Bloomberg:Hier strömt das Geld

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Alltag an der New Yorker Börse: Informationskonzerne verkaufen die Terminals, sie sind die Universal-Werkzeuge der Händler, Geldverwalter und Hedgefonds-Manager.

(Foto: Scott Eells/Bloomberg)

Das Bloomberg-Terminal ist die definitive Ikone der Finanzindustrie. An den Bildschirmen werden Booms und Krisen erzeugt. Der Kampf um die Datenherrschaft wird gerade neu eröffnet.

Von Jan Willmroth

Das ultimative Fetisch-Symbol der Hochfinanz besteht aus zwei schwarz gerahmten Bildschirmen und einer mit grünen, gelben und roten Tasten versehenen Tastatur. Wer eine von ihnen benutzen darf und kann, der gilt etwas in der Welt des großen Geldes. Permanent blinkende Fenster zeigen Kurven und Kurse, Preise und Nachrichten, der Hintergrund ist schwarz, die Schrift orangefarben. Davor sitzen weltweit Händler, Geldverwalter und Hedgefonds-Manager, die per Tastendruck Milliarden verschieben, Staaten in die Pleite treiben und überschuldete Konzerne erpressen.

Mit ihren Bloomberg-Terminals, den Universal-Werkzeugen der globalen Geldströme, haben sie jeden Boom und jede Krise der vergangenen Jahrzehnte erzeugt, die Dotcom-Blase der späten Neunzigerjahre, das Desaster der Finanzkrise ab 2007, die Hausse in jüngster Zeit. Nachdem vor viereinhalb Jahren aufgeflogen war, wie die Händler großer Banken jahrelang die Kurse wichtiger Währungen manipuliert hatten, zitierten die New Yorker Richter aus Chats und Mails von den Terminals der Beschuldigten. Champagner, Ferraris, Kokain: kein Klischee über gierige, selbstverliebte Banker hinter Spiegelglas, das nicht ausführlich in Bloomberg-Chats dokumentiert wäre.

Das Geschäft mit den Daten hatte Reuters erfunden - und wurde später überholt

"Wenn Sie kein Bloomberg haben, dann gehören Sie eigentlich nicht dazu", sagt ein Händler einer großen Bank. "Die Terminals sind wie die Synapsen im System."

Echtzeit-Daten sind das arterielle Blut der modernen Finanzwelt, und noch bestimmt Bloomberg den Herzschlag. Wer die Daten schneller liest, versteht und richtig interpretiert, gewinnt. Wer sie als Bank schneller liefert, verdient mehr Geld. Vor 35 Jahren waren datengetriebene Analysen noch die Sache von Mathematikern, die auf Millimeterpapier kritzelten, und weniger obskurer Spezialisten. Deren Job machen heute Maschinen, Algorithmen und automatisierte Handelssysteme, die Daten schneller verstehen als jedes Gehirn. Es geht längst um Vorsprünge von Nanosekunden. Und künftig geht es mehr denn je darum, wer Daten günstiger und umfangreicher sammeln kann. Jetzt gibt der Finanzinvestor Blackstone etliche Milliarden für die Mehrheit an der Daten-Sparte von Thomson Reuters aus, Bloombergs wichtigstem Gegenspieler. Der Wettlauf um die Hoheit in den Handelssälen wird damit neu eröffnet.

Michael Bloomberg erkannte früh, welch riesiges Geschäft sich da auftat, 1982, als das Internet noch weitgehend Theorie war und die Märkte mit Daten unterversorgt. Die nach ihm benannte Firma kontrolliert laut der Beratungsfirma Burton Taylor ein Drittel des weltweiten Geschäfts mit Finanzdaten. Bloomberg, mittlerweile 75, wurde zum Milliardär und seine Terminals zur "modernen Ikone der Finanzmärkte", wie das Unternehmen es selbst beschreibt. So wie der PC zur gleichen Zeit die Büroarbeit revolutionierte, steht das Bloomberg-Terminal für den digitalen Wandel der Finanzmärkte, die heute von einer steten Beschleunigung des Informationsflusses beherrscht werden.

Im Kampf um die Schreibtische in den Handelssälen der Welt war Bloomberg der Erste, bis heute liegt er weit vorn. Aber wird das so bleiben in einer Welt exponentiell wachsendender Datenströme, der ein Umbruch durch künstliche Intelligenz bevorsteht? Kann Bloomberg seine Vormachtstellung verteidigen, während Banken und Finanzkonzerne genau daran sparen: an ihren externen Datenplattformen? Was Bloomberg kann, können Banken heute selbst, immer mehr Start-ups drängen in den Markt, Börsenkonzerne bauen ihr Datengeschäft aus, die verschärfte Konkurrenz drückt die Preise.

Vielleicht wird Stephen Schwarzman nun gelingen, was niemand vor ihm geschafft hat: Bloombergs Datenherrschaft zu brechen. Auch der 70-jährige Schwarzman ist Milliardär, wie Bloomberg stammt er aus New York, als Gründer und Chef der legendären Beteiligungsfirma Blackstone hat auch er ein Imperium aufgebaut. Zu diesem Imperium gehört künftig die ewige Nummer zwei im Markt: Für 17,3 Milliarden Dollar übernimmt Blackstone 55 Prozent der Finanzdaten-Abteilung von Thomson Reuters, mit einem Marktanteil von gut 23 Prozent Bloombergs größter Konkurrent, einem breiteren Publikum vor allem durch seine Nachrichtenagentur Reuters bekannt. Das meiste Geld aber verdient auch der kanadische Informationskonzern mit dem Datengeschäft, es trägt mehr als die Hälfte zum Umsatz bei.

Die ursprüngliche Idee für dieses Geschäft geht sogar auf Paul Julius Freiherr von Reuter zurück, den Namensgeber von Reuters. Von 1850 an ließ er Brieftauben zwischen Aachen und Brüssel Aktiendaten und Nachrichten überbringen. Später ließ er Kursdaten und Nachrichten von London nach Paris morsen, durch das erste im Ärmelkanal verlegte Seekabel.

Mehr als hundert Jahre später wurde Reuters von Bloomberg überholt. Erst vor acht Jahren brachte Thomson Reuters sein eigenes Terminal "Eikon" auf den Markt, um im Wettbewerb um die Gunst der Händler aufzuholen. Reuters bietet die gleichen Funktionen wie Bloomberg, verkauft aber nur Software und keine eigenen Geräte. Nach dem Zusammenschluss von Thomson und Reuters im Jahr 2008 hatte sich der Konzern darauf konzentriert, Unternehmen mit individuell geschnürten Datenpaketen für den firmeneigenen Bedarf zu versorgen. Bloomberg dagegen macht noch immer mehr als drei Viertel seines Geschäfts mit den Schreibtisch-Terminals, die pauschal um die 20 000 Dollar Jahresgebühr kosten. Die Präsenz auf dem Schreibtisch, das musste Thomson Reuters irgendwann einsehen, blieb selbst in den 2010er Jahren noch entscheidend.

Das eigentliche Geheimnis ist Bloombergs Chat-Funktion: Fast jeder Finanzprofi nutzt sie

Wobei die Bildschirme nicht für Maschinen gemacht sind, sondern für die menschliche Interaktion. In einer Branche, die künftig mit deutlich weniger Menschen auskommen wird und sich immer schneller dem Diktat der Automation unterwirft, wird langfristig zum Risiko, worauf bislang den Erfolg von Bloomberg gründete.

Denn das eigentliche Geheimnis war schon immer der Chat. So groß ihr Einfluss ist, so wenige Terminals sind weltweit verteilt: Bloomberg hat nur 325 000 Abonnenten. Wer ein Terminal nutzt, erhält mit der enthaltenen Chat- und E-Mail-Funktion Zugang zu einem exklusiven sozialen Netzwerk von Finanzprofis, die untereinander Geschäfte im Bloomberg-Chat statt am Telefon abschließen. Wer kein Terminal hat, bleibt draußen, und keiner hat es bislang geschafft, derart effizient die Entscheidungsträger der Finanzwelt in einer Umgebung zu versammeln. Ein alter Wall-Street-Witz besagt, Bloomberg sei das teuerste Chat-Programm der Welt.

In diesen Chats wurde Geschichte geschrieben. Im Washingtoner Nationalmuseum für Amerikanische Geschichte stehen seit ein paar Jahren zwei Bloomberg-Tastaturen, mit einer von ihnen wurde der Anleihen-Spezialist Bill Gross zu einem der berühmtesten Investoren. Es sind nur zwei Tastaturen von Tausenden, die für Kursstürze stehen, für Panik und Euphorie, für Zinsmanipulationen und Milliardengewinne, für Boom-Phasen und Krisen und für den Kampf um den Datenstrom. Dieser Kampf geht jetzt in eine neue Runde, unter verschärften Bedingungen.

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