Süddeutsche Zeitung

Industrie:BMW für deutsches Auto-Betriebssystem

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Der Münchner Autobauer warnt Daimler und VW davor, eigene Software zu entwickeln - und wirbt eindringlich für eine gemeinsame Lösung.

Von Max Hägler, München

Es ist das große Thema in der Autoindustrie dieser Tage: Welcher Hersteller tut es Tesla gleich und entwickelt ein weitgehend eigenes Betriebssystem für seine neuen Fahrzeuge samt einem Zentralrechner, der alles einfach bündelt? Damit sollen schnellere Over-the-air-Updates und Entwicklungen möglich sein, so die Theorie. Bislang sind in Autos viele Dutzend einzelner Steuergeräte verbaut - etwa für das ABS-System, den Fensterheber oder die Motorsteuerung - was schwieriger zu koordinieren ist. Volkswagen und Daimler arbeiten deshalb intensiv an eigenen Varianten.

Doch nun warnt BMW-Entwicklungsvorstand Frank Weber die Kollegen bei Daimler in Stuttgart und VW in Wolfsburg mit klaren Worten, die auf der IAA heftig diskutiert werden dürften: "Achtung, es ist ein Fehler, wenn jeder ein eigenes Betriebssystem entwickelt, das ist eine Sackgasse!" Hintergrund ist, dass durch diese jeweils ganz eigenen Entwicklungen die bisherige Kompatibilität bei den Zulieferteilen verloren geht. "Damit gefährden wir die bewährten Lieferantennetzwerke in Deutschland, Europa und darüber hinaus", sagt Weber der Süddeutschen Zeitung.

Wenn BMW, Daimler, Volkswagen oder auch Stellantis und Ford irgendwann jeweils ganz eigene Systeme hätten, müssten sie künftig für jeden Hersteller alles neu programmieren, anstatt wie bislang mit standardisierten Schnittstellen arbeiten zu können. Ein enormer Nachteil für weltweit führende Zulieferer wie Bosch oder Conti - und damit für den gesamten Standort, meint man bei BMW. Die Münchner setzen derzeit wie andere Hersteller drei verschiedene Software-Systeme ein - für die Fahrzeugfunktionen, für die Fahrassistenz und das Infotainment. "Wir halten es so: Wir programmieren alles genauso, wie wir es für unsere Kunden haben wollen, das heißt wir wissen auch immer genau, was drin ist und können jederzeit darauf zugreifen. Das gilt für das digitale Erlebnis im Auto genauso, wie für das Fahrerlebnis", sagt Weber. Grundfunktionen indes könnte man anderweitig steuern lassen, idealerweise von einem gemeinsam entwickelten System, was Kosten spart. Bei BMW würden sie gerne rasch mit den deutschen Wettbewerbern und den Zulieferern dazu diskutieren.

Auch aus Analystensicht ist das ein notwendiger Impuls: "Das Betriebssystem eines Fahrzeugs ist eine der zentralen Fragen der Branche", sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM). "Und es kostet jede Menge Geld." Das Thema, bei dem es letztlich darum gehe, die Hardware und die Software voneinander zu trennen und das Digitale wiederum zu bündeln, sei noch deutlich einschneidender und auch schwieriger als die Wende zur Elektromobilität. Vor allem die Wertschöpfung der Zulieferer steht dabei in Frage, die bislang die Hoheit über die Steuergeräte haben - und sie entweder zunehmend an die Hersteller abgeben müssen oder gar an Digitalkonzerne. "Im Grundsatz könnte man deshalb überlegen, solche Basissysteme gemeinsam zu entwickeln", sagt Bratzel. Allerdings müsse eine solche Initiative und eine Einigung sehr schnell kommen, so der Experte. Fraglich sei, ob die BMW-Initiative nicht zu spät komme.

Denn nicht nur Tesla hat vorgelegt. Auch Anbieter wie die in München und Palo Alto ansässige Firma Apex.Ai haben ein Betriebssystem in der Entwicklung. Und vor allem ist da Google mit seiner Software "Android Automotive". BMW und Volkswagen setzen es teilweise ein, wobei VW den Aufbau eines weitgehend eigenen Systems energisch vorantreibt. Doch manche Hersteller wie Volvo, Ford und Stellantis (Peugeot, Opel, Fiat) haben bereits den Großteil ihrer Fahrzeuge in die Hände des US-Softwareanbieters gelegt, dessen Programmierer immer tiefer in die Fahrzeugtechnik eingreifen.

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