Süddeutsche Zeitung

Blockchainunternehmen:Einen Bitcoin für ein Konto

Lesezeit: 4 min

Junge Finanztechnologie­unternehmen bekommen oft keine Bankverbindung.

Von Katharina Wetzel

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet jene Technologiefirmen, die künftig die Banken überflüssig zu machen drohen, doch an den vermeintlich einfachsten Dingen scheitern: der Eröffnung eines Bankkontos. Zwar haben auch weniger technikaffine Unternehmen damit ihre Probleme (siehe Artikel "Kenne deine Kunden"). Für viele Blockchainunternehmen ist es aber schier unmöglich, bei einem klassischen Finanzinstitut eine Bankverbindung zu bekommen, was quasi das Aus für jedes Geschäft bedeutet. In der Schweiz - die traditionell weiter ist, wenn es um Finanzinnovationen geht - sah der oberste Lobbyverband der Banken sich aufgrund dieser misslichen Lage nun zum Handeln gezwungen. Auch in Sorge um den Finanz- und Technologiestandort Schweiz.

Im September hat die Schweizerische Bankiervereinigung einen Leitfaden "zur Eröffnung von Firmenkonti für Blockchainunternehmen" veröffentlicht. Dieser soll einerseits den Blockchain-Start-ups das Leben erleichtern und andererseits den traditionellen Finanzinstituten die Angst vor den Fintechs (Finanztechnologieunternehmen) nehmen. Nun hat die Schweiz sich in Sachen Blockchain einen gewissen Namen in der Welt erarbeitet, und die mehr als 500 Firmen, die sich vor allem im Raum Zug, Zürich sowie dem Genfer Seebecken angesiedelt haben, will man auch nicht unbedingt vergraulen.

Adrian Schatzmann, der die Schweizerische Bankiervereinigung in Sachen Blockchain strategisch berät, wirbt daher um Verständnis: "Mieten, Löhne und Abgaben werden auch von Blockchainunternehmen in Schweizer Franken bezahlt. Diese Bedürfnisse unterscheiden sich da nicht zu denen einer Bäckerei", erklärt er. Soll heißen, das seien ganz normale Unternehmen, deren Geschäftsmodell vielleicht keine große Zukunft hat, aber wer weiß das schon? Dass traditionelle Banken und Start-ups nicht immer das beste Verhältnis haben, liegt auch daran, dass viele mit der Digitalisierung oftmals überfordert sind und mit der Entwicklung mancher Start-ups, die täglich neue Applikationen herausbringen, nicht mehr mithalten können. Es fehlt schlichtweg das Verständnis. Blockchain, was ist das überhaupt?

"Es kann Jahre dauern, bis jeder Kundenberater mit der Blockchain und Kryptowährungen vertraut ist und die gesamte Branche sich damit wohlfühlt", sagt Schatzmann. Vereinfacht gesagt, lässt sich die Blockchain als ein dezentrales Kassenbuch darstellen, das auf den Computern der Teilnehmer gespeichert und einsehbar ist. Die Blockchain ist eine Kette aus Datenblöcken. Sie speichert alle Transaktionen, die die Nutzer direkt miteinander austauschen. Eine zentrale Instanz für den Betrieb braucht es daher nicht. Mithilfe der Technologie könnten sämtliche Dienstleistungen auch außerhalb des Finanzsektors künftig vereinfacht werden, sagen Experten. Die Konzepte der Blockchainfirmen variieren jedoch stark. Manche handeln mit Kryptowährungen, also digitalen Währungen wie Bitcoin oder Ethereum, und geben virtuell diese Währungen aus, andere wiederum haben gar keine Berührung zu einer Kryptowährung.

"Eine Bitcoin-Transaktion ist transparenter als ein Koffer voller Bargeld."

Für Finanzinstitute ist es schwierig, hier ohne entsprechende Expertise den Überblick zu behalten. Insbesondere, wenn digitale Währungen, sogenannte Tokens, ausgegeben werden, sind Banken zögerlich. "Problematisch wird es, wenn Firmen Tokens herausgeben und von Tausenden Investoren aus aller Welt Mittel (wie etwa Bitcoins) über die Blockchain einsammeln. Da stellt sich die Frage: Wie können wir das Geldwäschereirisiko in den Griff bekommen?", sagt Schatzmann. Zwar lassen sich auf einer Blockchain Transaktionen und Beträge genau zurückverfolgen, was bei Bargeld etwa nicht möglich ist. "Eine Bitcoin-Transaktion ist transparenter als ein Koffer voller Bargeld", sagt Schatzmann. Doch die Blockchainnutzer bleiben in der Regel anonym. Ein Grund, warum es für Banken auch schwer ist, den allgemeinen Sorgfaltspflichten nachzukommen.

"Banken haben mit dem Thema Kryptowährungen große Bauchschmerzen, weil diese teilweise auch zur Geldwäsche und für kriminelle Aktivitäten eingesetzt wurden", sagt Philipp Sandner, Leiter des Frankfurt School Blockchain Center. Erschwerend komme hinzu, dass bei Großbanken auch die potenziellen Strafen bei Regelverstößen größer als bei kleinen Instituten oder Start-ups seien. "In Deutschland sind es vor allem kleine Banken wie etwa die Volksbank Odenwald, die Volksbank Mittweida oder die Fidor-Bank in München, die florierende Blockchain-Start-ups, die heute klein und morgen möglicherweise groß sind, unterstützen ", sagt Sandner.

Kleine Nischenanbieter wie Maerki Baumann, die Falcon Private Bank oder die "Hypi" Lenzburg sind es meist auch in der Schweiz, die so gerade ihr Profil entwickeln, indem sie sich gegenüber technisch-innovativen Bereichen offen zeigen. Während hierzulande der Bankenverband noch keine "konkreten Empfehlungen im Bereich Firmenkunden" herausgibt, hofft die Schweizerische Bankiervereinigung, mit dem neuen Leitfaden nun doch einige Berührungsängste abbauen zu können. Dabei reagiert die Vereinigung auch, weil es wohl verstärkt Klagen von Blockchainunternehmen gab und bei einer Umfrage unter den Mitgliedern viele Fragen zu dem Thema auftauchten.

Als völlig unproblematisch werden laut Bankiervereinigung Unternehmen betrachtet, die lediglich die Blockchain-Technologie nutzen. Besondere Vorsicht sollten Banken bei sogenannten "Initial Coin Offerings" walten lassen, also wenn zum Beispiel Tokens wie Bitcoins von privaten Investoren eingesammelt und dafür andere Währungen wie Schweizer Franken, Dollar oder Euro herausgegeben werden. Denn dann sei das Risiko, dass dabei Investoren ihr Schwarzgeld waschen, besonders groß. Um Geldwäsche vorzubeugen, müsse eine Bank die Investoren kennen, von denen sie Geld entgegennehme.

Banken müssten hier ihre internen Prozesse und Kontrollen anpassen, meint Schatzmann. "Es gibt Software, die es erlaubt, Plausibilitätstests durchzuführen. Sie erhalten dann eine Risikoindikation, aber keine abschließende Sicherheit", erklärt Schatzmann. Er sieht aber auch die Start-ups in der Pflicht: "Je besser die Qualität der eingereichten Unterlagen ist, desto höher sind die Chancen, ein Firmenkonto zu bekommen."

Von einer strengeren Regulierung oder einem extra Gesetz für die Blockchain-technologie, wie es etwa in Liechtenstein eingeführt wurde, hält der Experte jedoch wenig. "Die Auswirkungen der Blockchaintechnologie können wir heute noch gar nicht abschätzen. Wird die Technologie aber bereits heute zu stark reguliert, besteht die Gefahr, dass wir die Entwicklung abwürgen", sagt Schatzmann. Auch Sandner hält nichts von einer Stigmatisierung von Blockchainunternehmen: "Die meisten Betrügereien finden Stand heute in traditionellen Währungen wie dem US-Dollar oder dem Euro statt." Die Banken seien bei dem Thema noch etwas hysterisch.

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Quelle:
SZ vom 04.10.2018
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