Betriebsrenten:Chefs dürfen weiter sparen

Das Arbeitsministerium lehnt einen Arbeitgeberzuschuss zur betrieblichen Altersvorsorge ab. Den Sozialkassen entgehen so Beiträge in Milliardenhöhe, und die Beschäftigten bekommen weniger Rente.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Am Anfang stand eine Idee, die sich gut anhörte: Wenn viele Beschäftigte über ihren Arbeitgeber Geld für eine betriebliche Altersvorsorge zurücklegen, kostet das für jeden einzelnen weniger als der Abschluss eines privaten Vertrags. Folglich lassen sich Einbußen bei der gesetzlichen Rente auch besser ausgleichen. Seit 2002 hat deshalb jeder Arbeitnehmer sogar ein Recht darauf, von seinem Gehalt einen Teil abknapsen und zum Beispiel in eine Pensionskasse stecken zu können.

Die Sache hat aber einen Haken: Die Arbeitgeber müssen sich daran nicht beteiligen, obwohl sie bei dieser Vorsorgeform viel Geld sparen. Und daran will die Bundesregierung auch nichts ändern, wie aus einer Antwort des Arbeitsministeriums auf eine Anfrage der Linken hervorgeht, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Mehr als fünf Millionen Menschen setzen bereits auf die sogenannte Entgeltumwandlung und sparen damit Steuern und Sozialabgaben in erheblichem Umfang: Derzeit darf ein Arbeitnehmer in Westdeutschland bis zu 2904 Euro jährlich steuer- und sozialversicherungsfrei von seinem Bruttogehalt in eine betriebliche Altersvorsorge (BAV) anlegen. Das sind vier Prozent der Bemessungsgrenze für die Beiträge in die Rentenversicherung.

Die Linken sprechen von einer Kannibalisierung der Rente durch die betriebliche Altersvorsorge

Was lukrativ klingt, ist allerdings nicht ohne Nachteile: Der Mitarbeiter, der sich ein zweites Standbein für den Ruhestand aufbauen will, sammelt beim ersten Standbein, der Rentenversicherung, geringere Ansprüche. Schließlich zahlen Arbeitnehmer wie Arbeitgeber für den Betrag, der in die betriebliche Altersvorsorge fließt, nichts in die Rentenkasse ein. Außerdem wird bei Auszahlung der Betriebsrente der volle Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen. Verbraucherschützer raten daher nur dann dazu, einen Teil des Gehalts in eine solche BAV zu investieren, wenn der Arbeitgeber zumindest seine eingesparten Sozialabgaben auf die Beiträge des Mitarbeiters packt.

Wie häufig das tatsächlich geschieht, ist statistisch nicht erfasst. Die Bundesregierung sieht aber auch keinen Grund, hier mit einem Gesetz einzugreifen: "Die Verpflichtung zur Weitergabe des ersparten Anteils wäre eine Verpflichtung zu einem Arbeitgeberzuschuss." Darüber zu verhandeln, sei "tarifliches Kerngeschäft". Wären die Betriebe zu einem Zuschuss verpflichtet, könnte das Interesse "insbesondere auch kleiner Arbeitgeber an der betrieblichen Altersversorgung verloren gehen und dem angestrebten weiteren Auf- und Ausbau der betrieblichen Altersversorgung auf freiwilliger Grundlage geschadet werden", teilt das Arbeitsministerium in seiner Antwort auf die Linken-Anfrage mit. Zugleich lehnt es strikt ab, die Arbeitgeber bei Auszahlung der Betriebsrenten an den Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen zu beteiligen. Denn dann sei der Arbeitnehmer ja gar nicht mehr bei seinem früheren Arbeitgeber beschäftigt.

Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) setzt lieber auf freiwillige Vereinbarungen: Sie will die BAV vor allem in kleinen und mittleren Firmen attraktiver machen. Helfen sollen dabei die Tarifparteien, die überbetriebliche Pensionskassen gründen sollen. Der rentenpolitische Sprecher der Linken, Matthias Birkwald, warnt hingegen vor einer "Kannibalisierung der gesetzlichen Rentenversicherung durch die betriebliche Altersvorsorge". Auch der Präsident der Deutschen Rentenversicherung, Axel Reimann, hatte bereits gemahnt: "Man muss sich darüber im Klaren sein, dass jede Erweiterung der abgabenfreien Entgeltumwandlung die Rentenversicherung (. . .) schwächt".

Schon jetzt entstehen dadurch riesige Beitragsausfälle: Das Arbeitsministerium beziffert sie für die gesamte Sozialversicherung auf jährlich drei Milliarden Euro. Knapp die Hälfte davon entfällt auf die Rentenversicherung.

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