Neuer BMW-Chef Krüger:Der Auserwählte

BMW-Produktionsvorstand Harald Krüger

Harald Krüger hat als Trainee bei BMW angefangen. Er weiß, wer die Stars in der Firma sind: die Autos, nicht die Menschen.

(Foto: Jan Woitas/dpa)
  • Bei der Hauptversammlung an diesem Mittwoch wird Harald Krüger neuer BMW-Chef.
  • Sein interner Konkurrent um den Chef-Posten, Herbert Diess, geht zu Volkswagen.
  • Eine seiner wichtigsten Tugenden: Selbstbeherrschung. Bei BMW muss man sich zurückzunehmen können.

Von Thomas Fromm

Es waren einmal zwei Münchner Automanager. Beiden Männern wurde lange nachgesagt, sie würden gerne BMW-Chef werden. Am Ende konnte nur einer der beiden Chef werden.

Am Ende ging die Sache mit den Kronprinzen so aus: Der eine wird bei der BMW-Hauptversammlung an diesem Mittwoch mit 49 Jahren neuer Unternehmenschef. Der andere, 56 Jahre alt, wird im Juli Chef der Wolfsburger Hausmarke VW. Eigentlich, meinen Kenner der weiß-blauen Marke, sei Herbert Diess, langjähriger BMW-Vorstand, ein Sanierer und Kostenkiller, der ideale Kandidat für die Niedersachsen. Und Harald Krüger, der Eintracht-Braunschweig-Fan, der vor 23 Jahren als Trainee in München anfing, der richtige Mann für die BMW-Spitze.

Um Chef dieses Auto-Konzerns zu werden, der zwei Millionen Autos im Jahr verkauft, reicht das klassische Managerkarriere-Inventar nicht aus. Hier, wo schon die Nachwuchskräfte eingetrichtert bekommen, wer die wirklichen Stars im Hause sind - immer die Autos, nie die Menschen - muss man lernen, sich zurückzunehmen. Krüger kann sich zurücknehmen.

Einfach nur lächeln

Das zeigt er am besten, wenn er gar nichts sagt. Er schafft es, bei Jahrespressekonferenzen zwei Stunden lang still vorne auf der Bühne zu sitzen und einfach nur lächelnd nach vorne zu schauen. Selbstbeherrschung ist bei BMW eine der wichtigsten Tugenden, die man braucht, um weiterzukommen. Vor allem in den letzten Monaten vor der Krönung, da sagte Krüger kaum noch etwas. Immer souverän bleiben. Dafür hat der Weg an die Spitze zu lange gedauert, um es auf den letzten Metern noch zu versemmeln. Es gibt diese sehr spezielle BMW-Kultur. Einer Mischung aus der sehr bayerischen Mia-san-mia-Attitüde und einem "Wir bauen eh die besten Autos der Welt"-Gefühl. Diesen Spirit hat man. Oder man hat ihn nicht. Krüger, fanden seine Förderer, hat ihn.

23 Jahre also braucht ein heute 49-Jähriger, um bei BMW vom Trainee zum Konzernchef aufzusteigen. 23 Jahre, das ist eine lange Zeit, Krüger, der nach Maschinenbau-Studium in Aachen und einem Job als Forschungsassistent in der Raumfahrt zu BMW kam, hat sie genutzt. Wolfgang Ziebart, früherer Entwicklungsvorstand bei BMW und ehemaliger Infineon-Chef, lernte Harald Krüger kennen, als der noch Trainee war. Er erinnert sich: "Krüger war ein sehr ruhiger Mensch, überhaupt nicht extrovertiert. Aber genau das entspricht ja der BMW-Kultur. Diejenigen, die schon damals als junge Überflieger auftraten, waren alle irgendwann weg."

Karriere Schritt für Schritt geplant

Der ruhige Mann plante seine Karriere Schritt für Schritt. Personalreferent, Projektingenieur für den USA-Standort Spartanburg, Werkleiter der Motorenproduktion im englischen Hams Hall bei Birmingham. Leiter des Bereichs Technische Integration. Im Dezember 2008 dann ist er Vorstand. Personalvorstand.

Hier wird Krüger auf einmal zum Krisenmanager. Es ist Finanzkrise: Kurz nach Amtsantritt muss er 26 000 Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Dass Krüger BMW durch die Finanzkrise lavierte, ohne einen blutigen Kahlschlag im Personal anzuzetteln, das erklärt unter anderem sein gutes Verhältnis zum Betriebsrat. Von 2012 an dann zuständig für Mini und Rolls-Royce, im April 2013 wird Krüger Produktionsvorstand. Jetzt ist er dem Ziel so nah wie nie. Auch seine Vorgänger Norbert Reithofer und Joachim Milberg waren in der Produktion. Bei BMW ist das die notwendige und entscheidende Sprosse auf der Karriereleiter. Wer Fabriken gesehen hat, der kennt das Geschäft. Denn wer aus der Produktion kommt, sagen sie in der Autoindustrie, dem kann man nichts mehr vormachen. "In der Fabrik können Sie nix verstecken, da können Sie nur transparent und konkret sein und so etwas prägt den Charakter", sagt ein Branchenkenner.

Interessante Mischung für den Aufstieg

Krüger ist jetzt also Techniker und Personaler, ein Allrounder. Das ist eine interessante Mischung, die ihm am Ende die Türen ganz nach oben öffnet.

Die Zeit als Personalchef, das war die Zeit, in der Krüger in Interviews meist nicht über die ganz großen Auto-Linien sprechen musste, sondern über Themen, die nicht weniger wichtig sind, aber von den Managern oft nicht in der ersten Reihe diskutiert werden. Zum Beispiel das Thema Frauenquote.

Im Herbst 2011 fährt Krüger zum Frauengipfel nach Berlin. Er tritt auf der Seite der damaligen Familienministerin Kristina Schröder für eine "freiwillige Selbstverpflichtung" ein und wird zu einem der Wortführer der deutschen Industrie. Mit "starren Quoten" seien die Dax-Konzerne nicht einverstanden, erklärte er damals - vor allem in technischen Betrieben gebe es "strukturelle Schwierigkeiten", Führungspositionen mit Frauen zu besetzen.

BMW hat inzwischen eine Frau im Vorstand, es ist Milagros Caiña-Carreiro-Andree, zuständig für das Personalressort. Viele sagen, dass das nur der Anfang sein kann. Das kommt auf den Neuen zu: Krüger wird man in den nächsten Jahren auch daran messen, wie er es künftig mit der "freiwilligen Selbstverpflichtung" hält.

Darauf werden schon seine Großaktionäre achten. Krüger und die Anteilseigner Stefan Quandt und seine Schwester Susanne Klatten aus der Quandt-Familie, der rund 47 Prozent von BMW gehört, sind ungefähr gleich alt. Die milliardenschweren Eigentümer und ihr Angestellter, diesmal sind sie aus einer Generation, und auch das dürfte die kommenden Jahre bei BMW prägen.

Neuer Typus von Mobilitätsdienstleister

Unter dem scheidenden Konzernchef Norbert Reithofer wurde aus den alten Bayerischen Motoren-Werken ein Anbieter von kleinen Elektroautos, großen Hybrid-Boliden, schweren SUVs und sportlichen Limousinen. Also von allem etwas. Krüger dürfte nun noch einen Schritt weiter gehen und aus BMW einen neuen Typus von Mobilitätsdienstleister machen. Elektroautos baut BMW schon heute, auch im Carsharing ist der Konzern mit "Drive Now" vertreten. Jetzt geht es darum, all das weiter auszubauen und zu vernetzen - so wie der Rivale Daimler aus Stuttgart das inzwischen in großem Stil betreibt. Gleichzeitig aber ist BMW auch und vor allem immer noch ein Konzern, der Autos verkauft. Neulich forderte BMW-Gesamtbetriebsratschef Manfred Schoch, dass BMW mehr Autos bauen soll. Drei Millionen statt der heute etwas mehr als zwei Millionen. Wer das machen soll? Krüger natürlich.

Der SZ sagte er in einem Interview vor drei Jahren: "Ich bin kein Job-Hopper. Sie können keine langfristigen Dinge anstoßen, wenn alle wissen, dass Sie nach zwei Jahren wieder weg sind." Im Grunde war das damals schon eine ziemlich klare Ansage: Ich bin schon länger hier und will auch noch länger bleiben.

Zwei mal fünf Jahre könnte Krüger den BMW-Chef machen. Dann wäre er um die 60. Bei BMW-Managern kommt dann die Zeit für die Rente. Oder der Wechsel an die Aufsichtsratsspitze.

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