Biblis: RWE probt den Aufstand:Kaum je wieder am Netz

RWE sucht die Konfrontation: Der Energiekonzern klagt gegen die Stilllegung seines ältesten Reaktors. Die Bundesregierung schmiedet allerdings schon Zeitpläne für sein Ende - und das dürfte schnell kommen.

Michael Bauchmüller, Berlin

Um keinen deutschen Reaktor wurde so gestritten wie um diesen: BiblisA. Mehrmals versuchten sich rot-grüne Landesregierungen an der Abschaltung des hessischen Meilers, doch entweder wurden sie vom Bundesumweltministerium ausgebremst, oder sie wanderten in die Opposition, noch ehe sie ihre Verfügungen abschicken konnten.

File photo of the nuclear power plant in Biblis

Von dem Slogan (VoRWEg gehen) des RWE-Konzerns ist auf dieser Aufnahme des Kernkraftwerkes in Biblis nur der zweite Teil (Weg gehen) zu erkennen. Die sieben ältesten Reaktoren Deutschlands sind mittlerweile abgeschaltet - das will die Bundesregierung nicht mehr ändern.

(Foto: REUTERS)

Diesmal liegen die Dinge anders. Die Verfügung kommt diesmal direkt von der Bundesregierung, sie wurde vorvergangene Woche über das hessische Umweltministerium dem Biblis-Betreiber RWE zugestellt. Seither ist Biblis A vom Netz, für drei Monate.

Wegen "Vorliegen eines Gefahrenverdachts", wie es in der Begründung heißt. Grundlage dafür ist ein Paragraf des Atomgesetzes, der für solche Fälle eine vorübergehende Stilllegung zulässt. Viele Juristen halten die Argumentation für wacklig, offensichtlich auch die Juristen von RWE: Am Freitag reichte der Essener Konzern Klage beim Verwaltungsgerichtshof in Kassel ein. "Die deutschen Kernkraftwerke erfüllen die geltenden Sicherheitsanforderungen", schrieb das Unternehmen zur Begründung. "Für eine Betriebseinstellung fehlt daher die rechtliche Maßgabe."

Regierungssprecher Steffen Seibert reagierte am Freitag demonstrativ gelassen. "Die Bundesregierung hat das zur Kenntnis genommen", sagte er. Wozu auch aufregen - wo doch der "Zeitplan Beschleunigung Energiewende" schon in der Schublade liegt? Bis Anfang Juni sollen nach und nach alle Entscheidungen gefallen sein. Bis ungefähr zum 16. Mai soll die Reaktorsicherheitskommission ihren Abschlussbericht über die Anfälligkeit deutscher Reaktoren vorlegen, bis zum 27. Mai soll die Ethikkommission sich eine Meinung gebildet haben, ein Gremium aus Umweltexperten, Wissenschaftlern und Vertretern der Kirchen.

Danach soll alles ganz schnell gehen. Abhängig von den Ergebnissen der Reaktorprüfung und der Ethikkommission folge dann "ggf. Stilllegung von alten KKW durch aufsichtliche Verfügung im Konsens Bund/Länder", heißt es in dem Papier, "oder durch Gesetz". Schließlich sei fraglich, ob die geänderte Risikobewertung alleine für eine solche Verfügung ausreicht - andernfalls müsste ein Gesetz her, vom Kabinett zu beschließen noch Anfang Juni. Denn: "Ein Gesetz zur Stilllegung, das bis Ende des Moratoriums in Kraft tritt, setzt Kabinettsbefassung am 7.6. voraus." So steht es in dem internen Fahrplan, er liegt der Süddeutschen Zeitung vor.

Es droht ein Imageschaden

Nicht einmal bei RWE gibt es noch große Hoffnungen, Biblis A ein weiteres Mal über die Zeit retten zu können, ebensowenig den zwei Jahre jüngeren Nachbarblock B. Die Klage habe allein "der Wahrung der Interessen unserer Aktionäre" gedient, heißt es nun.

Faktisch könnte das Unternehmen damit auch Anspruch auf Schadensersatz begründen. Grob gerechnet eine Million Euro wirft Biblis A sonst pro Tag ab. Diese Mittel entgehen RWE nun durch das Moratorium. Theoretisch könnte der Konzern Biblis A sogar wieder hochfahren, durch die Klage wäre der Vollzug der behördlichen Weisung aufgehoben. Damit allerdings wäre die Provokation auf die Spitze getrieben. Ohnehin droht ein Imageschaden.

Wohl auch deshalb verzichtet Konkurrent Eon, der mit Isar 1 und Unterweser ebenfalls zwei AKW vom Netz nehmen musste, auf eine Klage. "Wir wollen uns an der Debatte mit Argumenten beteiligen und nicht mir juristischen Auseinandersetzungen", sagte ein Eon-Sprecher. Ein Gespräch über die Zukunft der Altmeiler Brunsbüttel und Krümmel, das Eon und Vattenfall am Freitag ursprünglich mit Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) führen wollten, wurde verschoben.

Derweil mehren sich die Hinweise, dass auch in der Koalition über das Ergebnis des Moratoriums schon jetzt weitgehend Einigkeit herrscht. Demnach dürften die sieben ältesten Kernkraftwerke sowie Krümmel kaum je wieder ans Netz gehen. Die Expertise der Kommissionen wäre damit nur noch eine Formsache, um der Entscheidung den Anschein gründlicher Prüfung zu geben.

Noch hoffen auch die Unternehmen, am Dialog über die Kernkraft teilnehmen zu können. Im Fahrplan der Bundesregierung aber kommen sie nur am Rande vor: Die Verträge vom vorigen Herbst müssen noch an die neuen Gegebenheiten angepasst werden - "abhängig von Stilllegungen", heißt es.

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