BGH-Urteil:Nachbarn können Vermietung an Touristen nicht verhindern

Ferienwohnung in Berlin

Darf die Gemeinschaft, genervt vom ständigen Wechsel in der Nachbarschaft, dem Miteigentümer per Mehrheitsbeschluss die Ferienvermietung untersagen?

(Foto: Britta Pedersen/dpa)
  • Der Bundesgerichtshof urteilt, dass Nachbarn die Vermietung einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus nicht nachträglich verhindern können.
  • Geklagt hatte eine Frau gegen die anderen Bewohner ihrer Wohnanlage.
  • Diese hatten zuvor in einer Eigentümerversammlung beschlossen, dass Kurzzeit-Vermietungen künftig nicht mehr erlaubt seien sollten.

Wohnungsbesitzer können das Vermieten einer Wohnung an Feriengäste in einer gemeinsamen Wohnanlage nur mit Zustimmung jedes einzelnen Eigentümers nachträglich untersagen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Die Klägerin will ihre Wohnung Touristen als Unterkunft anbieten, die anderen Eigentümer sind jedoch dagegen.

In der Eigentümerversammlung hatten sie beschlossen, dass Kurzzeit-Vermietungen künftig nicht mehr erlaubt seien sollten. Dieser Beschluss über den Kopf der Betroffenen hinweg ist rechtswidrig, wie die obersten Zivilrichter in Karlsruhe urteilten. Jeder Eigentümer müsse sich darauf verlassen können, dass die Nutzung seiner Wohnung nicht ohne sein Zutun eingeschränkt wird.

Es ging letztlich um die Frage, ob Eigentümergemeinschaften dem Prinzip Airbnb juristisch entgegentreten können: Darf die Gemeinschaft, genervt vom ständigen Wechsel in der Nachbarschaft, dem Miteigentümer per Mehrheitsbeschluss die Ferienvermietung untersagen? Oder gehört es zum grundrechtlich geschützten Eigentum, dass man seine Wohnung eben auch an ständig wechselnde Gäste vergeben darf?

Geklagt hat die Eigentümerin einer Wohnung in der Kleinstadt im Emsland, und zwar gegen die sieben anderen Eigentümer in der Anlage. Die Frau wollte ihre Wohnung in Papenburg an Touristen vermieten - die Nachbarn waren gedoch geschlossen dagegen, sie fühlen sich durch die Wechsel im Haus gestört.

In der Immobilie war Kurzzeit-Vermietung ursprünglich erlaubt. Allerdings enthielt die Teilungserklärung eine sogenannte Öffnungsklausel, nach der die Regeln der Gemeinschaft geändert werden konnten - und zwar mit Dreiviertelmehrheit. Davon machte die Eigentümerversammlung im Frühjahr 2017 Gebrauch: Kurzzeitvermietungen an Feriengäste sollten fortan verboten sein. Die Richter hatten also grundsätzlich zu klären, wann Eigentümer gegen den Willen einer Minderheit etwas zu deren Nachteil beschließen dürfen und wann das zu weit geht.

Bei Eigentumswohnungen sind die Gewichte anders verteilt

Viele Großstädte nutzen mittlerweile Zweckentfremdungsverbote, um zu verhindern, dass der knappe Wohnraum in lukrative Ferienwohnungen verwandelt wird. Auch Mieter haben nicht alle Freiheiten. Eine ganz normale Erlaubnis zur Untervermietung umfasst nicht automatisch auch die Befugnis, die Wohnung an Touristen zu vermieten, hat der BGH 2014 entschieden.

Bei Eigentumswohnungen sind die Gewichte jedoch anders verteilt. Das liegt an der Eigentumsgarantie des Grundgesetzes. 2010 hat der BGH daher den Eigentümern in solchen Anlagen die ziemlich großzügige Befugnis erteilt, ihre Wohnung auch an Feriengäste abzugeben. Das "bei einer Wohnnutzung typischerweise zu erwartende Maß" werde durch Kurzzeitgäste nicht überschritten, schrieb das Gericht. Das galt freilich nur für den Fall, dass sich dazu nichts in der Teilungserklärung findet. Umgekehrt könnten die Eigentümer - einstimmig - natürlich auch einen kompletten Airbnb-Bann für ihre Anlage aussprechen. Offen blieb damals nur: Was gilt, wenn man sich nicht einig ist? Was darf die Eigentümergemeinschaft regeln?

Zwar hat der BGH schon längst Öffnungsklauseln und Mehrheitsbeschlüsse im Wohnungseigentumsrecht gebilligt, sodass sich im zerstrittenen Club der Eigentümer auch mal die Mehrheit durchsetzen kann. Allerdings hat er im Jahr 2014 deutlich gemacht, dass "zum Schutz der Minderheit bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken" beachtet werden müssten. Soll heißen: Auch die Mehrheit darf das Wohnungseigentum des einzelnen nicht völlig aushöhlen.

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