Süddeutsche Zeitung

Bierbranche:Abzapfen und abkassieren

Wie ein mächtiger Bierkonzern seinen Profit auf Kosten armer afrikanischer Länder maximiert - mit ganz legalen Steuertricks. Für Menschenrechtler ist das ein Skandal.

Silvia Liebrich

Für große internationale Bierkonzerne wie SAB Miller bedeutet Afrika vor allem eines: ein Milliardengeschäft. Die Branchenriesen beherrschen die Märkte des schwarzen Kontinents mittlerweile bis in den letzten Winkel. Die Versorgung der Konsumenten ist bestens organisiert, Bierlaster schaffen es selbst in den schwer zugänglichen zentralafrikanischen Dschungel. Beinahe unbemerkt kauften große Brauereigruppen in den vergangenen Jahrzehnten viele lokale Produzenten auf, so dass sich inzwischen nahezu alle afrikanischen Marken fest in der Hand multinationaler Großkonzerne befinden.

Doch von den hohen Gewinnen, die die Hersteller dort erwirtschaften, bleibt in den Ländern selbst offenbar wenig hängen. Dies geht aus einer Studie der britischen Hilfsorganisation Action Aid hervor, die in dieser Woche veröffentlicht wurde. In der Untersuchung wird exemplarisch das komplizierte Firmengeflecht des britisch-südafrikanischen Konzerns SAB Miller durchleuchtet. Laut Action Aid zeigt sie, wie der Bierbrauer seinen Profit auf Kosten einiger der ärmsten Länder dieser Erde maximiert - und das auf ganz legalem Weg.

SAB Miller, zweitgrößter Bierkonzern der Welt nach Anheuser Busch Inbev, umgeht dafür Steuerzahlungen in den jeweiligen Ländern. "Das Unternehmen und seine Tochtergesellschaften schöpfen Geld in afrikanischen Ländern ab und leiten es in Steueroasen nach Europa um, wo die Abgaben deutlich niedriger sind", sagt Martin Hearson, Steuerspezialist bei Action Aid und Co-Autor der Studie.

Die Organisation geht davon aus, dass den betroffenen Regierungen in den Ländern Ghana, Moçambique, Südafrika, Tansania und Sambia durch die Steuerkniffe von SAB Miller 20 Millionen Pfund - etwa 23 Millionen Euro - pro Jahr entgehen. Steuereinnahmen, die dort dringend benötigt werden, um beispielsweise Schulen, Krankenhäuser oder Straßen zu bauen. Hearson wirft dem Konzern vor, er verschleiere seine Steuerstrategie, um faire Abgaben in Entwicklungsländern zu vermeiden.

SAB Miller weist die Vorwürfe auf seiner Firmen-Homepage zurück. Die Gruppe betreibe keine "aggressive Steuerplanung", heißt es dort. Der Report von Action Aid enthalte Fehler und gehe von falschen Annahmen aus. Seine gesamten Steuerzahlungen beziffert der Konzern für das zurückliegende Geschäftsjahr auf umgerechnet fünf Milliarden Euro. Davon seien 77 Prozent in Entwicklungsländern entrichtet worden. Der Gesamtumsatz der Gruppe betrug knapp 20 Milliarden Euro.

Hearson widerspricht der Darstellung des Bierkonzerns und nennt das Bespiel Ghana, wo die SAB-Tochter Accra Brewery ihren Sitz hat, Jahresumsatz 29 Millionen Pfund (34 Millionen Euro). Obwohl der Bierabsatz wachse, habe die Gesellschaft in den vergangenen zwei Jahren nur Verluste verzeichnet. In vier Jahren zahlte die Firma demnach nur ein einziges Mal Unternehmenssteuer. "Das wirklich Schockierende ist, dass die Frau, die vor den Toren der SAB-Brauerei Bier verkauft, im letzten Jahr mehr Steuern in Ghana gezahlt hat, als ein Multi-Millionen-Konzern", meint der Experte von Action Aid. Unterstützt wurde Hearson bei seinen Recherchen den Angaben zufolge von einem früheren britischen Steuerfahnder.

Der Bericht benennt unter anderem vier Steuertricks, mit denen der Bierkonzern Abgaben in Entwicklungsländern umgehen kann:

Trick Nummer 1: Die Rechte an afrikanischen Biermarken werden in den Niederlanden von der dort ansässigen SAB Miller International BV gehalten, eine der zahlreichen Tochterfirmen des Konzerns, der seinen Hauptsitz in London hat. Sie besitzt Marken wie Castle, Stone, Chibuku und andere. Für die Nutzung der Rechte müssen die Gesellschaften in Afrika Geld in die Niederlande überweisen. Action Aid schätzt diesen Gesamtbetrag auf mehr als 50 Millionen Euro pro Jahr. Der Konzern profitiert, weil die Einnahme aus Markenlizenzen in Holland grundsätzlich nur sehr niedrig besteuert werden.

Trick Nummer 2: Die afrikanischen Töchter müssen extrem hohe Managementgebühren an konzerneigene Beratungsfirmen zahlen, die in der Schweiz angemeldet sind. Im Fall der Tochter in Ghana macht diese Gebühr den Angaben zufolge knapp fünf Prozent des Jahresumsatzes aus, so dass unter dem Strich allein dadurch kaum noch ein Gewinn bleibt. Nach Angaben von Action Aid fließen so mindestens 55 Millionen Euro aus Afrika nach Europa.

Trick Nummer 3: Einen Großteil ihrer Rohstoffe bezieht die Brauerei in Ghana aus Südafrika. Allerdings nicht auf direktem Weg, sondern über eine Transportgesellschaft in Mauritius. Von diesem Umweg profitiert laut Hearson nur die SAB-Firma auf der 14 000 Kilometer entfernten Insel im Indischen Ozean, durch Steuervorteile, die dort gewährt werden. Für die Brauerei in Ghana bedeute dies schätzungsweise 800 000 Euro an zusätzlichen Ausgaben.

Trick Nummer 4: Die Tochtergesellschaft in Ghana wurde von SAB Miller mit extrem hohen Schulden belastet, die den Angaben zufolge sieben Mal so hoch sind wie ihr Grundkapital. Kreditgeber ist die bereits genannte Firma in Mauritius. Auch dies reduziert die Steuerlast der Brauerei in Ghana.

SAB Miller beruft sich darauf, dass all diese Transaktion legal und mit den nationalen Steuerbehörden abgesprochen seien. Hearson will sich damit nicht zufrieden geben: "Dass diese Praktiken normal und legal sind, das ist der Skandal", sagt er und fordert unter anderem von SAB Miller die Offenlegung der Steuerabgaben in den einzelnen Ländern.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), in der sich die reichen Industrieländer zusammengeschlossen haben, geht davon aus, dass solche legalen Finanztransaktionen systematisch betrieben werden, nicht nur vom Bierkonzern SAB Miller, sondern auch von anderen internationalen Konzernen. Diese sind häufig nur dann bereit, in Entwicklungsländern zu investieren, wenn ihnen die Regierungen dort großzügige Steuervorteile einräumen. Der Betrag, den die armen Länder dadurch an Einnahmen verlieren, liegt laut OECD um ein Vielfaches über dem, was sie an Entwicklungshilfe bekommen.

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SZ vom 04.12.2010/aum
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