Blockchain:Europaparlament will gegen anonyme Kryptozahlungen vorgehen

Bitcoin

Laut der Blockchain-Analyse-Firma Chainalysis standen im vergangenen Jahr 0,15 Prozent aller Kryptotransfers im Zusammenhang mit möglicherweise illegalen Geschäften.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)

Das Europäische Parlament will Kryptokonten unter die Aufsicht von Finanzdienstleistern stellen, um Geldwäsche zu bekämpfen. Die Branche beharrt auf einem Recht auf anonyme Zahlungen.

Von Philipp Bovermann

Die Geschichte lasse einen zweimal darüber nachdenken, was sich das EU-Parlament da ausgedacht habe, so konnte man am Dienstag auf Twitter lesen. Der Verfasser wies auf den 5. April 1933 hin, als die US-Regierung den Bürgern verbot, Gold im Wert von über 100 Dollar zu horten. Der Dollar war damals noch mit Gold unterlegt. Die Regierung entzog den Bürgern also die private Kontrolle des Fundaments des Geldes - und so schließt sich der Bogen in die Gegenwart. Dort nämlich befürchten Kritiker, das EU-Parlament wolle ihnen die Kontrolle über das digitale Gold der Gegenwart entziehen, die Kryptomünzen.

Bislang passten sie noch nicht so richtig ins etablierte Regelwerk des Finanzsystems. Die EU will das ändern, stößt dabei aber an einigen Punkten auf den Widerstand einer Branche, deren Selbstverständnis sich aus der Abgrenzung zum "alten" Finanzsystem speist. Ein solcher Punkt ist in der sogenannten "Transfer of Funds-Regulierung" aufgetaucht, die Vorschriften zum Kampf gegen Geldwäsche auf den Kryptobereich ausdehnen soll. Das EU-Parlament hat dazu einen Entwurf verabschiedet. Der Streitpunkt sind die sogenannten "Unhosted Wallets".

"Das führt die Idee von Decentralized Finance ad absurdum"

Sie sind der Kern dessen, was den Kryptosektor technisch von der Welt der Banken unterscheidet. Jeder, der ein Handy besitzt, könne seine eigene Bank sein, Zahlungen laufen direkt von Konto zu Konto, ohne Umweg über eine zentrale Instanz, so lautete das Versprechen, als ein Computer 2009 den ersten Bitcoin "schürfte" - Mathematik wickelt die Zahlung ab. Inzwischen haben sich neue Dienstleister wie etwa die Kryptobörse Coinbase etabliert, die ähnliche Funktionen wie klassische Banken übernehmen. Technisch ist es aber weiterhin möglich, Wallets (Konten) unabhängig von ihnen "unhosted" zu betreiben.

Das EU-Parlament will diese Dienstleister in die Pflicht nehmen. Sie sollen bei Transaktionen mit Unhosted Wallets verifizieren müssen, wer dahintersteckt. Die Informationen sollen sie anschließend speichern und sie bei Zahlungen über umgerechnet mehr als tausend Euro zusätzlich an die Finanzaufsichtsbehörden schicken.

Aus Sicht von Kevin Hackl, der den Bereich Digital Banking & Financial Services beim Branchenverband Bitkom leitet, führe das die "Idee von Decentralized Finance ad absurdum". Wenn nun überall zentrale Instanzen zwischengeschaltet werden müssten, um die Wallet-Besitzer zu identifizieren, bliebe davon wenig übrig, sagt er. Dann liefe nichts mehr ohne die neuen bankähnlichen Unternehmen. Die Innovation für Finanzlösungen hingegen, bei denen die Wallets unter Kontrolle der Kunden bleiben, komme zum Erliegen. Vor allem bringe die Identifizierung wenig. Der Kampf gegen Geldwäsche funktioniere im Kryptobereich, entgegen der populären Auffassung, schon heute ausgezeichnet - aber nach ganz anderen technischen Prinzipien.

Was passiert, wenn die Daten über die Krypto-Besitzer abfließen?

Das technische Fundament aller Kryptowerte ist eine sogenannte Blockchain, eine Transaktionsdatenbank für die gesamte Währung, die unveränderlich und öffentlich einsehbar ist. Jeder zirkulierende Betrag lässt sich darin beliebig rückverfolgen. Wenn entlang der Kette eine Wallet auftaucht, die im Zusammenhang mit vermuteten Verbrechen steht, nimmt die Börse das Kryptogeld nicht an, um es beispielsweise in eine nationale Währung auszuzahlen. Entscheidend ist also, wie die Wallets sich verhalten, nicht, wem sie gehören.

Patrick Hansen vom Krypto-Dienstleister Unstoppable Finance warnt ebenfalls davor, die Anti-Geldwäschelogik des klassischen Finanzsystems auf den Kryptosektor zu übertragen. Eine Wallet anonym betreiben zu wollen, sei kein Beleg illegaler Absichten. Da die gesamte Transaktionshistorie öffentlich sei, wäre es höchst gefährlich, wenn die nun massenhaft zu sammelnden Personendaten bei einem der regelmäßigen Leaks abflössen. "Das wird passieren." Verbrecher könnten dann mit ein paar Klicks nachvollziehen, wer wie viel besitzt und eventuell ein lohnendes Ziel für Hackerattacken oder gar Schlimmeres wäre, sagt Hansen. "Das Risiko solcher Daten ist viel höher als im klassischen Bankensystem." Gleichzeitig sei die geplante Regulierung schärfer.

Deren Verfechter im EU-Parlament sind skeptisch, was das Beharren auf einem anonymen Finanzmarkt angeht. "Zur Geldwäsche sind alle Mittel recht", twitterte die linke französische Abgeordnete Aurore Lalucq. "Krypto ist da keine Ausnahme. Daher die Maßnahmen." Das geplante Gesetz geht nun in den Trilog mit der Europäischen Kommission und dem Ministerrat, bevor es beschlossen werden kann.

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