Blitzidee fürs Dosenpfand:Heimzahlen mit barer Münze

Zwei Münchner glauben, die Lösung für ein kniffliges Problem gefunden zu haben: "Sie sehen, wir sind total verrückt".

Von Michael Bauchmüller

(SZ vom 29.8.2003) — Die Idee kam ihnen auf der Autobahn, im Februar. Damals sammelten die Deutschen gerade die ersten farbigen Coupons, mit denen konnten sie sich das Pfand zurückholen, das sie neuerdings auf Dosen und Einwegflaschen zahlen mussten. Hinter den Kulissen zankten sich ein Umweltminister, viele verschiedene Verbände, Händler, Getränkehersteller und Umweltschützer über Sinn und Wohl und Wehe des neuen Einwegpfandes.

"Zu aufwändig, zu teuer", schimpften die einen - "ökologisch sinnvoll", beharrten die anderen. Auf der Autobahn also, Höhe Chiemsee, kam den Zoches die Idee: die Pfandmünze.

Im Auto, Benz Kombi, saßen: Michael Zoche, 62, der Vater; ein distinguierter Mann mit Erfinderpathos, sobald es um die Dose geht - am Steuer. Georg Zoche, 35, der Sohn, dynamisch-analytisch, Typ Computerbastler - Beifahrersitz. Ein Tüftlergespann. Eigentlich basteln sie seit Jahren an einem superleichten Dieselmotor für Flugzeuge, aber der braucht Zeit.

Seit ihrer Autobahn-Erleuchtung planen sie den Coup für Zwischendurch: Ein neues Pfandsystem für Deutschland. Eines, mit dem die Kunden künftig ihre Dose zurückgeben können, wo sie wollen; eines, von dem Fachleute sagt, es sei "verblüffend einfach und robust". Der Friedensvertrag im Dosenkrieg.

Zehn Lastzüge pro Woche

Die ganze Geschichte wäre amüsant und nicht mehr, wenn die Zoches nicht schon mit der Umsetzung begonnen hätten: Von kommender Woche an prägt die Münzfirma Eurocoin im nordrhein-westfälischen Schwerte ihnen pro Woche 100Millionen Pfandmünzen, 250 Tonnen, zehn Lastzüge voll. Zwei Milliarden Münzen sollen es einmal sein. "Eine der größten Münzprägeaktionen in der Geschichte der Menschheit", schwärmt Sohn Zoche. Und der Vater wirft nüchtern ein: "Die Logik ist auf unserer Seite. Es wird klappen."

Die Pfandmünze ist rund und hat in der Mitte ein Loch. Sie stammt aus demselben Material wie das 50-Cent-Stück, bildet auf der einen Seite die Nord-, auf der anderen die Südhalbkugel der Erde ab und trägt eine lapidare "25" - so viel Cents erhalten die Verbraucher nach den Plänen der Zoches im Laden zurück, wenn sie die Getränkepackung zusammen mit der Münze abgeben.

Die Münze wiederum haftet an Flaschen oder deren Deckeln, sie klemmt unter den kleinen Metallbügeln an der Dosenöffnung. Der Unterschied zu den bisherigen Pfandsystemen: Mit der Münze könnten die Käufer ihre Dosen künftig bundesweit in jedem Laden abgeben. Die Händler könnten sich das Geld von einer Art Münz-Zentrale zurückholen, die ebenfalls von den Zoches betrieben würde.

Diese Zentrale würde die Münzen an die Abfüller weiterverkaufen, und die klemmten sie wieder auf die Packungen - ein ständiger Kreislauf. Die alten Dosen würden da landen, wo sie hingehören: im Recycling.

Die Schreibtische der Zoches stehen in einer unscheinbaren Werkhalle im Münchner Norden, es riecht nach Diesel wie auf einem angejahrten Ägäis-Dampfer. Oben im Besprechungsraum, provisorisch eingerichtet und viel zu groß für die kleine Firma, liegen Unterlagen zur Pfandmünze und ein paar Briefe. Es gibt Öko-Apfelsaft aus der Mehrwegflasche, und Vater Zoche erzählt von seiner ersten großen Münz-Nummer.

Die erste große Münz-Nummer vor 40 Jahren

Es war in einem Herbst in London, vor 40 Jahren, als Zoche erstmals einen Waschsalon sah. Ein Jahr danach exportierte er die Idee nach München, wenig später war er der König der münzbetriebenen Münchner Waschsalons, wusch nach eigenen Angaben in den Siebzigerjahren jedes tausendste Wäschestück in Deutschland. Jedenfalls machte er so viel Geld, dass er seitdem erfinden kann.

Eine Erfindung allein ist aber noch nicht viel wert in einem Streit, in dem es für viele Beteiligte um Millionen Euro geht, in dem Industrie und Handel noch immer hoffen, die ganze Dosenpfand-Chose lasse sich vielleicht noch komplett kippen. Gerade klingelt wieder das Telefon im Besprechungsraum. "Ja", sagt Vater Zoche mit monotoner Stimme in die Muschel, "das System kommt auf jeden Fall. Die Münzen sind in der Prägung."

Er läuft nervös durch den Raum, bleibt stehen, sortiert mit einer Hand herumliegende Papiere, läuft weiter. "Was für alle Beteiligten spannend ist", steckt Zoche seinem Gesprächspartner, "sind diese exotisch niedrigen Kosten." Am anderen Ende ist der Mitarbeiter eines Schraubverschlussherstellers.

Bis zum 1. Oktober, so will es der Bundesumweltminister, muss ein bundesweit einheitliches Dosenpfand-System her. Ideen dafür gab es in letzter Zeit zuhauf: Mal sollte jede Dose einzeln einen Scannercode erhalten, mal eine Geheimtinte die zurückgegebenen Dosen entwerten. Populär ist derzeit auch die persönliche Rücknahme durch den Händler - leere Dosen und Flaschen reisen dann in versiegelten Säcken durchs Land und landen bei einer Zählstelle, die dem Händler das Pfandgeld zurückerstattet.

Immer geht es um das eine Problem: Seit es das Zwangspfand gibt, sind Dosen und Einwegflaschen Müll mit einem künstlichen Wert. Werden sie nicht sicher aufbewahrt oder entwertet, können Bösewichte sie aus dem Recycling-Müll herausklauben und wieder und wieder abgeben. Das brächte das ganze Pfandsystem ins Wanken.

Die Pfandmünze könnte dieses Problem lösen - der Handel streicht sie ein, damit ist die Dose wertlos. "Sie sehen sofort: Das ist ein global anwendbares System", sagt Zoche senior mit unbekümmerter Miene. Als könnte gar nichts mehr schief gehen.

Das Patt der Bluffer

Von wegen. Die Zoches stecken nun mitten drin im Ränkespiel ums Dosenpfand, das längst wie ein Poker ist: Jeder will gewinnen und blufft nach Kräften. Die Zoches wähnen sich im Besitz der besten Karten - und ziehen ihr Spiel einfach durch.

Jetzt müssen nur noch Industrie und Handel mitziehen. Das Kartellamt hat bereits grünes Licht signalisiert. Mit der HypoVereinsbank verhandeln sie über die Verwaltung der Pfandmillionen - während bei Eurocoin schon die Münzen aus der Präge klimpern. Das Risiko der gesamten Aktion tragen Zoches. Bald wollen sie einen sechsstelligen Euro-Betrag investiert haben, sagt Michael Zoche. "Sie sehen, wir sind völlig verrückt."

Aber womöglich ist so viel Verrücktheit der einzige Weg, das Bluffer-Patt beim Dosenpfand aufzulösen. Der 1. Oktober rückt näher. Bis dahin könnten 400 Millionen Münzen fertig sein, die dann in einer gigantischen Verteilaktion eilends durch die Lande geschafft werden müssten. Gigantismus? Naivität? Erfinderwahn? Vielleicht.

Vielleicht aber auch nicht. Setzt sich das System durch, wollen Zoches mit Pfand und Verrechnung je Dose oder Flasche 0,268 Cent einnehmen - weit weniger, als andere für ihre Leistungen verlangen würden. Bei elf Milliarden Zwangspfand-Packungen wären das 29,5 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Ganz schön viel Geld für eine Idee von der Autobahn.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: