Süddeutsche Zeitung

Braucht man das?:24-Stunden-Blutdruckmessung per Armband

Hoher Blutdruck ist ein stiller Killer, das Armband des Schweizer Start-ups Aktiia soll helfen, ihn zu tracken. Ein Test.

Von Thorsten Riedl

Bluthochdruck erhöht das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall - wird aber von den Betroffenen selbst oft nicht oder zu spät erkannt. Die Weltgesundheitsorganisation WHO spricht vom "stillen Killer". Dabei würde es schon helfen, den Blutdruck regelmäßig zu überwachen. Mit dieser Idee tritt das Schweizer Start-up Aktiia an. Es hat ein Armband entwickelt, dessen Akku sieben Tage hält, und das rund um die Uhr den Blutdruck misst.

Seit 15 Jahren forschen Mattia Bertschi und Josep Solà am Tech-Forschungszentrum CESM in Neuenburg. Aus der Forschungsarbeit ist ihr Unternehmen Aktiia entstanden. Kernprodukt ist ein Armband, anderthalb Zentimeter breit und aus billig anmutendem Kunststoff, mit einem Blutdruck-Sensor. Dieser nimmt über ein optisches Verfahren das Pulsieren des Blutes unter der Haut auf - und ermittelt durch einen Algorithmus Blutdruck und Ruhepuls.

Das Verfahren wurde laut den Schweizern klinisch validiert und soll in allen möglichen Körperpositionen den Druck ermitteln. Beim klassischen Verfahren mit der Manschette, das Ärzte seit mehr als hundert Jahren fast unverändert nutzen, wird in der Regel im Sitzen gemessen. Eine Manschette befindet sich auch im Lieferumfang des Aktiia Produkts. Anfangs und alle vier Wochen muss der Sensor per Manschetten-Messung kalibriert werden.

Obschon das Unternehmen mit der 24-Stunden-Messung wirbt: In der Praxis wird der Blutdruck nur protokolliert, wenn der Träger des Armbands ruhig sitzt oder liegt. Um das zu festzustellen, besitzt das Aktiia einen Bewegungssensor. Das Band versucht, mindestens einmal pro Stunde zu messen und mittelt dann die Ergebnisse von zwei Messungen. Im besten Fall sind also ein Dutzend Ergebnisse pro Tag zu sehen - in der Regel weit weniger.

Smarte Funktionen fehlen, nicht mal die Zeit zeigt das Aktiia mangels Displays. Die dafür aufgerufenen 200 Euro sind happig - und lohnen sich höchstens für Hypertonie-Patienten. Doch selbst Betroffene werden wichtige Funktionen vermissen, etwa einen Alarm bei anormalem Blutdruck. Das Unternehmen arbeitet nach eigener Darstellung aber einem kostenpflichtigen Premiumservice, der noch tiefer gehende Einblicke bieten soll. Insgesamt wirkt das Produkt noch nicht völlig ausgereift. Zudem werden wohl bald auch handelsübliche Smartwatches, den Blutdruck messen - einige Modelle von Samsung können das schon jetzt, bieten darüber hinaus aber noch viele andere Funktionen.

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