Biografie "Späte Reue":Denkmal für Josef Ackermann

Josef Ackermann

Vom Saulus zum Paulus? Josef Ackermann, Archivbild von 2006

(Foto: Getty Images)

Er ist gierig und neugierig, arrogant und intellektuell. Eine neue Biografie, geschrieben von einem engen Mitarbeiter, zeigt einen verehrenswerten Josef Ackermann. Die kritische Distanz muss der Leser mitbringen.

Von Andrea Rexer, Frankfurt

Wenn ein Kommunikationschef über seinen Chef ein Buch schreibt, kann man wohl keine allzu kritischen Worte erwarten. Schon gar nicht, wenn er immer noch bei ihm unter Vertrag steht. Doch ganz so leicht ist Stefan Barons Buch über Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann nicht abzuhandeln. Wie der Titel "Späte Reue" schon andeutet, gibt es im Leben von Deutschlands bekanntestem Banker Dinge, die zu bereuen und somit interessant sind.

Und so schreibt Baron auch über die kritischen Details aus Ackermanns Karriere, vor allem über die Dinge, die vor 2007 passiert sind. Denn zu dem Zeitpunkt begann die Finanzkrise - und zu diesem Zeitpunkt kam Baron als Kommunikationschef an Bord. Glaubt man den Schilderungen, dann hat Ackermann in diesen Jahren eine wahre Metamorphose hingelegt: weg vom knallharten Kapitalisten hin zum Staatsmann, der sich nicht nur um Zahlen, sondern um Gesellschaftspolitik kümmert. Und so ist das Buch denn auch eine "Vom-Saulus-zum-Paulus"-Geschichte geworden.

Lesenswert ist vor allem die Saulus-Phase Ackermanns. Denn hier gelingt Baron ein distanzierter Blick auf den Banker, den er - und das merkt man im zweiten Teil des Buches - zutiefst verehrt. Dennoch, und vielleicht auch gerade deswegen, kommt der Leser in diesen Schilderungen dem Top-Banker so nah wie selten zuvor. Der Leser erfährt etwa, dass Ackermann 2011 ernsthaft an Rücktritt gedacht habe, als eine Klagewelle auf das Geldhaus zurollte. Baron beschreibt seinen Chef als eine ungeduldige, neugierige Person, deren Eitelkeit sich nicht bei Geld aufhält, dessen Gier die Neugier sei. Er beschreibt, wie Ackermann sich immer wieder dazu hinreißen lässt, anderen zu zeigen, dass er intellektueller ist als sie. Dass Ackermann dadurch arrogant wirkt, versucht Baron gar nicht erst zu bestreiten.

Seitenhiebe auf Anshu Jain

So kritisch er den frühen Ackermann beleuchtet, so wenig kann sich Baron von ihm distanzieren, seitdem er an seiner Seite wirkt. Vor allem wenn es um die Nachfolgedebatte geht, merkt der Leser, dass diese Episode eine tiefe Schneise in die Bank geschlagen hat: Auf der einen Seite stehen die Ackermann-Anhänger, auf der anderen die Anhänger der neuen Doppelspitze aus Jürgen Fitschen und Anshu Jain.

Und so spart Baron auch nicht an Seitenhieben auf die neuen Chefs, vornehmlich auf Anshu Jain. Hier wird ganz deutlich: Hier geht es nicht nur um eine Beschreibung jener Monate, in denen heftig die Klingen gekreuzt wurden. Es ist ein Kampf um das Erbe. Es geht darum, wer welchen Platz in den Geschichtsbüchern einnehmen darf. Sind die aktuellen Rechtsstreitigkeiten, die auf der Bank wie Blei lasten, ein Erbe aus Ackermanns Zeit - oder sind sie allesamt auf das Konto des lnvestmentbankers Anshu Jain zurückzuführen? Barons Antwort ist eindeutig, auch wenn sie mehr durch anekdotische Evidenz denn durch stichhaltige Fakten belegt wird.

Hier bleibt es dem Leser überlassen, die kritische Distanz zu wahren. Das bezieht sich übrigens nicht nur auf Bank-Interna. Baron beschreibt Ackermann auch im politischen Bereich als einen, der die neue Regulierung vorangetrieben hat. Dass hier mitunter Vorsicht geboten ist, zeigt dieses Beispiel: Dem Buch zufolge soll Ackermann zu den Details des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes erheblichen beigetragen haben. Im Finanzministerium jedoch erzählt man sich die Geschichte anders - zwar habe Ackermann einen Rettungsschirm für Banken öffentlich angeregt, aber an der Ausarbeitung habe er sich "null" beteiligt. Dazu passt, dass der frühere Finanzstaatssekretär und heutige EZB-Direktor Jörg Asmussen kürzlich Paul Achleitner und Martin Blessing als Ideengeber für das Gesetz nannte. Den Namen Ackermann nannte er nicht.

Dass der Autor für Ackermann einen prominenten Platz im Geschichtsbuch vorgesehen hat, ist klar. Fast elegisch lobt Baron dessen Einsatz für das europäische Gemeinwohl, vor allem in seiner letzten Phase an der Macht. Und er kommt zum Schluss: "Aus dem Mann, der nichts anderes werden wollte als ein Banker, ist nolens volens der politischste Bankchef geworden, den die Deutsche Bank in ihrer bald 150 Jahre langen Geschichte gekannt hat." Ein Buch als Denkmal.

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