Betriebsschließung:Versicherer muss Gastronomen kein Geld zahlen

Betriebsschließung: Na Mahlzeit! So einige Wirte haben auf ihre Versicherung gehofft, als sie wegen der Pandemie schließen mussten. Doch juristisch sieht es nicht gut für sie aus.

Na Mahlzeit! So einige Wirte haben auf ihre Versicherung gehofft, als sie wegen der Pandemie schließen mussten. Doch juristisch sieht es nicht gut für sie aus.

(Foto: imago)

Wer kommt für die Ausfälle im Lockdown auf? Der BGH spricht sein erstes Urteil - und schlägt sich auf die Seite der Versicherer.

Von Friederike Krieger, Köln

Schlechte Nachrichten für Gastronomen: Für die Ertragsausfälle, die ihnen während der Corona-Lockdowns entstanden sind, müssen ihre Versicherer in vielen Fällen nicht aufkommen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Mittwoch entschieden.

Geklagt hatte der 53-jährige Gastwirt Marco Ceccaroli, der das Restaurant "Bellavista" in Travemünde an der Ostsee betreibt. Er hatte seinen Betrieb wie alle Gastronomen während der staatlich angeordneten Corona-Lockdowns monatelang schließen müssen. Von seinem Versicherer Axa forderte er 40 000 Euro. Bei der Gesellschaft hatte er eine Police gegen behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund von Infektionskrankheiten abgeschlossen.

Doch die Axa stellte sich wie so viele Betriebsschließungsversicherer quer. Der Versicherer verwies darauf, dass das Coronavirus in den Bedingungen nicht aufgeführt sei. Ceccaroli vertrat dagegen die Ansicht, dass die dort aufgelisteten Krankheiten nur als Beispiele zu verstehen sind und Covid-19 sehr wohl versichert sei - und verklagte den Versicherer. Das Landgericht Lübeck und das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig ließen ihn abblitzen - und jetzt auch der BGH.

Nach Ansicht der Richter handelt es sich bei der Aufzählung nicht nur um Beispiele. Es bestehe nur Versicherungsschutz für die aufgelisteten Krankheiten. Das sei für die Kunden auch klar ersichtlich. "Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird zwar einerseits ein Interesse an einem möglichst umfassenden Versicherungsschutz haben, andererseits aber nicht davon ausgehen können, dass der Versicherer auch für nicht im Katalog aufgeführte Krankheiten und Krankheitserreger die Deckung übernehmen will", so der BGH.

Dass sich der BGH einem anderen Urteil nicht anschloss, lässt die Gastronomen noch hoffen

Damit haben auch Gastronomen mit ähnlichen Klauseln schlechte Karten. "Diese Bedingungen sind kein Exot", sagt Cäsar Czeremuga von der Kanzlei Norden Rechtsanwälte. Viele Versicherungsnehmer - auch die Klienten, die er vertritt - hätten Krankheitsaufzählungen in ihren Bedingungen. "Das ist ein sehr enttäuschendes Urteil für viele Hundert Betriebe."

Der BGH habe aber auch betont, dass immer im Einzelfall entschieden werden müsse, ob ein Anspruch auf Leistung besteht. "Es kommt auf die konkrete Bedingungslage an", erklärt Czeremuga. Der aktuelle Fall war nur der erste von vielen: Insgesamt warten noch rund 160 Gastronomen auf eine Entscheidung durch den BGH.

Positiv sei, dass der oberste Gerichtshof einer anderen Argumentation des OLG Schleswig nicht gefolgt ist, betonte Czeremuga. Das OLG hatte die Corona-Schäden schon deshalb als nicht versichert angesehen, weil der Betrieb aufgrund einer Allgemeinverfügung präventiv geschlossen worden ist und es keine Covid-19-Infektion im Betrieb gab. Das sei auch gar nicht nötig, urteilten die Richter des BGH. Der Eintritt des Versicherungsfalls setze "nicht die Verwirklichung einer aus dem Betrieb selbst erwachsenden, sogenannten intrinsischen, Infektionsgefahr voraus", erklärten die Richter.

Die Betriebsschließungsversicherung ist eine Nischensparte, die es in der Pandemie zu großem Aufsehen gebracht hat. Nur gut zwei Prozent der 3,5 Millionen Betriebe in Deutschland haben eine solche Police abgeschlossen. Im Corona-Jahr 2020 kamen die Versicherer auf Prämieneinnahmen von 26 Millionen Euro, bei Schadenzahlungen von satten 900 Millionen Euro. Einige Gesellschaften wie die Talanx-Tochter HDI zahlten die Lockdown-Schäden freiwillig, andere erst nach Gerichtsprozessen.

Nach Angaben des Versichererverbands GDV zogen insgesamt 470 Betriebe vor Gericht. Die Versicherer gingen bei den gerichtlichen Auseinandersetzungen meist als Sieger hervor: In erster Instanz entschieden die Gerichte in rund 90 Prozent der Fälle zu ihren Gunsten, in zweiter Instanz waren es sogar 95 Prozent. Anwälte aus dem Gastronomen-Lager verweisen allerdings darauf, dass sich Versicherer gern mit den Klägern auf einen Vergleich einigen, sobald ein für sie negatives Urteil droht - was die Statistik verzerren würde.

Für künftige Schäden sind die aktuellen BGH-Prozesse nicht mehr von Bedeutung: Die Versicherer haben Pandemien in ihren Neuverträgen inzwischen ausgeschlossen.

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