Süddeutsche Zeitung

Betriebsrente:Geschenk vom Chef

Der Staat fördert die betriebliche Altersvorsorge. Trotz der staatlichen Anreize lohnt sich die Betriebsrente jedoch vor allem, wenn sich der Arbeitgeber dabei auch kräftig beteiligt. Sonst sehen Experten eher Nachteile für die Arbeitnehmer.

Von Jonas Tauber

Es gibt die Angestelltenverhältnisse, in denen der Chef die Betriebsrente als Zusatzleistung für den Lebensabend spendiert. Wer zu den Glücklichen zählt, kann sich über dieses Geschenk freuen. Er sollte lediglich im Hinterkopf behalten, dass bei der Auszahlung Steuern und Sozialabgaben anfallen. Aber nicht immer steckt hinter der Betriebsrente ein Geschenk.

Der Staat setzt Anreize dafür, dass Arbeitnehmer Teile ihres Gehalts für die Altersvorsorge umwandeln. Bei der sogenannten Entgeltumwandlung profitieren Angestellte von der nachgelagerten Besteuerung. Dabei ist der Sparbetrag von Steuern und Abgaben befreit, dafür fallen sie auf die Betriebsrente bei Auszahlung an. Das soll sich lohnen, weil das Einkommen in der Erwerbszeit typischerweise höher ist als im Alter. Außerdem gibt es Freibeträge für Steuern und Abgaben.

Trotzdem sehen Fachleute diese Form der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) kritisch. Die Kosten sind hoch, warnt Versicherungsberater Gabriel Hopmeier. Selbst gute Verträge bieten laut Hopmeier nur eine garantierte Rendite von 0,5 Prozent bis ein Prozent. "Von einer selbstfinanzierten bAV würde ich abraten - außer der Arbeitgeber legt für jeden eingezahlten Euro mindestens einen Euro aus der eigenen Tasche drauf", sagt Hopmeier. Für neue Verträge ab 2019 gilt zwar, dass Arbeitgeber nicht mehr wie bisher die bei der Entgeltumwandlung eingesparten Sozialbeiträge behalten dürfen: Mit 15 Prozent müssen sie den Großteil an Betriebssparer weiterreichen. Das ist aber nicht genug, um die Nachteile auszugleichen, sagt der Versicherungsberater. Dagegen spricht auch, dass ein entsprechender Vertrag über Jahrzehnte Kapital bindet. "Die Wahrscheinlichkeit bei jungen Menschen ist hoch, dass sie das Geld einmal für Kinder, die Immobilienfinanzierung oder den Gang in die Selbstständigkeit brauchen", sagt er. Wer bereits Schulden aufgenommen hat, dem empfiehlt Hopmeier diese erst einmal abzubezahlen, statt parallel weitere Verpflichtungen einzugehen. Auch der Spitzenverband der Verbraucherzentralen hält wenig von der abgabenbefreiten Umwandlung von Gehalt für die Betriebsrente. "Das ist im Grunde widersinnig", sagt Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband. "Man spart kapitalgedeckt und schwächt dadurch die gesetzliche Rente", so die Leiterin des Teams Finanzmarkt. Denn der umgewandelte Gehaltsteil ist nicht nur steuerbefreit, es fallen auch keine Sozialabgaben darauf an. Die Folge: Die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung fallen geringer aus.

Bei der neuen Form der Betriebsrente sind Garantien verboten

In der Tat ist es widersinnig, warum der Staat eine zusätzliche Altersvorsorge fördert, die sich dann schwächend auf die Grundversorgung in Form der gesetzlichen Rentenversicherung auswirkt. Die umlagefinanzierte Rentenversicherung steht unter Druck, weil die Zahl der Rentner im Zuge der Alterung der Gesellschaft zunimmt. Die Politik hat deshalb um die Jahrtausendwende verfügt, dass die Bürger zusätzlich kapitalgedeckt vorsorgen sollen. Damit sich das auch für Menschen mit niedrigem Einkommen lohnt, hat die große Koalition ein Gesetz auf den Weg gebracht, das 2018 in Kraft getreten ist. So profitieren Menschen, die im Alter auf Grundsicherung angewiesen sind, künftig von einem Freibetrag in Höhe von 100 Euro. So viel können sie in jedem Fall von der Betriebsrente behalten. Bisher war es so, dass solche Ansprüche voll mit der staatlichen Grundsicherung verrechnet wurden. Wer sich etwas vom Mund abgespart hatte, konnte sich kaum anders als der Dumme fühlen, da er ja keinen Deut besser dastand als jemand, der nicht vorgesorgt hatte.

Außerdem gibt es ein neues Fördermodell für Menschen mit einem Bruttoeinkommen von bis zu 2200 Euro im Monat. Zahlen Unternehmen für einen solchen Angestellten im Jahr zwischen 240 Euro und 480 Euro in die bAV ein, können sie 30 Prozent davon über die Lohnsteuer zurückholen. "Aus Sicht von Geringverdiener ist das natürlich eine Verbesserung", sagt Verbraucherschützerin Mohn. "Allerdings ist der Effekt doch eher sehr begrenzt." Berater Hopmeier glaubt, dass das Fördergeld besser zu einer Stärkung der Ansprüche von Geringverdienern aus der gesetzlichen Rente angelegt wäre.

Eine weitere Neuerung in dem 2018 in Kraft getretenen Gesetz zur Stärkung der Betriebsrente ist die sogenannte Nahles-Rente. Dabei sind Arbeitgeber von der Haftung für eine Rentenzahlung in bestimmter Höhe befreit, wenn das so mit den Gewerkschaften per Tarifvertrag geregelt ist. Denn viele kleine und mittlere Unternehmen scheuen Zusagen zu bAV wegen der Haftungsrisiken. Außerdem sind Garantien bei dieser neuen Form der Betriebsrente unter der offiziellen Bezeichnung Sozialpartnermodell Betriebsrente verboten. Das soll den Freiraum bei der Anlage der Beiträge am Kapitalmarkt erhöhen und damit die Renditechancen verbessern.

Experten sind skeptisch. "Die Idee, die Garantien zu verbieten, ist richtig und eine Voraussetzung dafür, die Kapitalanlage überhaupt sinnvoll aufbauen zu können", sagt Mohn vom VZBV. "Aber ob die neuen Ansparmöglichkeiten auch so genutzt werden, da bin ich leider pessimistisch." Berater Hopmeier hält den Ansatz dagegen von vornherein für falsch. Das Modell zeige alle Fehler auf, mit denen Betriebssparer schon heute zu kämpfen haben, findet er. "Dazu kommt, dass es keine Garantie und keine Arbeitgeberhaftung mehr gibt, und Arbeitnehmer sind gezwungen, eine lebenslange Rente zu beziehen." Eine lebenslange Rente rentiere sich nur dann, wenn Menschen besonders alt werden. "Das ist eine Wette auf ein sehr langes Leben."

Derzeit gibt es keine praktischen Erfahrungen mit der neuen garantielosen bAV, denn die entsprechenden Tarifverträge lassen noch auf sich warten.

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Quelle:
SZ vom 05.07.2019
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