Süddeutsche Zeitung

Bezahlen in Echtzeit:Bank-Überweisungen, so schnell wie E-Mails

  • Die EZB und mehrere Großbanken wollen schon im kommenden Jahr deutlich schnellere Überweisungen ermöglichen.
  • Für die Banken macht das teure Investitionen nötig, denn ihre IT-Systeme sind stark veraltet. Am Ende könnte es sich dennoch lohnen.

Von Nils Wischmeyer

Bis der Betrag einer Überweisung beim Empfänger ankommt, dauert es noch immer eine gefühlte Ewigkeit. In einer Zeit, in der E-Mails in Sekundenschnelle verschickt werden, wirken die Zahlungsmechanismen der Banken, als wären sie aus der Zeit gefallen. Die Europäische Zentralbank (EZB) will das ändern. Seit knapp zwei Jahren bereitet das Euro Retail Payments Board, eine Untergruppe der Europäischen Zentralbank, in enger Abstimmung mit großen europäischen Bankhäusern wie der Deutschen Bank und der Commerzbank, einen Coup vor: Instant Payment - Bezahlen in Echtzeit.

Die neue Methode könnte die Art, wie Menschen in Europa bezahlen und Geld überweisen, revolutionieren. Eine Zahlung, ob an der Kasse beim Einkaufen, im Online-Handel oder bei der Online-Überweisung wird damit extrem beschleunigt. Zehn Sekunden soll es dauern, bis das Geld auf dem Konto des Empfängers ist. Der neue Service soll 24 Stunden, 365 Tage im Jahr verfügbar sein. In diesem November wird der European Payment Council (EPC), eine Einrichtung der Kreditinstitute, die Standards festgelegen. Ein Jahr später, im November 2017, soll Instant Payment europaweit starten. Das immerhin ist die Vision der Europäischen Zentralbank.

Sie erhofft sich, dass nach der Einführung des Sepa-Verfahrens mit Instant Payment nun der europäische Zahlungsverkehr weiter vereinheitlicht wird. Zudem hegt die EZB die Hoffnung, dass die neue Bezahlmethode Schecks und Bargeld ablöst. Ähnliches hört man von den Banken. Gerhard Bystricky, Chef der Produktentwicklung im Zahlungsbereich bei Unicredit, sagt: "Langfristig wird Instant Payment das 'new normal' werden und einen Anteil vom Bargeld als Zahlungsmittel substituieren." Den Banken käme das ganz recht. Umso weniger Bargeld der Kunde hat, umso mehr Geld liegt auf der Bank und wäre verfügbar für die Geldhäuser.

Bis es so weit ist, müssen die Banken umbauen. Denn bisher sammeln sie die Überweisungen und schicken sie gebündelt mehrfach oder einmal am Tag an eine dafür vorgesehene Software. Diese verrechnet alle Überweisungen am Ende des Tages. Der Empfänger erhält das Geld deswegen oft erst am nächsten Morgen. Mit Instant Payment wird die Überweisung in Echtzeit verschickt, von der Bank des Empfängers geprüft, bestätigt und dem Kunden gutgeschrieben. Zeitaufwand: zehn Sekunden.

Dafür benötigen die Banken untereinander eine Infrastruktur, sie wird gerade von mehreren Anbietern gleichzeitig entwickelt. Welche sich schlussendlich durchsetzen wird, ist noch unklar. Klar ist aber, dass sie - so die EZB-Vorgabe - miteinander funktionieren müssen. Am Ende entsteht so eine paneuropäische Infrastruktur, die allen Banken und Finanzdienstleister zur Verfügung steht. Finanziert werden die Systeme von Banken. Kosten: ein einstelliger Millionenbetrag. Und damit wohl der kleinste Teil der Investitionen.

Denn viele Banksysteme sind veraltet und müssen technisch aufgerüstet werden, um den Service künftig anbieten zu können. Ingo Beyritz vom Bundesverband Deutscher Banken sagt: "Zur Abwicklung dieser Zahlungen ist eine neue Verarbeitungslogik notwendig. Dafür sind umfangreiche Investitionen erforderlich." Wie hoch die sein werden, wollen die Banken noch nicht sagen. Zum Vergleich: In Australien wollen zwölf Banken ein ähnliches System etablieren. Sie rechnen wohl mit Kosten von acht Milliarden Dollar.

Langfristig könnten sich die Investitionen aber auszahlen. In Großbritannien wurde vor sieben Jahren "Faster Payment" eingeführt. Mit der etwas langsameren Variante von Instant Payment wird mittlerweile jede fünfte Zahlung in Großbritannien getätigt. Hays Littlejohn, Chef der Eba-Clearing, eines der zukünftigen Anbieter für die Infrastruktur, vermutet, dass es von einzelnen Ländern abhängt, wie schnell sich Instant Payment durchsetzen wird. "In nordeuropäischen Ländern könnte es schnell gehen", sagt Littlejohn. Die Banken seien dort schon länger auf solche Entwicklungen eingestellt. Sven Korschinowski, Experte für Instant Payment und Partner der Unternehmensberatung KPMG, rechnet nicht vor 2019 mit einer europaweiten Nutzung. So lange dauere es, bis eine relevante Anzahl an Banken die technischen Voraussetzungen geschaffen habe.

Kommt Instant Payment, tritt die Bezahlmethode in direkte Konkurrenz zu Paypal im Online-Handel und zu Fintechs, den digitalen Finanzdienstleistern, bei Online-Überweisungen. Sie wäre zudem eine Alternative zur Technik Blockchain, die von Banken bereits für einzelne Zahlungen genutzt wird. Experte Korschinowski sieht eine klare Tendenz: "Die Banken werden nach meiner Einschätzung kurzfristig auf Instant Payment setzen, weil das eine konsequente Weiterentwicklung bestehender Systeme ist." Instant Payment habe zudem den Vorteil, dass es auch mit dem Massenzahlungsverkehr kompatibel wäre. Das sei bei Blockchain aufgrund technischer Voraussetzungen noch nicht der Fall.

Die Banken erhoffen sich davon eine stärkere Kundenbindung

Ob sich die neue Bezahlmethode durchsetzt, wird aber im stationären Handel entschieden. Rainer Wolff, Abteilungsdirektor im Produktmanagement bei der Commerzbank, sieht ihn als wichtigsten Treiber und Hans-Rainer van den Berg, Spezialist für Zahlungsverkehr, sagt: "Instant Payments können die Killer-Applikation für das mobile Bezahlen werden." Entscheidend dafür, dass der Handel mitzieht, sei dabei, dass die neue Bezahlmethode günstiger sei als etwa Kreditkarten. Händler könnten dann die Gebühren für Zwischenhändler einsparen. Zudem könnten sie direkt über das Geld verfügen. Interessiert ist der Handel. Erste Treffen mit Banken gab es bereits. Ob es eine Zusammenarbeit geben wird, hängt vom Angebot der Banken ab. Der Kunde, so die Idee, soll künftig eine App seiner Bank installieren, in der alle Benutzerdaten vermerkt sind. Die Kasse im Geschäft übermittelt der App die wichtigsten Daten zur Bezahlung. Der Kunde autorisiert die Zahlung dann final durch beispielsweise einen Fingerabdruck. Gesamte Bearbeitungszeit: 20 Sekunden.

Die Banken erhoffen sich davon eine stärkere Kundenbindung. Denn für Instant Payment, erklärt Bystricky von der Unicredit, braucht der Kunde ein Konto. Schließt er es bei einer Bank ab, bindet er sich stärker an sie, man könnte dem Kunden weitere Dienstleistungen anbieten.

Doch nicht nur Banken könnten profitieren. Die neue Infrastruktur soll nämlich, so eine weitere Vorgabe der EZB, auch für Drittanbieter offen sein. Eine neue EU-Regelung, die nahezu zeitgleich umgesetzt wird, erlaubt es dann allen Anbietern, auf Kontoinformationen der Bankkunden zuzugreifen. Damit könnten auch Fintechs Instant Payment anbieten. Wer sich durchsetzt, hänge davon ab, wer die komfortabelste Lösung anbiete, sagt Experte van den Berg: "Bietet meine Hausbank eine App an, mit der ich überall bezahlen kann, dann brauche ich keinen Drittanbieter."

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Quelle:
SZ vom 05.10.2016/jps
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