Der Krieg in der Ukraine wirkt sich drastisch auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland aus. Der Sachverständigenrat der Bundesregierung korrigiert seine Einschätzung deutlich nach unten. Das Bruttoinlandsprodukt wachse im Jahr 2022 voraussichtlich nur noch um 1,8 Prozent, prognostizieren die Wirtschaftsweisen. Im November waren sie noch von einem Wachstum von 4,6 Prozent ausgegangen. Viele Unternehmen werden durch stark steigende Energiepreise und durch Lieferengpässe belastet.
Für 2023 liege die neue Wachstumsprognose bei 3,6 Prozent. Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine erhöhe die Unsicherheit beträchtlich, dämpfe das Wachstum und trage zum Anstieg der Energie- und Verbraucherpreise bei, so die Wirtschaftsweisen.
Wegen der steigenden Energiepreise erwartet der Sachverständigenrat auch eine deutlich höhere Inflationsrate: Die Schätzung für Deutschland liege für 2022 nun bei 6,1 Prozent und für 2023 bei 3,4 Prozent. Zuvor hätten die Wirtschaftsweisen die Teuerung für das laufende Jahr noch auf 2,6 Prozent geschätzt. Eine Inflation von 6,1 Prozent wäre der höchste Wert seit Jahrzehnten.
"Deutschland ist stark von russischen Energielieferungen abhängig. Ein Stopp dieser Lieferungen birgt das Risiko, dass die deutsche Volkswirtschaft in eine tiefere Rezession abrutscht und die Inflation noch stärker zunimmt", sagt Monika Schnitzer, Mitglied des Sachverständigenrates. Deutschland sollte umgehend alle Hebel in Bewegung setzen, um sich gegen einen Stopp russischer Energielieferungen zu wappnen und die Abhängigkeit von Russland zu beenden.
Staatsschulden auf Höchststand
Das Statistische Bundesamt teilt zudem mit, dass die deutschen Staatsschulden im vergangenen Jahr auf einen neuen Höchststand gestiegen sind. Nach zwei teuren Corona-Jahren hatten Bund, Länder, Gemeinden sowie Sozialversicherungen einschließlich aller Extrahaushalte 2319,8 Milliarden Euro Schulden. Das sind 6,8 Prozent oder 146,9 Milliarden Euro mehr als Ende 2020. Die Summe entspricht einer Pro-Kopf-Verschuldung von 27 906 Euro.
Während die Wirtschaftsweisen von einer schlechter werdenden wirtschaftlichen Situation ausgehen, rechnen die Arbeitsagenturen trotz des Krieges mit einer weiteren Erholung des Arbeitsmarktes. "Solange der Ukraine-Krieg nicht noch umfassender eskaliert, erwarten die Arbeitsagenturen, dass der Aufschwung am Arbeitsmarkt weitergeht", sagte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) am Dienstag.
In der monatlichen Umfrage des IAB bei den Ablegern der Bundesagentur für Arbeit (BA) verbesserten sich die Einschätzungen zur Entwicklung von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit. "Etliche Betriebe sind durch Lieferengpässe, Exportausfälle und Energiepreissteigerungen betroffen", sagt Weber. Kurzarbeit könne aber nötigenfalls vieles abfedern.