Träfe man Peder Nøstvold Jensen zufällig in Oslo, man würde ihn kaum bemerken. Wie ein netter junger Mann wirkt er, mit seinen kastanienbraunen Locken, die ein rundes Gesicht umrahmen. Tagsüber arbeitet er in einem Behindertenheim. Doch abends, an seinem Computer, verwandelte er sich in "Fjordman", einen der bekanntesten rechtsradikalen Blogger Europas, Vorbild für Anders Behring Breivik, den Massenmörder von Utøya. Kaum einer ahnte es - weder Kollegen noch Familie hatte Jensen in sein Doppelleben eingeweiht.
Den Computer hat die Polizei inzwischen beschlagnahmt und Jensen mehrere Stunden lang verhört. Er trat die Flucht nach vorn an. "Ich verstehe, dass ich ein Hassobjekt geworden bin", sagt der 36-Jährige in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Zeitung VG, bei dem er erstmals Fjordmans wahre Identität preisgibt. Er sei aber genauso schockiert wie alle anderen. Breivik habe er nie getroffen, obwohl dieser in E-Mails um ein Treffen gebeten hatte. "Ich fand ihn langweilig - wie einen Staubsaugervertreter." Er sei kein Extremist, so Jensen, sondern eine "stille Person", wenn auch "passioniert bei den Dingen, über die ich schreibe".
Wie Jensen seine Passion auslebt, konnten Leser der islamfeindlichen Webseite "Gates of Vienna" zum Beispiel am 22. Juli verfolgen. Fjordman bloggte live aus Oslo, wie viele andere vermutete er zunächst Islamisten hinter den Terroranschlägen. Man solle nicht vergessen, ermahnte Fjordman kurz nach der Attacke, dass die Bombe die "feigste und selbstmörderischste Regierung" getroffen habe, eine, die immer besonders lasch gewesen sei im Kampf gegen den Islam. Dieser erste Kommentar entsprach den Verschwörungstheorien, die Jensen seit 2005 als Fjordman verbreitet. In der Welt, wie er sie sieht, steht Europa kurz davor, von muslimischen Einwanderern übernommen zu werden. Schuld an der "Islamisierung" trügen Politiker und Medien, die ein friedliches Nebeneinander der Kulturen befürworteten.
Diese Gedankengänge hatte Breivik übernommen, um seinen Massenmord zu rechtfertigen. 111-mal zitiert er Fjordman in seinem Manifest. Der fühlt sich missverstanden. Er habe nie zu Gewalt aufgefordert, versichert Jensen. Doch das ist wohl Interpretationssache. Von ihm stammen Sätze wie: "Der Islam, und alle, die ihn praktizieren, müssen total und physisch aus der gesamten westlichen Welt entfernt werden."
Er verpackt solche Hassbotschaften meist in langen Essays, die akademisch anmuten. Jensen hat Medienwissenschaften in Oslo studiert und Arabisch an der American University in Kairo. Seine 2004 eingereichte Magisterarbeit handelt von der Blogger-Szene in Iran. Er hatte also Kontakt zu der ihm verhassten Kultur. Eine Erfahrung, die er mit manchen Islamisten gemein hat: So haben viele der Attentäter vom 11. September im Westen studiert.
Wo Jensens Wut herkommt, ist schwer zu ergründen. Möglicherweise spielt gekränkte Eitelkeit eine Rolle. Er habe versucht, seine Ansichten in Leserbriefspalten unterzubringen, sei aber "zensiert" worden, klagt er im Interview. Bei Seiten wie "Gates of Vienna" fand er dagegen Bestätigung. Dort tummelten sich bislang fast nur Gleichgesinnte. Und als sich das nach den Anschlägen von Oslo änderte, schalteten die Betreiber ihre Kommentarfunktion ab. Fjordman wird dort ohnehin nichts mehr veröffentlichen. Jensen sagt, er habe "die Lust verloren", weiter unter dem Pseudonym zu schreiben.