immer mehr Autos außerhalb Deutschlands. Politisch ist dies jedoch brisant - dies zeigten schon die heftigen Reaktionen auf die Entscheidung Daimlers vor einem Jahr, Teile seiner C-Klasse-Produktion aus Sindelfingen in die USA zu verlagern. Die zentrale Frage, die sich viele stellen: Können ihre Arbeitsplätze langfristig in Deutschland gehalten werden? Erst am Donnerstag hatte VW-Chef Martin Winterkorn seine Belegschaft auf einen Ausbau des Geschäfts im Ausland vorbereitet. Volkswagen müsse "noch internationaler werden", sagte er bei einer Betriebsversammlung in Wolfsburg - weil auch das "Geschäft immer internationaler" werde. Wie BMW-Vorstand Arndt versuchte auch Winterkorn, die Ängste der Mitarbeiter zu zerstreuen. "Unser internationales Wachstum geht nicht auf Kosten der Werke hierzulande", sagte er.

Obwohl BMW künftig noch mehr Autos im Ausland bauen wird, soll an den deutschen Werken nicht gespart werden. BMW investiere massiv in Deutschland. So sei ursprünglich geplant gewesen, 2009 und 2010 über eine Milliarde Euro in deutsche Werke zu stecken. "Wir haben diesen Betrag zur Stärkung unserer Zukunftsfähigkeit trotz Krise auf 1,5 Milliarden Euro erhöht", so Arndt.

Schritt für Schritt internationaler

Doch auch wenn BMW kräftig Geld in heimische Standorte pumpt - der Konzern wird Schritt für Schritt internationaler. BMW hatte im November fast 20 Prozent mehr Autos verkauft als vor einem Jahr. Doch während der Absatz mit Autos der Marke BMW und Mini in Deutschland um 29,6 Prozent zulegte, wuchs der Absatz in China um 104,3 Prozent. Hier bereitet sich BMW auf einen lang anhaltenden Boom vor und baut seine Produktion in einem zweiten Werk in Shenyang weiter aus. Insgesamt könne man vor Ort bis zu 300.000 Autos bauen. Im US-amerikanischen Spartanburg, wo BMW derzeit seine X-Modelle baut, können bis zu 240.000 Fahrzeuge im Jahr gefertigt werden. "Wenn der Markt weiter anzieht, sind wir in einer sehr guten Position", so Arndt. Sehr gut möglich sei es, dass künftig auch "ein weiteres, für den amerikanischen Markt relevantes Volumenmodell dort gebaut wird". Allerdings sei dies derzeit noch kein Thema.

Neben den USA und China hat der Autobauer Indien ins Visier genommen. "Wir haben uns entschieden, in Indien stärker zu investieren. Wir gehen dort auf 8000 Einheiten in 2011, können aber langfristig nach Marktentwicklung auf bis zu 20.000 Einheiten jährlich erweitern", so Arndt. Man gehe von "einem starken Wachstum in Indien aus" und werde künftig auch den BMW X1 dort bauen. Weitere Fabriken in anderen Ländern schließt Arndt derzeit nicht aus. "Über zusätzliche Potentiale muss heute jeder Autohersteller nachdenken." Wichtig sei es, das Geschäft "auf möglichst viele Beine" zu stellen. "Wir gehen nicht davon aus, dass der chinesische Markt kontinuierlich so stark weiter wächst wie in den letzten Monaten", warnte Arndt. Ein Zukunftsmarkt sei Südkorea, wo im November mit 1980 Fahrzeugen 90 Prozent mehr als im Vorjahr verkauft wurden.

Im Jahr eins nach den schweren Einbrüchen mit Kurzarbeit und Stellenstreichungen verzichtet BMW in seinen Werken in Dingolfing und Leipzig in diesem Jahr ganz auf Werksschließungen über die Weihnachtsfeiertage. "Wir fertigen in den meisten Produktionsstandorten die höchste Stückzahl aller Zeiten", sagte Arndt. Die Produktivität habe man in diesem Jahr um "mehr als zehn Prozent steigern" können.

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Quelle:
SZ vom 11./12.12.2010/mel
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