Blumen machen glücklich, das fand auch Karl Bode lange Zeit. Er konnte andere Menschen mit seinen Sträußen zum Strahlen bringen, das machte ihn glücklich. Und dann diese Blumen: ihre Farben, ihre Formen, ihre Blüten, wie sie dufteten. Karl Bode hatte mit Menschen zu tun, die bei ihm einkauften, um Liebe, Dankbarkeit und Anteilnahme zu verschenken. Deswegen steckte er seinerseits viel Liebe in die Sträuße, die er für sie zusammenband.
Vor acht Jahren musste Karl Bode feststellen, dass diese Liebe immer weniger zählt. Die Ladentür öffnete sich kaum noch. Er beauftragte eine Unternehmensberatung, versuchte es mit Bonuskarten, Flyern in der Zeitung, einer neuen Deko, nichts half. Früher, da hatten ihm die Leute an Ostern 800 Tulpen aus den Händen gerissen, jetzt wurde er 150 nicht mehr los. Im Mai 2017 schloss er seinen Blumenladen in Kassel, das Ende eines 211-jährigen Familienbetriebes.
Floristen sagen: Für jemanden, der im Herzen Florist ist, ist jeder Tag eine Erfüllung. Das Geschäft aber ist für die meisten mittlerweile alles andere als erfüllend. Deswegen verschwinden in Deutschland, dem Land der Blumen- und Pflanzenliebhaber, nach und nach die Blumenläden.
"Ich sehe schwarz für unsere Branche", sagt Bode. Er hat ja gesehen, wie viele gekämpft und aufgegeben haben. Der Fachverband Deutscher Floristen schätzt, dass es noch 10 000 bis 12 000 Blumenläden in Deutschland gibt, vor zehn Jahren waren es um die 15 000. Dass Bode und all die anderen aufgeben mussten, liegt aber nicht daran, dass die Deutschen weniger Geld für Blumen und Pflanzen ausgeben. Seit Jahren sind es unverändert 37 Euro pro Kopf für Schnittblumen und insgesamt drei Milliarden Euro im Jahr. Das hat die Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) ermittelt. Die Leute kaufen bloß woanders.
Bode hat es genau beobachtet: Jedes Jahr bauten Lidl, Aldi, Rewe und Toom mehr Plastikeimer mit Tulpen und Rosen auf. 2,99 Euro für einen Bund Rosen von Rewe statt 15 Euro für einen Strauß voller Liebe von ihm. Wenn er frühere Kunden bei Rewe traf und sah, wie sie dort Blumen kauften, hätten sie sich geschämt, sagt er. Aber sie kamen trotzdem nicht wieder. Als Karl Bode den Laden 1988 von seinem Vater übernahm, gab es Blumen fast nur in Fachgeschäften. Heute haben sie der AMI zufolge noch einen Marktanteil von 40 bis 45 Prozent.
Sind Blumen den Deutschen denn gar nichts mehr wert? Und: Wieso verkaufen Supermärkte und Discounter überhaupt so viele Blumen und Pflanzen? "Mit Blumen kann man noch richtig Geld verdienen", sagt der Handelsexperte Gerrit Heinemann. Denn die Margen bei Blumen seien sehr hoch - im Gegensatz zu den sonst sehr niedrigen Margen im Lebensmitteleinzelhandel. Da sie mit Blumen und Pflanzen gut verdienen, haben Supermärkte und Discounter ihr Blumen- und Pflanzenangebot immer weiter ausgebaut. Und dadurch hat sich das Kaufverhalten der Menschen verändert.
Aus Zeitgründen und wohl auch aus Faulheit kaufen Menschen nämlich gerne so viel wie möglich in einem Geschäft. "One-Stop-Shopping" heißt dieser Trend. Blumen werden dabei oft spontan mit in den Wagen gelegt. "Im Lebensmitteleinzelhandel sind sie zu einem Mitnahmeartikel geworden", sagt Heinemann.
Der Einkaufspreis mancher Blumenhändler ist der Verkaufspreis der Discounter
Bode kauft Fleisch, Käse und Wurst lieber auf dem Wochenmarkt. Er tut das aus Prinzip. Im Grunde war sein Kampf von Anfang an aussichtslos. Das wird klar, wenn man morgens in die Großmarkthalle für Blumen in München fährt. Früher brummte es hier, wird einem gesagt, während man durch eine ziemlich leere Halle schlendert. Töpfe mit Rosen, Tulpen und Gerbera reihen sich aneinander, leuchtende Farbflecke in grauer Umgebung. Je größer der Kopf einer Rose ist, desto teurer, je länger ihr Stiel ist, desto teurer, ein Bund großköpfiger, langstieliger Rosen kostet hier 16,95 Euro. Tulpen gibt es von 35 bis 45 Cent das Stück, Primeln für 79 Cent.
Das Problem für Blumenhändler wie Bode: Ihr Einkaufspreis ist der Verkaufspreis von Edeka und Lidl. Wie in vielen Branchen im Einzelhandel können die Großen mehr und günstiger einkaufen als die Kleinen und ihre Produkte so auch billiger verkaufen. "Teilweise importieren die Supermärkte und Discounter die Blumen auch direkt und überspringen so die Handelsstufe Großhandel oder Importeur", sagt Frank Teuber vom Blumenbüro Holland, Experte für den deutschen Blumenmarkt. Rosen und Tulpen aus dem Plastikeimer sind oft dünner und kleiner als die im Blumenladen, die Qualität sei aber nicht immer schlechter, sagt Teuber. "Und das heißt auch nicht, dass es sich dabei um Blumen handelt, die unter schlechten Arbeitsbedingungen hergestellt wurden." In einigen afrikanischen Ländern erhalten Arbeiter nur einen Hungerlohn in der Blumenzucht und sind kaum vor den Pestiziden geschützt, die dabei eingesetzt werden.