Bluetec:Sauber ist relativ

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Fertigung im Daimler-Werk Bremen: Für den Konzern liefen die Geschäfte zuletzt prächtig, auch das Image ist so gut wie lange nicht. (Foto: Alexander Koerner/Getty)

Die Deutsche Umwelthilfe führt vor Gericht einen erbitterten Kampf gegen Daimler. Sie wirft dem Konzern irreführende Werbung für den Diesel vor. Für den Autohersteller steht viel auf dem Spiel.

Von Max Hägler, Stuttgart

Es passt schon sehr, dass dieser Diesel-Fall in Stuttgart verhandelt wird. Die Luft in der Landeshauptstadt von Baden-Württemberg ist die dreckigste im ganzen Land. Weil die Geomorphologie, die Kessellage, den Dreck sammelt, den - das ist der zweite Aspekt - so wahnsinnig viele Autos ausstoßen. Ach ja, Stauhauptstadt ist Stuttgart ebenfalls, auch wenn die Schwaben dabei immerzu in einem traurigen Wettstreit mit den Münchnern liegen. Gegen den Stau kommen die Politiker nicht recht an, es fehlt die Kreativität. Gegen die schlechte Luft soll nun ein Fahrverbot für dreckige Diesel helfen, das ab 1. Januar 2018 in Kraft treten könnte. Und an dessen Genese zumindest indirekt auch diese Gerichtsverhandlung beiträgt, die da am Donnerstag am Landgericht geführt wird, nur einen Kilometer entfernt vom luftverschmutztesten Ort der Republik, dem mittlerweile berühmten Neckartor. Dass dort diverse Grenzwerte überschritten würden, liege vor allem an dreckigen Dieseln, erklärt Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH), der schon lang einen erbitterten Kampf gegen Daimler führt.

Heute ist eigentlich nur etwas Wettbewerbsrechtliches streitig. Die Werber der Daimler-Marke Mercedes hatten vor einiger Zeit einmal im Zusammenhang mit dem Modell C220 behauptet: "Bluetec reduziert die Emissionswerte unserer hochmodernen Dieselmotoren auf ein Minimum." Eine Fußnote nur, auf der Internetseite, überschrieben mit "Die saubere Dieseltechnologie". Harnstofflösung, die unter dem besser klingenden Namen Bluetec vermarktet wird, ist tatsächlich eine wichtige Ingredienz, um Diesel-Autos sauber zu machen, konkret um Stickoxide in ungiftige Moleküle zu wandeln - so denn die Motorsteuerung richtig eingestellt ist. Doch das sei bei diesem Mercedes-Modell eben nicht der Fall gewesen, beklagt Resch. Der Autohersteller führe den Verbraucher geradezu in die Irre. Es gebe sauberere Autos am Markt. Vor allem aber ändere der Mercedes sein Verhalten fundamental bei niedrigen Temperaturen auf der echten Straße, dann sei der Stickoxid-Ausstoß 20 mal höher als am Prüfstand. Diese Werte habe eine niederländische Ingenieurgesellschaft gemessen. Das sei enttäuschend für die Autofahrer, die sich ein Auto gekauft hätten, um sich besonders umweltfreundlich zu verhalten. Entsprechend solle der Hersteller eine Unterlassungserklärung abgeben. "Wir wollen im Grundsatz geklärt wissen, ob ein Fahrzeughersteller ein Produkt als sauber bewerben kann und verschweigt, dass es eine Dreckschleuder ist", sagt DUH-Chef Resch. Die Daimler-Anwälte wollen sich gar nicht recht auf diese Facette technischer Diskussionen einlassen, die seit dem von VW ausgelösten Dieselskandal unter dem Begriff "Thermofenster" bekannt geworden ist. Das sei ja nicht wirklich streitgegenständlich. Und überhaupt habe der Wagen ja eine Zulassung bekommen - "und fertig". Den Vorwurf der Täuschung weisen sie zurück. Tatsächlich hat das Kraftfahrtbundesamt das Modell auch bei einer Nachprüfung nicht beanstandet. Die "Thermofenster" sind nach derzeitigem Stand legal, anders als die VW-Technik. Doch kann man damit nun eben Werbung machen? Wenn die Abgasanlage bei etwa zehn Grad Celsius zurückgeschaltet wird, ist das Minimum ja vielleicht nicht mehr zu erreichen. Von einem Superlativ kann man aber nicht einfach abrücken, wenn das Wetter mal nicht mag. Der Superlativ jedenfalls beschäftigt die Richter, das wird in den zwei Stunden deutlich: Wenn jemand wirklich Größtmögliches verspricht, muss er es einhalten. Und das soll Daimler nun genauer ausführen. Denn in vom Konzern nachgereichten Unterlagen ist eben die Rede davon, dass bei diesem Blue-Tec-Teil "Anpassungen" stattfänden, "die den Wirkungsgrad beeinflussen". Das wirft Fragen auf. Was wolle Daimler damit sagen, fragt die Vorsitzende Richterin Andrea Pientka. Sie sei eine typische Verbraucherin, Zielgruppe der Werbung also. Und sie verstehe das nicht. Sehr "sibyllinisch" formuliert seien diese Erläuterungen zum Regulieren der Ad-Blue-Technik. Und deshalb: Kernthema für sie. Daimler möge dazu Erklärungen liefern binnen vier Wochen, sagt sie und vertagt dann die Verhandlung. "Der Hersteller muss jetzt die Hosen runterlassen und uns Details zur Abschalteinrichtung liefern", kommentiert das hernach Lobbyist Resch. Und freut sich, was eine Unterlassungsklage alles auslösen kann.

© SZ vom 28.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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