Biotechnologie:Das Geschäft machen andere

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Kaum Anziehungskraft: Deutsche Biotech-Betriebe locken wenig Kapital an.

(Foto: Jochen Lübke/dpa)

Deutsche Biotech-Betriebe locken wenig Kapital an. Das Ausland kann das besser.

Von Elisabeth Dostert

Das Urteil fällt vernichtend aus. Die deutsche Biotechnologie-Branche hat 2015 ihr Potenzial zu wenig ausgeschöpft. Zu diesem Ergebnis kommen die Berater von Ernst & Young (EY) in einer am Dienstag vorgelegten Studie. Mit Potenzial meinen sie die Börse. Nur eine Firma, Curetis aus Holzgerlingen, schaffte es 2015 an die Börse - für 10 Euro je Anteilsschein. Damals wertete Vorstandschef Oliver Schacht den "Erfolg der Transaktion" als Zeichen dafür, dass der Kapitalmarkt den "Bedarf an Diagnostika wie der Unyvero-Lösung" anerkenne. Sie ermöglicht nach Darstellung des Unternehmens die Bestimmung von Krankheitserregern und Antibiotikaresistenzen binnen weniger Stunden. Bisher brauchen Krankenhäuser dafür Tage. Gut 44 Millionen Euro brachte Curetis der Börsengang. Für die Zeichner war das Papier bislang weniger ein Erfolg. Der Kurs liegt bei knapp acht Euro.

Nicht nur in absoluten Zahlen, auch prozentual kann Deutschland mit anderen Ländern nicht mithalten. Die Quote, also die Zahl der Emissionen bezogen auf die Zahl der Unternehmen, liegt bei 0,8 Prozent. Zum Vergleich: In Europa lag sie bei 3,3 Prozent, in den USA bei 4,7 Prozent.

Aber auch bei der Beschaffung von Risikokapital tun sich deutsche Biotechs "in der Breite" nach wie vor schwer, so ein weiteres Ergebnis der Studie. Zwar stieg das bereitgestellte Risikokapital um knapp die Hälfte auf 236 Millionen Euro. Allein 167 Millionen Euro, also mehr als die Hälfte davon, heimste allerdings die Tübinger Firma Curevac ein. Das im Jahr 2000 von Ingmar Hoerr, Steve Pascolo und Florian von der Mülbe gegründete Unternehmen produziert Wirkstoffe auf Basis des Moleküls RNA. Das Kürzel steht für Ribonukleinsäure. Bei entsprechender Modulierung kann das Biomolekül als Therapeutikum und Impfstoff direkt in das Gewebe verabreicht werden. Am weitesten fortgeschritten ist ein Medikament gegen Prostatakrebs. Curevac hat potente Investoren: Dievini, die 2005 von SAP-Mitgründer Dietmar Hopp, Friedrich von Bohlen und Christof Hettich gegründete Beteiligungsfirma, hält fast 90 Prozent. Im März 2015 stieg dann auch die Stiftung von Bill und Melinda Gates bei Curevac ein. In einem in der Studie abgedruckten Interview erzählt Vorstandschef Hoerr, dass Curevac auch mit deutschen Investoren verhandelte, zu Abschlüssen kam es nicht. "Vielleicht hatten wir für derzeitige deutsche Verhältnisse eine Prise zu viel Vision in unsere Präsentation gepackt, vielleicht war unsere Bewertung für den hiesigen Kontext zu hoch", spekuliert Hoerr. Curevac wird inzwischen mit 1,5 Milliarden Euro bewertet.

In Deutschland fehle es an Risikobereitschaft, bemängelt eine Studie

In Deutschland fehle eine breitere Risikoakzeptanz, bemängelt Siegfried Bialojan, Autor der Studie und Leiter des deutschen Life Sciences Zentrums von EY. Echte Innovationen seien meist mit Risiken über lange Zeiträume verbunden. Der hohe Investitionsbedarf könne nur über Risiko- und Beteiligungskapital abgedeckt werden, sagt Biajolan. Börsennotierte Unternehmen steigerten 2015 die Erlöse deutlicher als private und sie gaben mehr Geld für Forschung und Entwicklung aus. "Die wahren Wachstumstreiber sind börsennotierte Unternehmen. Und da hat Deutschland eindeutig Nachholbedarf", sagt Klaus Eichenberg, Sprecher des Arbeitskreises Bio-Regionen im Verband Bio Deutschland, mit dem EY für die Studie kooperiert hat.

Als Übernahmekandidaten werden Biotech-Firmen immer attraktiver, so EY. Das "Dealvolumen" hat sich im vergangenen Jahr weltweit mehr als verdoppelt und nahm mit 107 Milliarden Dollar erstmals die Hürde von 100 Milliarden Dollar. Es gab einige "Megadeals": Der britische Pharmakonzern Astra Zeneca etwa schloss Ende 2015 mit der auf Entwicklung von Krebsmedikamenten spezialisierten niederländischen Biotech-Firma Acerta Pharma einen Deal im Wert von 5,7 Milliarden Dollar. Besonders eifrig und teuer kaufte Shire ein. Für die US-Firma Dyax zahlte der Pharmakonzern knapp sechs Milliarden Dollar. Solche Übernahmen liegen im Trend, konstatieren die Autoren der EY-Studie. Die Pharmaunternehmen stehen unter Wachstums- und Innovationsdruck. "Im derzeitigen Niedrigzinsumfeld können sie sich günstig refinanzieren und sind dadurch bereit, auch deutlich höhere Preise zu zahlen."

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