Süddeutsche Zeitung

Reform der US-Wirtschaft:Biden will mit mehr Regeln mehr Wettbewerb schaffen

Er sei ein "stolzer Kapiltalist", sagte der US-Präsident. Wenn aber fehlende Regulierung zu Monopolen führe, dann sei er gegenüber den US-Bürgern in der "Pflicht zu handen". Die Ära der Deregulierung sei ein "fehlgeschlagenes Experiment".

US-Präsident Joe Biden will den Wettbewerb in der amerikanischen Wirtschaft fördern und der Übermacht von Großkonzernen in bestimmten Branchen Einhalt gebieten. "Ich bin ein stolzer Kapitalist", sagte Biden am Freitag. "Aber lassen Sie mich ganz klar sagen: Kapitalismus ohne Wettbewerb ist kein Kapitalismus, sondern Ausbeutung." Das System müsse für die Menschen arbeiten, nicht andersherum. Biden unterzeichnete eine entsprechende Verfügung, die ein Vielzahl von Ideen zusammenfasst, wie Marktregulierung neuen Wettbewerb entfachen kann.

Insgesamt geht es um 72 Einzelmaßnahmen, die den Wettbewerb stärken sollen. Sie betreffen etwa die Landwirtschafts-, Luftfahrts-, Gesundheits-, Internet- oder Bankenbranche. Seine Regierung soll etwas dran arbeiten, dass vorzeitige Kündigungen von Internetverträgen keine zu überhöhten Gebühren nach sich zuiehen können. Oder dass Mieter aufgrund von Exklusivverträgen nicht mehr nur eine einzige Option für einen Internetvertrag haben. Bei der Reparatur von Geräten soll der Hersteller Selbst- oder Fremdreparaturen nicht per se verbieten können. Die Preise für Medikamente sollen gesenkt werden. Landwirte sollen zudem leichter klagen können, wenn sie von Schlachtbetrieben zu wenig Geld für ihre Tiere erhalten.

Die Verfügung wird wohl zunächst keine direkten Konsequenzen haben. Sie ist eher als Arbeitsauftrag an die Regierung zu verstehen, Regelungsvorschläge für die genannten Probleme zu erarbeiten. Dennoch könnte die Verfügung der Beginn eines Paradigmenwechsels in der US-Wirtschaftspolitik sein, in der Deregulierung bisher als Mittel der Wahl galt.

"Das Herz des amerikanischen Kapitalismus ist eine einfache Idee: offener und fairer Wettbewerb", sagte Biden weiter. Mit den Vorhaben werde er ein 40-jähriges, schief gelaufenes "Experiment" beenden, welches US-Firmen erlaubte, wegen mangelnder Regulierung monopolitische Strukturen zu schaffen und so der amerikanischen Bevölkerung zu schaden. Vor 40 Jahren kam der damalige US-Präsident Ronald Reagan an die Macht, der weitreichende Liberalisierungen in Wirtschaftsfragen anstieß. Die Menschen seien aufgrund des fehlgeschlagenen Experiments heute gezwungen, schlechte Bedingungen bei Waren und Dienstleistungen zu akzeptieren, die sie zum Leben bräuchten, sagte Biden.

Bidens "Pflicht zu handeln"

Insgesamt würden höhere Preise und niedrigere Löhne, die durch mangelnden Wettbewerb verursacht werden, einen US-Durchschnittshaushalt schätzungsweise 5000 US-Dollar (gut 4213 Euro) pro Jahr kosten, so das Weiße Haus. In zahlreichen Branchen kontrolliere eine kleine Anzahl von großen Unternehmen einen maßgeblichen Teil des Geschäfts. Dieser Mangel an Wettbewerb treibe die Preise für die Verbraucher in die Höhe und drücke die Löhne.

Während die Börsen gelassen auf die Nachricht reagierten, kritisierten große Wirtschaftsverbände die Ankündigung des Präsidenten als einen Eingriff in den freien Markt und Lösungen für Probleme, nach denen man suche. Bidens Pressesprecherin Jen Psaki sagte, dass Rechtsstreitigkeiten über diese Fragen in Zukunft möglich seien. Jedoch sei Biden der Meinung, er müsse sich auf das fokussieren, was im Interesse der amerikanischen Verbraucher liege. Und wenn mangelnder Wettbewerb die Preise in die Höhe treibe und Arbeitern schade, habe er eine "Pflicht zu handeln".

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5347886
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/dpa/Bloomberg/jael/kler
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.