Geldanlagen:Negativzinsen waren unzulässig

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Der Bundesgerichtshof hat im Fall der Negativzinsen ein Urteil gefällt. (Foto: Uli Deck/dpa)

Es ging um sogenannte Verwahrentgelte – Kosten für die Geldanlage auf Sparkonten. Nun hat der Bundesgerichtshof im Streit zwischen Verbrauchern und Banken geurteilt.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Es ging natürlich um Geld an diesem Dienstag vor dem Bundesgerichtshof (BGH), wie stets, wenn Kunden mit ihren Banken streiten. Davor aber galt es, Sinn und Gehalt eines eigentlich gängigen Begriffs zu klären – was genau bedeutet das Wort „sparen“? Dass jemand, der spart, dadurch reicher werden könne, aber nicht ärmer? Das sei doch eine ziemlich „überkommene Vorstellung vom Sparen“, sagte einer der Anwälte. Überflüssig zu erwähnen, dass er eine Bank vertrat.

Der BGH hatte am Dienstag erstmals über die Frage zu entscheiden, ob Banken und Sparkassen sogenannte Negativzinsen erheben dürfen. Ob sie also ein Entgelt dafür nehmen dürfen, dass sie das Geld ihrer Kunden aufbewahren. Wäre dies so, dann könnte das Sparen in der Tat dazu führen, dass Sparerinnen und Sparer am Ende weniger auf der hohen Kante haben als vorher. Nach dem Urteil, das der BGH am Nachmittag verkündete, sind solche „Strafzinsen“ bei echten Tagesgeld- oder Sparkonten indes nicht erlaubt. „Zweck von Spareinlagen ist es, das Vermögen von natürlichen Personen mittel- bis langfristig aufzubauen und durch Zinsen vor Inflation zu schützen“, erläuterte der Senatsvorsitzende Jürgen Ellenberger. Sparverträge dienten also dem Kapitalerhalt. Mit diesem Zweck seien Negativzinsen nicht zu vereinbaren.

Negativzinsen, das klingt im Jahr 2025 bereits wieder ziemlich fremdartig, war aber bis zur Zinswende im Sommer 2022 eine verbreitete Praxis. Die vier Geldhäuser, um die es in dem Grundsatzverfahren vor dem BGH ging – Sparda-Bank, Commerzbank, eine Sparkasse sowie eine Volksbank – haben ihren Kunden in den Jahren 2020 und 2021 sogenannte Verwahrentgelte abverlangt, sofern deren Einlagen jenseits einer bestimmten Freigrenze lagen. Mal bei 25 000 oder 50 000 Euro, aber mal auch nur bei 5000 Euro. Der Negativzins wurde meist mit 0,5, einmal auch mit 0,7 Prozent veranschlagt. Nach Angaben des Vergleichsportals Verivox dürften auf dem Höhepunkt des Zinsverfalls vor drei Jahren 13 Prozent aller Bankkunden solche Negativzinsen bezahlt haben. Mindestens 455 Geldhäuser hätten damals Negativzinsen verlangt.

Auslöser des Karlsruher Verfahrens sind die Klagen der Verbraucherzentralen in Sachsen und Hamburg sowie des Bundesverbandes. Ihr Argument ist so naheliegend wie volksnah. Die Sparda-Bank zum Beispiel habe ihre Produkte mit dem Zweck des Sparens und Anlegens beworben, sagte Rechtsanwalt Peter Wassermann: „Es kann nicht sein, dass das Guthaben auf dem Konto dann weniger wird.“ Wer ein Tagesgeldkonto einrichte, rechne damit, dass er dafür Zinsen bekomme. Alles andere widerspreche den Erwartungen der Verbraucher.

Betroffene können die rechtswidrig erhobenen Entgelte zurückfordern

Die Anwälte der Banken hingegen verwiesen darauf, dass die Kunden in Zeiten rapide sinkender Zinsen wohl kaum so „blauäugig“ gewesen sein konnten, nicht mit einem Verwahrentgelt zu rechnen. Klar, wer sein Geld auf ein Sparkonto lege, rechne mit der „Möglichkeit“, dass es dafür Zinsen gebe, sagte Reiner Hall. Dass sich diese Möglichkeit in diesem Marktumfeld kaum realisieren werde, davon dürfte niemand überrascht gewesen sein. Sein Kollege Thomas Winter sah das ähnlich, er erinnerte an die Ankündigung des früheren EZB-Präsidenten Mario Draghi, den Euro zu retten, „whatever it takes“, was auch immer es also koste. Mit der Flutung der Märkte könne sich kaum eine Erwartung der Kunden auf positive Zinsen eingestellt haben.

Den Bankensenat des BGH überzeugte dies nicht. Wobei das Gericht immerhin eine Unterscheidung zwischen Tagesgeld- und Sparkonten auf der einen und Girokonten auf der anderen Seite traf. Bei Girokonten gestand der BGH zu, dass sie nicht aufs Sparen gerichtet sind, sondern auf die Abwicklung alltäglicher Geldgeschäfte. Heißt: Dort wären Verwahrentgelte grundsätzlich zulässig. Allerdings kippte das Gericht die entsprechenden Klauseln trotzdem, weil sie intransparent seien. Die Angaben zu den Berechnungsgrundlagen seien nicht hinreichend klar.

Beim Thema Tagesgeld und Sparkonten hingegen – also dort, wo die Menschen auch größere Beträge anlegen –, ließ sich laut BGH ein Negativzins auch nicht damit rechtfertigen, dass die Kreditinstitute im Euroraum während der Niedrigzinsphase ihrerseits teilweise Negativzinsen an die Zentralbanken zu zahlen hatten. Die Erwartungen von Verbrauchern hinsichtlich ihrer Spar- und Tagesgeldkonten dürfe nicht durch die Politik enttäuscht werden, sagte Ellenberger.

Die betroffenen Kunden können rechtswidrig erhobenen Entgelte zurückfordern – jedenfalls für das Jahr 2022. Die Verjährungszeit beträgt drei Jahre. Juristisch umstritten ist, ob die Verjährung mit Erhebung der Negativzinsen zu laufen beginnt – oder erst mit dem BGH-Urteil, das Klarheit geschaffen hat. Im zweiten Fall könnten sogar länger zurückliegende Beträge eingeklagt werden.

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