Digitalwährungen:Du schon wieder

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Die Digitalwährung erlebt gerade ein spektakuläres Comeback. Knackt die Digitaldevise nun ihre alten Rekorde?

Von Victor Gojdka, Frankfurt

Wenn selbst Ray Dalio in Finanzfragen nicht mehr weiter weiß, dann muss das etwas heißen. Dalio, 71, ist Hedgefonds-Manager, vielfacher Milliardär noch dazu, in Geldfragen kennt sich der Mann also bestens aus. Doch nun stellt der raketenhafte Wiederaufstieg der Digitaldevise Bitcoin selbst einen Finanzprofi wie Dalio vor Probleme. "Vielleicht habe ich etwas verpasst", schrieb Dalio auf Twitter. Und bat seine Kontakte öffentlich um Nachhilfe in Sachen Digitalgeld.

So wie Dalio geht es dieser Tage vielen am Finanzmarkt, denn lange war der Bitcoin scheinbar von der Bildfläche verschwunden. Doch in den vergangenen Tagen hat sich die Digitaldevise zu einem atemberaubenden Höhenflug aufgeschwungen. Allein seit dem Jahreswechsel hat sie um 120 Prozent zugelegt, seit Anfang Oktober weist der Kurs geradezu parabolisch nach oben. Am Mittwoch knackte die Digitaldevise nun gar die Marke von 18 000 Dollar. "Die Digitalwährung bleibt nach wie vor nicht zu bändigen", sagt Bitcoinexperte Timo Emden von Emden Research. Viele Privatanleger fragen sich angesichts dieser Entwicklung: Steht nun der nächste Kurshype bevor?

Dass ausgerechnet die schwankungsreiche Digitaldevise in den Wirren der Corona-Pandemie zulegen kann, mag auf den ersten Blick geradezu rätselhaft erscheinen: Denn Bitcoin hat keinen inneren Wert, Anleger erwerben damit keinen Anteil an einem Unternehmen, bekommen keine Dividenden ausgezahlt - hinter der digitalen Währung stehen bei Lichte betrachtet bloß lange Zahlenketten. Und doch ist die Wackel-Währung zumindest in den Augen mancher Anleger mehr als kostbar, für manche gar ein Hort der Stabilität. Wie kann das sein?

Die maximale Menge von Bitcoin ist auf 21 Millionen Einheiten limitiert

Anders als bei traditionellen Währungen ist die maximale Menge von Bitcoin auf 21 Millionen Einheiten limitiert, mehr kann niemals produziert werden. Verglichen mit der Corona-Geldflut von Notenbanken und Regierungen scheint die dezentrale Devise zumindest manchen Anlegern gerade deswegen als Stabilitätsanker. Wer das Vertrauen in traditionelle Papierwährungen verliert, greift dieser Tage oft zur Kryptowährung. "Aktuell behandeln viele Investoren Bitcoin wie digitales Gold", sagt Jeroen Blokland, Chefanlagestratege der Fondsgesellschaft Robeco. Und im Vergleich zum edlen Metall lässt sich Bitcoin sogar einfacher lagern und transportieren.

Parallel dazu steigt das Renommee der einstigen Nischenwährung in etablierten Finanzzirkeln: Vermögensverwalter, Fondsgesellschaften und Börsenbetreiber liebäugeln immer sichtbarer mit der Kryptowährung. So können besonders Vermögende bei der Fondsgesellschaft Fidelity immer stärkter in Kryptowerte investieren. Dem auf Kryptowerte spezialisierten Vermögensverwalter Grayscale haben Anleger über den Sommer mit der Summe von einer Milliarde Euro zugeworfen. "Anders als 2017 fließt nun substanziell Geld von professionellen Anlegern in Bitcoin", sagt Anlagestratege Jeroen Blokland.

Parallel wird es auch für Privatanleger einfacher, mit der komplizierten Währung zu handeln. An der Deutschen Börse können Privatanleger nun eins zu eins dem Preis des Bitcoin folgen - mit einem sogenannten börsengehandelten Rohstoffpapier (ETC). Seit dem Start des Bitcoin-Papiers im Juni sind bereits mehr als 90 Millionen Euro in diese Anlageform hineingeflossen. Kürzlich kündigte dann der Zahlungsdienst Paypal an, dass seine US-Kunden auf der eigenen Plattform Bitcoin kaufen und verkaufen dürfen. "Darüber hinaus soll es zeitnah die Option geben, bei Händlern mit Kryptowährungen zu bezahlen", sagt Kryptoexperte Sören Hettler von der genossenschaftlichen DZ-Bank. Und die Hamburger Sutorbank plant in Deutschland sogar, Bitcoin-Automaten aufzustellen, an denen sich die Digitalwährung auf Papier ausdrucken lässt.

Es gibt Gedankenspiele der EZB, einen digitalen Euro einzuführen

Während die einstige Anarchodevise also salonfähig wird, treiben ausgerechnet die Offiziellen der Europäische Union den Kurs der digitalen Angreiferwährung. Ende September hat die EU-Kommission vorgeschlagen, wie Staaten Kryptowerte künftig einheitlich regulieren könnten. "Von Bitcoin-Befürwortern wird dies als vertrauensbildende Maßnahme mit großer Bedeutung gewertet", sagt Devisenexperte Sören Hettler.

Dazu kommen Gedankenspiele der Europäischen Zentralbank, einen digitalen Euro einzuführen. Noch ist völlig unklar, ob und in welcher Form er kommt - für Bitcoinenthusiasten aber reichte die Meldung zum Kurstreiber. Wenn mit einem öffentlichen Digitalgeld möglicherweise das Bargeld zurückgedrängt werden könnte, dürfte Bitcoin als weitgehend anonyme Zahlungsmethode an Bedeutung gewinnen.

Ob das genug Treibstoff für den Bitcoinkurs ist, weiß niemand. Sollte der Bitcoin Geldmagnet bleiben, könnten ihn die Finanzregulierer wieder stärker aufs Korn nehmen - und die Kurseuphorie dämpfen. Dass die Digitaldevise zudem äußerst unberechenbar sein kann, zeigte sich just am frühen Mittwochmorgen: Denn mitten im Kursaufschwung kollabierte die Devise plötzlich und sackte binnen fünf Minuten um rund 1000 Dollar ab. "Es herrscht eine explosive Mischung am Markt", meint Kryptoexperte Timo Emden. Eine explosive Mischung, die jedoch nicht zur Kursexplosion führen muss.

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