Bilfinger:"Viel zu kompliziert"

Bilfinger

Seit wenigen Monaten ist er Krisenmanager von Bilfinger: Per Utnegaard. Zuvor hatte unter anderem der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch den Konzern geleitet.

(Foto: Uwe Anspach/dpa)

Der neue Chef Per Utnegaard präsentiert bei Bilfinger erstmals Halbjahreszahlen. Sie sind schlecht. Im Herbst will er eine Strategie für das Unternehmen vorlegen.

Von Karl-Heinz Büschemann

Er hat schnell gemerkt, dass er eine schwierige Aufgabe übernommen hat. Per Utnegaard, der neue Vorstandsvorsitzende des Bau- und Industriedienstleisters Bilfinger sagt es selbst: "Ich habe in schwierigen Zeiten angefangen." Am Mittwoch hat sich der 55-jährige Norweger, der seit dem 1. Juni Vorstandschef in dem ehemaligen Baukonzern ist, zum ersten Mal öffentlich geäußert. Er hat die Zahlen für das erste Halbjahr bekannt gegeben. Und sie sind schlecht.

Gerade deshalb hoffen Mitarbeiter und Aktionäre, dass Utnegaard die Wende in dem Unternehmen schafft, dessen Geschichte bis 1880 zurückverfolgt werden kann. Dem neuen Mann ist klar, dass das Ansehen des Traditionskonzerns bei Aktionären, bei Kunden und Mitarbeitern erheblich gelitten hat. "Das Vertrauen in Bilfinger ist auf einen Tiefpunkt gesunken", sagt er selbst bei der Präsentation der Zahlen. Allein in den zurückliegenden drei Jahren ist der Aktienkurs des Dienstleisters um 45 Prozent zusammengefallen.

Im ersten Halbjahr 2015 hat Bilfinger einen Verlust von 439 Millionen Euro gemacht, nach immerhin noch 55 Millionen Euro Gewinn vor einem Jahr. Der Grund dafür liegt im Wesentlichen in der Krise des wichtigen Geschäfts mit der Ausrüstung von Kraftwerken. Der Bereich soll verkauft werden, weil die deutsche Energiewende das Geschäft mit konventionellen Kraftwerken zum Erliegen gebracht hat. Doch erst einmal muss der Konzern 330 Millionen Euro auf dieses Geschäft abschreiben. Zusätzliche Umbaumaßnahmen verursachen Kosten von 100 Millionen Euro. Das färbt die gesamte Bilanz rot. Auch der Bereich "Industrial", ebenfalls ein Kerngeschäft, läuft nur schleppend. Das Betriebsergebnis ging um 36 Prozent zurück.

Im Herbst will der neue Chef dann seine Strategie für das Unternehmen vorlegen

Der Umsatz von Bilfinger war im ersten Halbjahr um sechs Prozent auf 3,1 Milliarden Euro gestiegen. Der Auftragseingang konnte sogar um 32 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro zulegen. Das Betriebsergebnis vor Steuern und Abschreibungen lag im ersten Halbjahr bei 91 Milliarden Euro. Doch Utnegaard kann für das gesamte Jahr keine Besserung voraussagen. Er erwartet "ein deutlich negatives Konzernergebnis".

"Im ersten Halbjahr 2015 sind wir erwartungsgemäß hinter unseren Möglichkeiten zurückgeblieben", räumt der neue Vorstandschef ein. Sein wichtigstes Ziel sei es jetzt, das Unternehmen "wieder auf Erfolgskurs zu bringen". Wie er das machen will, verrät er bisher nicht, er sagt auch nicht, wie viele Arbeitsplätze die Sanierung kosten wird. Heute hat Bilfinger weltweit 57 000 Beschäftigte.

Ein Urteil hat er aber schon gefällt: Das Unternehmen sei "viel zu kompliziert", sagt er. Man müsse die Abläufe vereinfachen. Deshalb ist er gerade dabei, sämtliche Ecken und Winkel des Konzerns auszuleuchten. Er schaue sich alle 600 rechtlich selbständigen Einheiten bei Bilfinger an, deren Umsätze von 200 000 Euro bis zu einer Milliarde reichten. Erst wenn er alles durchforstet habe, wolle er bekanntgeben, was er mit Bilfinger vorhat, was er verkaufen oder behalten möchte. "Noch gibt es keine Entscheidungen über weitere Verkäufe", sagt er. Jetzt gehe es darum, das Kerngeschäft des Unternehmens zu definieren. Am 15. Oktober will Utnegaard seine Strategie erläutern.

Das Kernkraftwerksgeschäft ist ein Totalausfall. Dafür sucht der Konzern nun einen Käufer

Der Absturz von Bilfinger war atemberaubend. Es gab vor einigen Jahren einen spektakulären Strategiewechsel, als sich der Konzern fast ganz vom traditionellen Baugeschäft zurückgezogen hatte, um im Wesentlichen Service und Dienstleistungen für Immobilien und Industrieunternehmen zu erbringen. Doch die Strategie ging nicht auf. Genau diese Bereiche leiden heute unter schwachen Margen. Das Geschäft mit der Ausrüstung von Kraftwerken ist sogar ein Totalausfall. Binnen eines Jahres musste Bilfinger sechs Mal die Gewinnprognosen nach unten korrigieren. Das ist ein Zeichen von schlechter Führung und zerstört Vertrauen. Deshalb gab es zuletzt häufige Wechsel im Vorstand.

Besonders auffällig in der Bilfinger-Geschichte war das Scheitern des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch an der Konzernspitz. Der CDU-Politiker musste Anfang August 2014 nach nur drei Jahren in der Firmenspitze wieder gehen. Er hat den Konzern nie in den Griff bekommen. Sein Vorgänger Herbert Bodner wurde im Rentenalter sein vorübergehender Nachfolger. Auch ist ein Zeichen von schlechter Unternehmensführung.

Utnegaard hat kurz nach seinem Start zwei Dinge beschlossen. Er hat den Vorstand von fünf auf drei Personen reduziert, und er hat die Trennung vom Kraftwerksgeschäft beschlossen. Doch der Verkauf kann sich noch hinziehen, wie sich jetzt zeigt. Der Prozess hat noch nicht einmal begonnen. Er wird nach Aussagen des Vorstandes wahrscheinlich erst weit im kommenden Jahr besiegelt sein. Dann wird Bilfinger ein Unternehmen sein, das um etwa eine Milliarde Euro Umsatz oder 20 Prozent vom Umsatz kleiner ist. Was dann kommen wird, verrät Utnegaard nicht, auch nicht, wann er wieder in der Gewinnzone sein will oder wann es wieder Dividende gibt. Er sagt nur eines : "Es gibt viel zu tun".

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