Süddeutsche Zeitung

Blablacar:Der Kampf der Mitfahrzentralen

  • Blablacar, der Marktführer der Mirfahrgelegenheiten, hat kürzlich ein neues Bezahlsystem und Gebühren eingeführt.
  • Viele Kunden weichen seitdem auf andere, noch kostenlose Anbieter aus - und werfen Blablacar Manipulationen vor.

Von Peter Eßer

Die Entwicklung kennt man von anderen Start-ups: erst einen neuen Dienst kostenlos oder sehr günstig anbieten, schnell wachsen, die Konkurrenz schlucken und dann Gebühren einführen oder erhöhen. So läuft es auch bei Blablacar. Seit der Übernahme des ehemaligen Marktführers Carpooling ist die französische Firma mit Abstand die größte Mitfahrzentrale in Deutschland - und seit Kurzem kostenpflichtig. In der Mitfahr-Community wächst darüber der Unmut. Konkurrent fahrgemeinschaft.de wittert deswegen seine Chance.

Gemeinsam reisen und die Benzinkosten teilen - das Prinzip ist so alt wie das Auto selbst. Internetplattformen wie Blablacar oder fahrgemeinschaft.de machen es Fahrern und Mitfahrern leicht, zueinander zu finden. Blablacar wurde 2006 in Paris gegründet und ist seitdem international expandiert. In Deutschland startete der Dienst 2013. Insgesamt hat Blablacar nach eigenen Angaben über 30 Millionen Nutzer, die meisten davon in Mitteleuropa. Neben Fernbussen ist es auch der Erfolg von Mitfahrzentralen, der hierzulande der Deutschen Bahn zu schaffen macht.

mitfahrgelegenheit.de scheiterte einst an den Gebühren

Marktführer in Deutschland waren bis vor zwei Jahren die Portale mitfahrgelegenheit.de und mitfahrzentrale.de des Münchener Unternehmens Carpooling. Sie scheiterten, als sie Gebühren für die Vermittlung von Fahrten erhoben. Übrig blieb das Unternehmen Blablacar, das nun auch den Schritt hin zum Bezahlmodell wagt. Zusätzlich zum vom Fahrer festgelegten Fahrpreis fällt zum Beispiel für eine Fahrt von Hamburg nach Berlin eine Reservierungsgebühr von zwei bis drei Euro an. Auf der einen Seite ist das verständlich, weil es ansonsten kaum Möglichkeiten gibt, als Mitfahrzentrale Geld zu verdienen. Riskant ist es trotzdem, denn kostenlose Alternativen gibt es weiterhin.

Zunächst hat Blablacar ein neues Bezahlsystem eingeführt. Barzahlungen sind nicht mehr möglich, nur Vorauskasse per Kreditkarte, Paypal oder Sofort-Überweisung. Um zu verhindern, dass Nutzer die Plattform nur zur Kontaktaufnahme nutzen, sich dann zum Beispiel per Telefon absprechen und so die Gebühren umgehen, können sie nicht mehr direkt miteinander kommunizieren, ehe die Fahrt bezahlt ist. Bei Stornierungen 24 Stunden vor Fahrtbeginn erstattet Blablacar den Fahrpreis, nicht aber die Reservierungsgebühr. Storniert der Mitfahrer innerhalb von 24 Stunden, erhält er die eine Hälfte des Fahrpreises zurück, die andere geht an den Fahrer.

Mit Empörung tun nun zahlreiche Nutzer des Unternehmens ihren Unmut im Internet kund. Zum Beispiel berichten User über Schwierigkeiten, Mitfahrer zu finden. Da viele anscheinend lieber bar bezahlen würden und vor allem erst, wenn sie mit dem Fahrer gesprochen hätten, wichen sie auf alternative Dienste aus. Blablacar gibt sich offiziell gelassen: Man werde weiter wachsen, weil das neue System die Sicherheit für Fahrer und Mitfahrer erhöhe, heißt es.

Der Vorwurf: Blablacar erstellt Fake-Profile, um Zahlen zu manipulieren

Auch im Internet-Forum von fahrgemeinschaft.de ist die Entwicklung bei Blablacar das Thema Nummer eins. Der Plattformbetreiber ist vom schwindenden Erfolg des großen Konkurrenten überzeugt: Seit der Umstellung bei Blablacar verzeichne das Portal eine Verdreifachung der täglichen Nutzerzahlen, heißt es in einer Pressemitteilung. Außerdem griff das Unternehmen, das mit dem ADAC zusammenarbeitet, einen weiteren Kritikpunkt unzufriedener Blablacar-Kunden auf: Blablacar fabriziere scheinbar selbst Fake-Profile um eine Steigerung der Nutzerzahlen vorzutäuschen - ein schwerer Vorwurf. Eine solche Praxis würde gegen Blablacars eigene Allgemeine Geschäftsbedingungen verstoßen.

Blablacar streitet das als "völlig unwahre Behauptung" ab; man prüfe nun rechtliche Schritte. Das Unternehmen sei weiterhin in Deutschland und weltweit auf Wachstumskurs. Dafür spreche auch, dass das Gebührenmodell im Heimatland Frankreich bereits vor fünf Jahren eingeführt wurde und Blablacar dort immer noch Marktführer ist. Auch in Italien, Spanien, Großbritannien und den Benelux-Ländern ist die Mitfahrzentrale nicht mehr kostenlos. Trotz des Gegenwinds in den Social Media hat sich Blablacar international etabliert. Wer eine Mitfahrgelegenheit sucht, hat dort bei weitem die größten Chancen, ein passendes Angebot zu finden.

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SZ vom 12.08.2016/vit
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