Bienensterben:Die Regierung muss die Umwelt mutiger schützen

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Probleme wie das Bienensterben gehen die EU-Staaten zu langsam an. Statt endlos um einheitliche Lösungen zu ringen, sollten Länder wie Deutschland vorangehen.

Kommentar von Janis Beenen

Wenn es um Umweltschutz in der Landwirtschaft geht, lassen sich die Politiker der Europäischen Union Zeit - viel Zeit. Gutachten werden abgewartet, Entscheidungen vertagt, Übergangsregeln gebastelt. Per se ist eine besonnene Meinungsbildung eine gute Sache. Doch es gibt Probleme, die so existenziell sind, dass man schnell handeln muss.

Das Bienensterben ist so ein existenzielles Problem. Wer den Tod der Insekten als Thema für Ökos verlacht, liegt falsch. Ein wirtschaftliches Desaster droht. Die Bienen bestäuben 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzpflanzen, damit leisten sie weltweit einen volkswirtschaftlichen Beitrag von etwa 200 Milliarden Euro. Dafür gibt es keinen Ersatz. Über Jahre stellten immer mehr Forscher fest, dass auch Pflanzenschutzmittel aus der Gruppe der Neonicotinoide, kurz Neonics, zum Massensterben beitragen. Daran gibt es kaum Zweifel. Zumindest keine, die rechtfertigen, dass es die EU-Politiker mit einem Totalverbot im Freiland für die Gifte nicht eilig haben. Mehrere kleinere Staaten lehnen entsprechende Vorschläge der EU-Kommission ab. Etliche weitere wollten sich lange nicht festlegen, lieber auf die finale Fassung eines Gutachtens der zuständigen EU-Behörde warten. Ein Gutachten, von dem Wissenschaftler sagen, dass es keine neuen Erkenntnisse bringt.

Bei Umweltfragen ist das Kollektiv der Staaten entscheidungsschwach. Das gilt nicht nur für Neonics. Davor zog sich die Debatte über die Neuzulassung des Pflanzenschutzmittels Glyphosat in die Länge. Für ähnliche Fälle in der Zukunft ist keine Besserung in Sicht. Diese Kultur des ewigen Abwartens schadet der Natur und geht in jedem Fall zulasten der Verbraucher. Bei ihnen hinterlässt das Zaudern nur Ratlosigkeit. Auch Deutschland verzögert Entscheidungen. Bei den Neonics forderte die Regierung lange zum Abwarten auf und hat sich erst jetzt dazu durchgerungen, ein Verbot zu unterstützen. Beim Glyphosat konnten Landwirtschafts- und Umweltministerium keine gemeinsame Linie finden. Damit kam es auch zu keinem Konflikt zwischen Berlin und hiesigen Konzernen wie Bayer, schließlich schaden Pestizid-Verbote deren Geschäft.

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Klar ist es schwierig, dass 28 EU-Staaten einen gemeinsamen Weg finden. Ein Europa der zwei Geschwindigkeiten kann in Fragen der Landwirtschafts- und Umweltpolitik Abhilfe schaffen. Eine Gruppe von Staaten muss vorangehen: Diejenigen, die sich einig sind, dass ein Pestizid mehr Schaden als Nutzen bringt, tun sich zusammen und stimmen sich ab. Damit steigt der Druck auf die anderen, Position zu beziehen.

Dass sich mutiger Naturschutz lohnt, hat die Bundesrepublik schon bewiesen. Bei der Energiewende hat sich die Regierung zum Aufbruch entschieden - ohne europäische Initiative und zulasten der großen Energieversorger. Trotzdem: Klimaziele werden verpasst, einige Risiken des Wandels tragen die Steuerzahler und nicht die Konzerne. Dennoch folgten viele Staaten. Frankreich, China oder die Schweiz stellen ihre Energieversorgung neu auf. Andere Länder können aus den deutschen Erfahrungen lernen.

Deutschland kann mehr, als bloß Mitläufer sein

Bei den Neonics ist Frankreich vorangegangen, Paris brachte auf nationaler Ebene ein Freilandverbot auf den Weg. Hätten sich nun alle EU-Staaten, die für eine Ablehnung sind - bis Dezember waren es immerhin elf -, zusammengetan, wären die Zögernden sicher in Erklärungsnot geraten. Zudem können die Staaten bei zwei Geschwindigkeiten individuell entscheiden, was für ihr Land am besten ist. Die einen trauen ihrer Industrie schneller eine Neuerung zu, andere später oder gar nicht. Wirtschaftlich gut aufgestellte Länder müssen ihrer Industrie und ihren Landwirten mehr Umweltschutz zumuten. Die Branchen sind stark genug, um unter Veränderungen nicht zusammenzubrechen - auch, wenn Branchenvertreter davor gerne warnen. Und die langfristige Stabilität des Öko-Systems ist auch im Interesse der Unternehmen.

Nun haben Kritiker der unterschiedlichen Geschwindigkeiten auch Angst vor einer Schwächung der EU als Einheit. Doch bei Umweltproblemen ist es wichtig, dass einige Länder beginnen, sie anzugehen. Beim Bienensterben kann Deutschland nun beweisen, dass es mehr kann, als bloß Mitläufer zu sein. Die neuen Chefinnen in Umwelt- und Landwirtschaftsministerium haben nun betont, wie wichtig der Kampf für die Bienen ist. Ein "Ja" für ein Neonics-Verbot reicht dabei nicht aus. Auch Monokulturen auf den Äckern und die Überdüngung belasten die Bienen-populationen. Da lohnt es doch, eine Initiative mehrerer EU-Staaten anzuschieben. Oder zur Not allein zu starten.

© SZ vom 16.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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