Bier:Die Brauereien spielen das Spiel mit, sagen Einzelhändler

Brauereien haben nur einen begrenzten Einfluss auf die Preise an der Kasse. Die bestimmt der Handel. Supermärkte dürfen Ware zwar nicht unterhalb des Einkaufspreises anbieten, aber sie können auf Marge verzichten, wenn sie Bier billig verkaufen wollen. Genau das werfen ihnen viele Brauereien vor. "Der Handel benutzt Premiumbier als Lockmittel", sagt Axel Dahm. Der Chef der Bitburger-Gruppe hat sich zuletzt weit vorgewagt, um die Ehre der deutschen Brauer zu verteidigen. Er beendete nicht nur das teure Sponsoring des Deutschen Fußballbunds (DFB). Dahm kündigte auch kräftige Preiserhöhungen an. So will er verhindern, dass sein Bier verramscht wird. Dass das bislang so ist, erklärt er so: "Es gibt nur ein Produkt, mit dem der Handel Männer in den Supermarkt locken kann. Und das ist Bier."

Supermärkte verkaufen oft Hunderte Produkte gleichzeitig im Sonderangebot. Wer eine günstige Schokolade kauft, spart Centbeträge. Bei einer Kiste Bier können es vier oder fünf Euro sein. Ein Bier im Sonderangebot wird so zum Argument, einen bestimmten Supermarkt anzusteuern, gerade für die preissensiblen deutschen Kunden. Ist das also der Grund für die vielen Angebote?

Kaum ein Einzelhändler äußert sich dazu. Nur der Discounter Kaufland reagiert mit einer kurzen Stellungnahme. Das Unternehmen wehrt sich gegen den Vorwurf, dass allein der Einzelhandel schuld sein soll an den niedrigen Preisen: Die Brauereien hätten selbst "ein verstärktes Interesse an Preisaktionen, die sie gemeinsam mit dem Handel durchführen". Auch ein Vertreter eines großen Getränkehändlers erzählt, dass die Brauereien das Spiel oft genug mitspielen. Die Brauereien stecken in einem Dilemma: Wer damit startet, dem Handel höhere Preise abzuverlangen, kann verhindern, dass sein Bier verschleudert wird. Doch solange die Konkurrenz nicht mitzieht, riskiert man, noch mehr Kunden zu verlieren. Einige Brauereien haben bereits versucht, Preise gemeinsam anzuheben. Für die verbotenen Absprachen zahlten sie hohe Kartellstrafen.

Wie sich Bier zu höheren Preisen verkaufen lässt, zeigen die regionalen Brauereien. Sie setzen weniger Hektoliter ab, dafür stehen ihre Biere meist zum vollen Preis im Regal. Der Trend zu regionalen Produkten hilft. Es ist wie beim Essen: Die Kunden sind bereit, mehr zu zahlen, wenn die Marke ein besonderes Gefühl transportiert. Das hat Biere wie Tegernseer Hell oder Rothaus Tannenzäpfle aus dem Schwarzwald bis in die Kioske von Berliner Hipster-Vierteln gebracht. Die Fernsehbiere stehen daneben als verwechselbare Giganten, über die der Kunde sagt: alles dasselbe.

Die Brauerei Warsteiner steht sinnbildlich für den Aufstieg der deutschen Großbrauereien - und die Probleme, mit denen viele von ihnen heute kämpfen. Seit dem 18. Jahrhundert brauten die Sauerländer Bier, lange nur in kleinen Mengen. Erst Albert Cramer, Brauereierbe in achter Generation, machte Warsteiner zu einem Biergiganten. Mitte der Achtziger übernahm er von seinem Vater die Führung des Unternehmens. Cramer war ein Pionier mit einem Faible für Marketing. Auf Reisen in die USA lernte er, welche Mengen Brauereien verkaufen können, wenn sie ihr Produkt offensiv vermarkten.

Als einer der ersten Brauer schaltete Cramer überregionale Fernsehwerbung. Die Warsteiner-Brauerei wurde aber auch so groß, weil sie dem Bier ein neues Image verpasste. Warsteiner sollte nicht nur das Arbeitergetränk für die Kneipe sein, sondern auch der schicke Begleiter auf Feiern. "Tischfein", wie es bei den Sauerländern hieß. Cramer senkte den Anteil des bitteren Hopfens, damit das Bier auch bei Frauen ankommt. Ein Designer gestaltete eigene Warsteiner-Kelche mit opulenten Goldrändern. Gläser, die für "Stößchen" standen, und nicht so sehr für "Prost". Mit neuem Image und viel Werbung machte Cramer Warsteiner zum meistverkauften Bier der Nation. Und die Jagd nach mehr Hektolitern ging weiter, die Brauerei pumpte ihr Bier ins ganze Land. Warsteiner gab es bald in fast jedem Supermarkt, jeder Tankstelle, jedem Kiosk.

"Diese Rechnung geht bald nicht mehr auf", sagt der Chef von Warsteiner

Diese Zeiten sind vorbei. Von den etwa sechs Millionen Hektolitern, die das Unternehmen zu Spitzenzeiten jährlich verkauft haben soll, sind 2,3 Millionen übrig. Beim Absatz landet Warsteiner deutlich hinter Konkurrenten wie Krombacher oder Bitburger. Die "Königin unter den Bieren" trifft wohl nicht mehr den Zeitgeist. Auffällig oft landet sie im Sonderangebot.

Der ehemalige Red-Bull-Manager Martin Hötzel soll Warsteiner nun wieder erfolgreich machen. Brauerei-Erbin Catharina Cramer hat ihm vor zwei Jahren die operative Führung des Unternehmens übertragen. Hötzel weiß, wie problematisch die niedrigen Preise für die Branche sind. "Diese Rechnung geht bald nicht mehr auf", sagt er. Sein Unternehmen sieht er aber auf dem richtigen Weg. Er habe den Anteil der Sonderangebote schon deutlich senken können, sagt Hötzel, auch wenn die Supermarkt-Prospekte einen anderen Eindruck vermitteln. "Wir verzichten zunehmend auf unrentable Geschäfte und nehmen dafür auch Absatzverluste in Kauf", sagt er. Mittelfristig wolle man wieder höhere Preise erreichen. Hötzel weiß, dass ein "Weiter so" nicht funktionieren wird.

Einen Schritt weiter ist schon sein Konkurrent aus Bitburg. "Wir werden den Preis für die Kiste von nun an regelmäßig erhöhen", kündigte Bitburger-Chef Axel Dahm kürzlich an. "Die Verramschung unseres Produkts ist nicht akzeptabel." Der Brauerei-Manager, danach sieht derzeit alles aus, will mit Bitburger den Alleingang wagen. Dahm geht damit ein hohes Risiko ein. Doch vielleicht bleibt Deutschlands Fernsehbier-Brauern gar nichts anderes übrig.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: