Bilfinger:Wieder eine Altlast weg

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Bilfinger ist inzwischen zum Industrie-Dienstleister geschrumpft. (Foto: oh)

Nach Anlaufschwierigkeiten beendet der Baukonzern die fünfjährige Ära unter einem US-Aufseher. Konzernchef Blades kritisiert indirekt die Vorgänger.

Von Stefan Mayr, Stuttgart

Nach fünf langen Jahren hat der Industrie-Dienstleister Bilfinger eine schwere Bürde abgelegt: Das Korruptions-Verfahren des US-Justizministeriums gegen den Konzern ist seit Sonntagmitternacht abgeschlossen. Der von der Behörde entsandte Überwacher Mark Livschitz bescheinigt dem Unternehmen endlich saubere Geschäftspraktiken und zieht sein Team aus der Bilfinger-Zentrale in Mannheim ab. Damit kann Vorstandschef Tom Blades einen Schlussstrich unter diverse Bestechungsfälle ziehen, die zwar vor seiner Zeit passierten, aber die Sanierung des Krisenkonzerns arg behinderten.

"Ich bin sehr froh und stolz", sagte Blades am Montag in einer Telefon-Pressekonferenz, "jetzt können wir weiter positiv nach vorn schauen." Indirekt ließ Blades Kritik an seinen Vorgängern durchblicken: "Wir sind heute ein ganz anderes Unternehmen als vor fünf Jahren", sagte er. "Der systematische Compliance-Verstoß, wie man das vielleicht von Bilfinger gekannt hat, ist Vergangenheit."

Auslöser des Verfahrens des US-Justizministeriums war ein Korruptionsfall in Nigeria: Um den Auftrag für ein Ölpipeline-Projekt zu erhalten, hatten Bilfinger-Manager im Jahr 2003 Regierungsvertreter geschmiert. Deshalb hatte die Justizbehörde ein Verfahren gegen Bilfinger und ein US-Unternehmen eingeleitet. Im Dezember 2013 zahlte Bilfinger in den USA 32 Millionen Dollar und verpflichtete sich dazu, ein Compliance-System aufzubauen, das eine rechtskonforme Unternehmensführung sicherstellt. Mit dieser Zusage verhinderte Bilfinger ein Strafurteil und ein drohendes Ende aller Geschäfts-Aktivitäten in den USA. Zur Abmachung gehörte auch, dass ein sogenannter externer "Monitor" die Firma überwacht und dem Justizministerium mitteilt, ob sie es mit ihren internen Aufräumarbeiten ernst nimmt oder nicht.

Ähnliche Prozesse haben die deutschen Konzerne Daimler und Siemens erfolgreich hinter sich gebracht. Bei Bilfinger in Mannheim hat das anfangs allerdings viel schlechter geklappt als in Stuttgart und München: Nach zwei Jahren teilte Aufseher Mark Livschitz im September 2016 den Behörden in Washington D.C. mit, die Korruptionsbekämpfung bei Bilfinger sei immer noch mangelhaft. Das Verfahren wurde verlängert, Bilfinger bekam noch eine weitere, letzte Chance.

Tom Blades, der erst Mitte 2016 den Vorstandsvorsitz übernommen hatte, verstand die Botschaft von Livschitz. Blades trieb den Wandel der Konzernkultur vom Wegschauen zum Ganz-genau-Hinschauen massiv voran - ganz im Gegensatz zu seinen Vorgängern Per Utnegaard und Roland Koch, wie Blades selbst andeutet: "Wirklich los ging es erst 2016", sagte der 62-Jährige, "das war eine Menge Arbeit." Jetzt sei sauberes Unternehmertum "ein wesentlicher Teil unserer DNA". Bilfinger habe mehr als 100 Millionen Euro in den Aufbau des Kontroll-Systems investiert, jeder Manager habe im Schnitt 30 Prozent seiner Zeit mit dem Thema verbracht. Das habe den US-Monitor überzeugt. Seit Montag ist die Zeit der Fremdüberwachung vorbei, die 36 000 Mitarbeiter können sich nun auf das Geschäft konzentrieren.

Dabei hat Blades noch jede Menge weiterer Altlasten abzubauen: Das einstige Flaggschiff der deutschen Bauindustrie hatte seine Bau- und Immobiliensparte verkauft und unzählige Firmen in aller Welt angeschafft. Blades entschlackt den Konzern und konzentriert sich auf Wartung und Reparatur von Industrie-Anlagen. Er machte aber nach wie vor Verlust.

Nebenher prüft der Aufsichtsrat, ob er von zwölf früheren Vorstandsmitgliedern Schadenersatz über 118 Millionen Euro einfordern soll. Einer von ihnen ist der ehemalige Bilfinger-Chef und hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Der Vorwurf: Die Manager hätten kein ordnungsgemäßes Antikorruptionssystem eingeführt. Koch weist das zurück und pocht auf ein Gutachten. Der Aufsichtsrat seinerseits hat zwei Gutachten erstellen lassen. Wie der Streit endet, ist offen.

Im Sommer machte auch die Kündigung einer ehemaligen Bilfinger-Mitarbeiterin Schlagzeilen. Unter der Überschrift "Die Frau, die zu viel wusste" berichtete der Spiegel über eine interne Ermittlerin, die Anfang 2017 auf einer Geschäftsreise in Abu Dhabi vergiftet worden sein soll, aber gerade noch überlebte. Im März 2017 wurde ihr gekündigt, und der Artikel legt nahe, der Konzern habe damit verhindern wollen, dass die Ermittlerin Korruptionsfälle aufdeckt. Bilfinger weist die Vorwürfe "entschieden" zurück und begründet die Kündigung damit, die Mitarbeiterin habe gegen Compliance-Richtlinien verstoßen.

Vor dem Arbeitsgericht bekam die Mitarbeiterin aber in erster Instanz recht. Bilfinger legte Rechtsmittel ein. Der Verhandlungstermin vor dem Landesarbeitsgericht Mannheim wurde kurzfristig abgesagt. Das Verfahren ist ausgesetzt. Die Streitparteien verhandeln nun außergerichtlich. Parallel ging Bilfinger auch gegen die Berichterstattung des Spiegel vor. Blades: "Wir haben vor dem Landgericht Hamburg obsiegt." Allerdings nicht endgültig. Der Spiegel hält die einstweilige Verfügung des Gerichts für falsch und hat ein Hauptsacheverfahren beantragt.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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