Corona-Impfstoff:Goldgrube Biontech

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Corona-Impfstoff: Ein Mann bereitet Dosen des Impfstoffes Comirnaty vor.

Ein Mann bereitet Dosen des Impfstoffes Comirnaty vor.

(Foto: Robert Michael/picture alliance/dpa/dpa-Zentral)

Der deutsche Impfstoff-Hersteller hat nicht nur Leben gerettet. Neue Zahlen zeigen jetzt, wie außergewöhnlich gut Biontech sich auch finanziell geschlagen hat.

Von Elisabeth Dostert

Für das, was die Firma aus Mainz geleistet hat, wirkt das Wort "außergewöhnlich" fast bescheiden. "Rückblickend war 2021 ein außergewöhnliches Jahr": So beschreibt Biontech-Mitgründer und Vorstandschef Uğur Şahin das abgelaufene Geschäftsjahr. Und die Formulierung "rückblickend" zeigt, dass sie in Mainz vielleicht gehofft, aber vermutlich am Anfang jenes Jahres nicht damit gerechnet haben, wie außergewöhnlich es werden würde. Mehrfach hatte Biontech die Prognose angehoben.

Im Januar 2021 war der von Biontech entwickelte Impfstoff Comirnaty gegen das Coronavirus in den USA, in Europa und einigen anderen Ländern erst seit wenigen Tagen zugelassen - sei es bedingt oder als Notfallprodukt. Der Einfluss, den Biontech und sein Partner Pfizer 2021 auf Gesundheit und Wirtschaft geübt habe, sei von historischer Bedeutung. "Die Verteilung unseres Impfstoffes hat wahrscheinlich Millionen von Leben gerettet und hilft Menschen in der ganzen Welt, den Weg zurück in ein normaleres Leben zu finden", sagt Şahin dann am Nachmittag in einer Internet-Konferenz für Investoren.

Bis Anfang März 2022 haben Biontech und Pfizer nach eigenen Angaben weltweit mehr als 3,1 Milliarden Dosen des Covid-19-Impfstoffs ausgeliefert, davon etwa 1,3 Milliarden Dosen an Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen. Der Nebensatz ist bewusst so gesetzt, denn so alt wie die Impfstoffe ist die Kritik an den Herstellern, dass bislang vor allem wohlhabende Staaten von den Covid-Vakzinen, nicht nur von Comirnaty, profitiert haben. Nach Erhebungen des Datendienstes Our World in Data haben bislang nur 14,5 Prozent der Bevölkerung in Ländern mit niedrigen Einkommen mindestens eine Dosis erhalten. In den Vereinigten Staaten beispielsweise liegt diese Quote mittlerweile bei knapp 77 Prozent. Für das Jahr 2022 haben Biontech und Pfizer nach eigenen Angaben bis Mitte März für rund 2,4 Milliarden Dosen unterzeichnet. Gespräche über weitere Lieferungen liefen, hieß es am Mittwoch.

Corona-Impfstoff: Özlem Türeci, Co-Gründerin von Biontech, in ihrem Labor.

Özlem Türeci, Co-Gründerin von Biontech, in ihrem Labor.

(Foto: Biontech/dpa)

Für das kommende Jahr rechnet Biontech mit Covid-19-Impstoffumsätzen von 13 bis 17 Milliarden Euro. Der Anteil von Lieferungen in Länder mit mittleren und niedrigem Einkommen solle steigen, erläuterte Finanzchef Jens Holstein in der Investoren-Konferenz. Da sich dort der Preis am Einkommensniveau orientiere oder das Vakzin zu einem nicht-gewinnbringenden Preis ausgeliefert werde, sinke der Durchschnittspreis des Konzerns. Das Unternehmen sucht auch nach einem Impfstoff gegen die Omikron-Variante des Coronavirus. Auf eigenes Risiko habe Biontech mit der Produktion eines Omikron-basierten Impfstoffes begonnen. Erste Daten der klinischen Studie kündigt es für April an.

In Zahlen gefasst liest sich das außergewöhnliche Jahr so: 2021 setzte Biontech fast 19 Milliarden Euro um, sie stammen fast komplett aus Impfstoff-Erlösen. 2020 setzte Biontech gut 480 Millionen Euro um. Den Gewinn vor Steuern beziffert Biontech für das Jahr 2021 auf rund 15 Milliarden Euro. Im Vorjahr stand da noch ein Verlust von 146 Millionen Euro. Der Nettogewinn lag 2021 bei 10,3 Milliarden Euro nach gut 15 Millionen 2020.

Der Biontech-Konzern will dieses Geld in die Forschung stecken und Programme für Infektionskrankheiten und in der Onkologie beschleunigen. Das Unternehmen wolle seiner globalen sozialen Verantwortung für Gesundheit nachkommen und den Zugang zu Spitzenmedizin demokratisieren, sagte Şahin am Nachmittag.

Und auch die Aktionäre sollen vom "außergewöhnlichen Jahr" profitieren. Für bis zu 1,5 Milliarden Dollar will der Konzern in den kommenden zwei Jahren Aktien zurückkaufen und zum ersten Mal sollen die Aktionäre eine "Sonderdividende" bekommen: zwei Euro je Anteilsschein und "Sonder-", weil es ein besonderes Jahr war. Auf Basis der Ende März ausstehenden Aktien wären das insgesamt rund 486 Millionen Euro. Am stärksten profitieren davon die Pharmaunternehmer Andreas und Thomas Strüngmann, die über ihre Beteiligungsgesellschaft fast die Hälfte des Kapitals halten.

Zwar hat sich die an der US-Technologiebörse Nasdaq notierte Aktie weit von ihren Höchstständen entfernt, doch am Mittwoch legte sie zu.

Die Zahlen für das Gesamtjahr zeichneten sich Quartal für Quartal ab. In den ersten drei Monaten 2021 setzte das Unternehmen gut zwei Milliarden Euro um, im zweiten Quartal waren es dann schon 5,3 Milliarden Euro, im dritten 6,1 Milliarden Euro und im vierten 5,5 Milliarden. Der Impfstoff ist ein Booster für die Firma und das Wachstum in Deutschland. Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel bezifferte den Beitrag von Biontech zum Wirtschaftswachstum von insgesamt 2,7 Prozent im vergangenen Jahr auf rund einen halben Prozentpunkt. Zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) steuert das Unternehmen etwa 15 Milliarden Euro bei. Dass ein einzelnes Unternehmen das BIP so stark anhebe, sei äußerst ungewöhnlich, schreibt Ökonom Nils Jannsen vom Institut für Weltwirtschaft in einem Kommentar.

Und Mainz, wo Biontech seinen Sitz hat, darf sich besonders freuen. 4,8 Milliarden Euro Ertragsteuern zahlt der Konzern. Ein großer Batzen davon dürfte in den Kassen der Universitätsstadt landen.

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