Betriebsrente:Die Renten-Trägheit muss endlich aufhören

Rentner

Mehr als zwei Drittel aller Deutschen glauben bereits jetzt, nicht genug zusätzlich für das Alter vorgesorgt zu haben.

(Foto: dpa)

Ein Zuschlag zur Betriebsrente allein reicht nicht. Jeder Arbeitsvertrag sollte künftig ein Angebot für eine betriebliche Altersvorsorge enthalten - denn manchmal muss man die Menschen zu ihrem Glück zwingen.

Kommentar von Thomas Öchsner

Wenn es um ihren Ruhestand geht, sind die meisten Bundesbürger Pessimisten: Mehr als zwei Drittel rechnen damit, sich als Rentner einschränken zu müssen und nicht genug zusätzlich für das Alter vorgesorgt zu haben. Aber nur wenige scheinen daraus Konsequenzen zu ziehen.

Das hat etwas mit menschlicher Trägheit zu tun. Wer 30 oder 40 ist, denkt eben nicht die ganze Zeit darüber nach, was mit 70 oder 75 sein könnte. Der Staat müsste daher ein wenig nachhelfen. Dies klappt allerdings sowohl bei der Riester-Rente als auch bei der betrieblichen Altersvorsorge mehr schlecht als recht. Doch nun gibt es eine gute Nachricht: Nachdem die Regierung das Thema viel zu lange verschleppt hat, will sie die Betriebsrente endlich attraktiver machen.

Arbeitgeber wissen zu wenig, Arbeitnehmer profitieren kaum

Derzeit geht hier nichts mehr voran. Der Anteil derjenigen, die über den Betrieb fürs Alter sparen oder für die der Arbeitgeber etwas zurücklegt, verharrt seit Jahren bei etwa 60 Prozent, und auch das nur, wenn man die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst mitzählt. Außerdem verbirgt sich hier eine Klassengesellschaft. In Wirtschaftszweigen wie in der Metall- und Elektroindustrie oder der Chemiebranche, in denen per Tarifvertrag gute Löhne üblich sind, können sich viele Beschäftigte auf Betriebsrenten freuen. In Klein- und Mittelbetrieben und bei Geringverdienern, deren gesetzliche Rente allein kaum zum Leben reichen wird, ist die Zusatzvorsorge kaum verbreitet.

Bei den Arbeitgebern liegt dies daran, dass sie zu wenig über das Thema wissen, die Regeln für zu kompliziert halten und fürchten, für spätere Leistungen haften zu müssen. Bei den Arbeitnehmern bleibt am Ende schlicht zu wenig übrig, nicht nur wegen der historisch niedrigen Zinsen, die Pensionskassen und Versicherer in die Bredouille bringen. Gesetzlich Krankenversicherte, die einen Teil ihres Gehalts für eine spätere Betriebsrente umgewandelt haben, müssen im Ruhestand von den zusätzlichen Altersbezügen auch noch den vollen Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag abzweigen.

Ein Zuschlag zur Betriebsrente allein wird nicht reichen

Wenn die Bundesregierung an der Misere der betrieblichen Altersvorsorge etwas ändern will, muss sie deshalb an mehreren Stellschrauben drehen. Es wird bei Weitem nicht ausreichen, Geringverdienern, wie jetzt vom Finanzstaatssekretär Michael Meister vorgeschlagen, analog zur Riester-Rente einen Zuschlag zum Aufbau einer Betriebsrente zu zahlen.

Als Allererstes muss sich Sparen lohnen. Wer wegen einer Mini-Rente im Alter auf die Grundsicherung angewiesen ist, sollte zumindest einen Teil seiner Betriebs- oder Riester-Rente behalten dürfen, ohne dass diese mit der staatlichen Hilfe verrechnet wird. Auch an die doppelte Krankenkassenpflicht muss die Bundesregierung ran. Dies geht nur, indem sie die Arbeitgeber stärker in die Pflicht nimmt, die ja bei der Umwandlung von Gehalt in spätere Ansprüche auf eine Betriebsrente Sozialabgaben sparen. Man könnte deshalb die Unternehmen verpflichten, zumindest dieses Geld als Zuschuss in die betriebliche Altersversorgung des Arbeitnehmers zu stecken. Oder aber die Arbeitgeber zahlen für die umgewandelten Lohnbestandteile wieder ganz normal den Beitrag zur Kranken- und Pflegekasse. Im Gegenzug müsste der Betriebsrentner nur noch seinen und nicht mehr den doppelten Beitrag abführen.

Für Arbeitnehmer müsste es auch leichter werden, erworbene Betriebsrentenansprüche vom alten zum neuen Arbeitgeber mitzunehmen. Versicherer und Fondsanbieter brauchen mehr Freiheiten bei der Anlage des Vermögens für die betriebliche Altersvorsorge. Aktien bieten auf lange Sicht höhere Chancen auf gute Renditen als festverzinsliche Wertpapiere, erst recht bei superniedrigen Zinsen.

Die menschliche Trägheit muss besiegt werden

Dringend nötig ist außerdem ein Mittel gegen die menschliche Trägheit. Jeder Arbeitgeber sollte künftig mit dem Arbeitsvertrag Mitarbeitern ein Angebot für eine betriebliche Altersvorsorge unterbreiten müssen. Wer nicht mitmachen will, muss dies ausdrücklich sagen. In den Niederlanden, in Dänemark oder in Schweden lassen sich so bereits mehr als 90 Prozent der Arbeitnehmer die betriebliche Altersversorgung nicht entgehen.

Die Zeit für große Versprechungen in der Sozialpolitik ist lange vorbei. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass diese oder die nächste Bundesregierung das gesetzliche Rentenniveau wirklich anhebt. Ein politisches Wunder wäre auch, wenn es gelänge, die Riester-Rente gegen den Widerstand der Versicherungslobby durch einen einfachen, kostengünstigen staatlichen Fonds zu ersetzen. Gerade deshalb muss die Reform der betrieblichen Altersvorsorge sitzen. Sonst wird die Altersarmut in Deutschland deutlich zunehmen.

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