Süddeutsche Zeitung

Billigflieger:Günstige Sitze, teure Extras

Die Krise macht Billigflieger erfinderisch und lässt sie den etablierten Linien immer ähnlicher werden. Versteckte Gebühren sollen zudem Geld in die Kasse spülen. sueddeutsche.de zeigt die Preis-Fallen.

Jens Flottau

Kurz nachdem Air Asia X Billigflüge von London nach Kuala Lumpur eingeführt hatte, machte Asran Osman Rani eine ungewöhnliche Entdeckung. Fast alle Londoner Passagiere fanden sich wenige Stunden später auf anderen Flügen der Billig-Airline wieder. Wenn sie Glück hatten, dann sogar in der Business Class. Sie waren in Kuala Lumpur nur umgestiegen.

Der Vorgang klingt banal, ist es aber nicht. Einst waren die Billig-Fluggesellschaften nämlich mit dem Vorsatz angetreten, alles möglichst einfach zu machen und die Kosten niedrig zu halten. Umsteigen, breite Sitze oder gar Langstrecken gehörten zu den Dingen, die die neuen Anbieter nach der reinen Lehre unter allen Umständen vermeiden sollten, um nicht wie ihre etablierten Konkurrenten in wirtschaftliche Schwierigkeiten zu geraten.

"Vergessen Sie einfach einmal die Standard-Meinungen", empfiehlt Osman Rani, der Air Asia X-Chef, beim World Low Cost Airline-Kongress in Barcelona. Denn in Wirklichkeit haben sich die Billig-Airlines längst von der reinen Lehre verabschiedet, die ihnen ihr Vorbild, die amerikanische Southwest Airlines, seit den siebziger Jahren vorgelebt hat und die Ryanair-Chef Michael O'Leary weiterhin lauthals predigt.

Mittlerweile gibt es fast nichts mehr, was es nicht gibt: Bei Ryanair müssen die Passagiere extra zahlen, wenn sie am Flughafen (und nicht im Internet) einchecken, doch viele andere Fluggesellschaften bieten ihren Kunden kostenlose Getränke, Freigepäck, Vielfliegerprogramme und Umsteigeverbindungen - auch wenn sie sich diese, wie bei Air Asia X, einfach selbst organisieren.

Kreatives Chaos

Das kreative Chaos bei den Geschäftsmodellen dürfte aus unterschiedlichen Gründen weitergehen. In Europa tun sich auch die Billig-Fluggesellschaften oft bereits schwer damit, neue Strecken zu finden, auf denen sie noch wachsen können. Deswegen versuchen sie, über Gebühren für zusätzliche Leistungen wie etwa einen Gangplatz mehr Umsatz zu schaffen.

Immer mehr lassen ihre Sitze trotz der vergleichsweise hohen Kosten auch von den traditionellen Computer-Reservierungssystemen wie Amadeus vertreiben. Ironie der Geschichte: Damit werden sie den alten Fluggesellschaften wie Lufthansa oder Air France-KLM, die zu schlagen sie angetreten waren, immer ähnlicher.

Zumal diese auch immer kreativer werden bei dem Versuch, zusätzliche Einnahmen zu bekommen. British Airways verlangt nun Extragebühren für die Gepäckaufgabe. Wer einen bequemeren Platz am Gang reservieren möchte, muss auch ordentlich dafür in die Tasche greifen. "Die Geschäftsmodelle werden sich auf Kurz- und Mittelstreckenflügen immer mehr angleichen", glaubt Alex Cruz, Chef der spanischen Billigfluggesellschaft Vueling.

Rebell Ryanair

Doch gerade der Erfindungsreichtum bei den Zusatzeinnahmen hat seine Grenzen, wie selbst seine größten Befürworter zugeben. Reservierte Sitzplätze, Gepäckaufgabe und Ähnliches dürfe insgesamt nicht mehr als 20 Prozent des reinen Ticketpreises ausmachen, sonst würden die Kunden meutern. Die Unternehmen fürchten aber nicht nur die Missgunst ihrer Kunden, wenn sie diese zu sehr schröpfen, sie wollen auch bei der Europäischen Kommission keine schlafenden Hunde wecken. Diese könne auf die Idee kommen, diese Zusatzeinnahmen regulieren zu wollen - nichts wollen die Airlines weniger und fordern deswegen eine freiwillige Selbstbeschränkung.

Wieder einmal hat Ryanair-Chef Michael O'Leary dabei den gesamten Rest des Sektors gegen sich aufgebracht, als er nämlich öffentlich diskutieren ließ, ob Dicke mehr als Schlanke zahlen müssten. Der Grund: Diese Passagiere bräuchten mehr Platz. "O'Leary bekommt für diesen Unfug viel zu viel Aufmerksamkeit", ärgert sich FlyBE-Verkaufschef Mike Rutter. "Für die Branche sind diese Sprüche aber gefährlich. Wir sollten diszipliniert sein."

Die Billigfluggesellschaften haben in der Wirtschaftskrise weniger gelitten als ihre alteingesessenen Rivalen wie Lufthansa, British Airways oder Air France-KLM. Ryanair meldete am Montag sogar, dass die Passagierzahlen im September um 17 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat gestiegen sind. Alle anderen Anbieter außer Easyjet und Ryanair haben allerdings in Europa in diesem Jahr bisher weniger Passagiere transportiert als im Vorjahr.

Neues Ziel: die Langstrecke

Zum Teil beruht dies auf freiwilligen Entscheidungen. Easyjet etwa hat das jährliche Wachstumsziel von 15 auf 7,5 Prozent nach unten korrigiert. Auch Lufthansa-Tochter Germanwings übt sich vorläufig in freiwilliger Selbstbeschränkung. "Wir setzen ganz klar auf Gewinnmarge", sagt Easyjet-Gründer Stelios Haji-Ioannou. Seiner Ansicht nach leidet der Sektor aber weiterhin unter starken Überkapazitäten.

Der Grund: "Die Branche zieht viel mehr Publicity und Kapital an, als sie verdient." Deswegen würden auch nur wenige schwache Anbieter wie XL Airways oder Sky Europe vom Markt verschwinden. An einen Konzentrationsprozess ähnlich dem, wie er bei den klassischen Fluggesellschaften stattgefunden hat, glauben viele aber trotzdem: "In ein paar Jahren wird es in Europa weniger, größere und stärkere Billig-Flieger geben", sagt Vueling-Chef Cruz voraus.

Selbst die Langstrecken, auf denen sich die Passagierflugkonzerne bislang von ihren Billig-Konkurrenten abgeschottet fühlten, sind vor ihnen nicht mehr sicher, wie das Beispiel Air Asia X zeigt. "Unser Einfluss wird dort bald genauso groß sein wie auf den Kurzstrecken", sagt Osman Rani voraus. "Mir kann niemand erzählen, dass es nicht viel effizienter geht als bislang üblich." Im Europaverkehr liegen die Kosten von Billig-Fluggesellschaften je nach Einzelfall zwischen 30 und 50 Prozent unter denen ihrer Konkurrenten.

Die versteckten Kostenfallen bei Ryanair, Germanwings und Co lesen Sie auf der nächsten Seite.

Not macht erfinderisch

Die versteckten Kostenfallen der Billigflieger

Von Jens Flottau

Eine Gebühr für die Benutzung der Bordtoilette: Dieser Vorschlag von Ryanair-Chef Michael O'Leary sorgte zuletzt für Aufregung. Und es macht vor allem klar: Billigfluggesellschaften bieten zwar in der Regel günstige Tickets, aber sie versuchen auch möglichst viele zusätzliche Einnahmen zu bekommen. Fast schon Standard geworden ist es, für aufgegebenes Gepäck zu zahlen. Bei Germanwings sind es etwa zwischen sechs und 20 Euro. Air Berlin befördert 20 Kilogramm kostenlos, dafür erhebt die Airline eine Buchungsgebühr von zehn Euro.

Die Fluggesellschaften sind erfinderisch: Bei vielen zahlt extra, wer als erster einsteigen oder einen Gangplatz haben will. Essen und Trinken, falls angeboten, ist ebenfalls meistens nicht mehr umsonst. Dazu kommt: Der Markt wird auch in Deutschland immer härter. Vor wenigen Jahren noch flogen fünf Airlines gegeneinander an: HLX, DBA, Germania Express, Air Berlin und Germanwings. Doch dann gab es viele Übernahmen. Inzwischen ist Air Berlin damit zum drittgrößten Anbieter in Europa geworden, nach Ryanair und Easyjet. Einziger deutscher Konkurrent ist die - deutlich kleinere - Lufthansa-Tochterfirma Germanwings mit Sitz am Flughafen Köln/Bonn.

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Quelle:
SZ vom 06.10.2009/tob
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