Dieses Angebot wollte sich Klaus-Dieter Barge nicht entgehen lassen: Vier Prozent des sozialversicherungspflichtigen Bruttogehalts für die betriebliche Altersvorsorge einzahlen, ohne darauf Sozialabgaben und Lohnsteuer zahlen zu müssen - das klang verlockend.
Also schlug der Diplom-Ingenieur zu. Ende 2003 schloss er, damals Angestellter im öffentlichen Dienst der Stadt Braunschweig, einen Vertrag bei der Sparkassen-Pensionskasse ab und zahlte Monat für Monat 200 Euro seines Bruttolohns in die Kasse ein. "Damals wurde auch von Seiten der Politiker viel für die zusätzliche Altersvorsorge geworben. Ich dachte, die Entgeltumwandlung ist eine gute Sache", sagt Barge. Heute sieht er dies anders: "Ich fühle mich betrogen und auf den Arm genommen."
Barge ist ein Mensch, dem Zahlen keine Angst machen. Rechnen kann der Ingenieur, und wenn es um sein eigenes Geld geht, ist er besonders akribisch. Der 66-Jährige, der inzwischen in Rente gegangen ist, wollte wissen, was ihm seine Einzahlungen in die Pensionskasse eigentlich gebracht haben. Das Ergebnis: "Unterm Strich hat sich das für mich nicht rentiert."
Seine Rechnung sieht so aus: 101 Monate hat sein Arbeitgeber für ihn die 200 Euro von seinem Gehalt abgezwackt und der Pensionskasse überwiesen, macht zusammen 20 200 Euro. Barge hat dadurch kräftig Steuern und Beiträge in die Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung gespart. Netto musste er deshalb nur 11 009 Euro ausgeben. Im Mai 2012, als er mit Erreichen des 65. Lebensjahres in Rente ging, erhielt er von der Pensionskasse einmalig 24 373,93 Euro ausgezahlt. Das sieht, auf den ersten Blick, nach einer ziemlich guten Investition aus - wenn da nicht die Gegenrechnung wäre.
Die gut 24 000 Euro musste der Ruheständler komplett versteuern. Das kostete ihn nach den Berechnungen seines Steuerberaters satte 6863 Euro an zusätzlicher Einkommensteuer. Da Barge gesetzlich krankenversichert ist, wurde auf die Auszahlung auch der volle Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag fällig: Maßgeblich ist dabei die "120-stel-Regelung": Dabei wird die einmalige Kapitalauszahlung rechnerisch über zehn Jahre gesplittet und für diese 120 Monate dem Rentnereinkommen zugerechnet. Barge muss daher 120 Monate lang 35,64 Euro für Kranken- und Pflegebeitrag zahlen. Das kann er von der Steuer absetzen, trotzdem bleibt eine Zusatzlast von 3421,44 Euro.
Hinzu kommt: Von den 200 Euro wurden keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt. Das verringert seine Rente um netto 13,10 Euro monatlich. Bezieht er sein Altersgeld gut 20 Jahre lang, kassiert er noch mal 3275 Euro weniger. Alles zusammengezählt, kommt ein Minus von knapp 200 Euro heraus. "Im Endeffekt habe ich etwa 194 Euro weniger herausbekommen, als wenn ich mein Geld ohne Zinsen in einem Sparstrumpf versteckt hätte", sagt Barge.
Sicherheitshalber hat er Ulrich-Arthur Birk, Professor für soziale Sicherung an der Uni Bamberg, nachrechnen lassen. Der Fachmann, der sich seit Jahren mit der betrieblichen Altersvorsorge beschäftigt, bestätigt: "Das Ergebnis stimmt leider, aufs Komma genau." Birk warnt daher: "Wer nicht privat krankenversichert ist, so um die höheren Abzüge für die Krankenkasse nicht herumkommt und vom Arbeitgeber keinen Zuschuss für die betriebliche Altersvorsorge erhält, sollte sich einen Abschluss gut überlegen." Leider habe der Gesetzgeber die Bedingungen für die Entgeltumwandlung so verschlechtert, dass die Arbeitnehmer hier "in die Falle geraten könnten".
Barge hat auch seiner Pensionskasse geschrieben. Die stellt in ihrer Antwort seine Angaben nicht in Frage, macht aber darauf aufmerksam, dass das angesparte Kapital eigentlich für eine lebenslange Rente gedacht ist: "Damit steht der Vorsorgedanke im Vordergrund, der den Renditeaspekt überlagert. Je länger der Begünstigte lebt, um so günstiger wirkt sich das auch wirtschaftlich zu dessen Gunsten aus", schreibt die Kasse.
Außerdem weist sie den Ingenieur darauf hin, dass die Steuerlast auch deshalb so hoch sei, weil Barge in den ersten Monaten 2012 noch das Gehalt seines Arbeitgebers bezog und sich das Geld nicht 2013 im ersten vollen Jahr als Rentner auszahlen ließ. Nur: Was besser ist, hat ihm vorher keiner gesagt, auch nicht die Pensionskasse. Selbst wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden bekannt wären, sei eine Beratung in dieser Sache "nicht geschuldet", teilte die Sparkassen-Pensionskasse ihrem Kunden dazu lapidar mit.
Birk sieht darin ein grundsätzliches Problem: Banken müssten Beratungsprotokolle ausfüllen und seien verpflichtet, über Vor- und Nachteile von Geldanlagen aufzuklären. "Dies müsste für Pensionskassen, Direktversicherungen oder Unterstützungskassen genauso gelten", fordert er.
Barge jedenfalls weiß jetzt: "Verdient habe nicht ich, verdient haben die Pensionskasse und mein Arbeitgeber. Der hat Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung in Höhe von knapp 3000 Euro gespart."