Es ist schon ein bemerkenswerter Vorgang, der sich da derzeit bei den Versicherern abspielt: Ausgerechnet sie selbst wollen ihren Mitarbeitern die gesetzlich geregelten Zuschüsse für die betriebliche Altersversorgung verwehren - dabei werben sie in anderen Branchen offensiv mit diesen Zuschüssen.
So sieht es die Gewerkschaft Verdi. "Das Risiko eines Imageschadens ist unkalkulierbar", heißt es dort. Nach Ansicht der Gewerkschaft gefährden die Versicherer die Glaubwürdigkeit der betrieblichen Altersversorgung, weil sie in der eigenen Branche nicht praktizierten, womit sie beim Verkauf von Verträgen werben. Verdi verstehe die rechtliche Lage nicht richtig, ohnehin seien die Versicherungskonzerne bei der betrieblichen Versorgung ihrer Mitarbeiter sehr großzügig, kontert dagegen der Arbeitgeberverband Versicherungswirtschaft (AGV).
Hintergrund des Streits ist das seit Jahresbeginn geltende Betriebsrentenstärkungsgesetz. Damit führte die Bundesregierung die sogenannte Nahles-Rente und weitere Verbesserungen ein. Eine davon ist, dass sich Arbeitgeber künftig mit einem Zuschuss an den Beiträgen beteiligen müssen, mit denen Arbeitnehmer für das Alter sparen.
Die Arbeitgeber fühlen sich durch den Tarifvertrag geschützt - Verdi widerspricht
Bei einer solchen Entgeltumwandlung zahlen Arbeitnehmer einen Teil ihres Gehalts in eine Direktversicherung, eine Pensionskasse oder einen Pensionsfonds ein. Für diesen Teil des Gehalts sind dann keine Sozialbeiträge mehr fällig - sowohl der Mitarbeiter als auch die Firma sparen mit diesem Modell also bares Geld. Manche Unternehmen zahlen die auf diese Weise eingesparten Summen schon heute aus, wenn sie nicht ohnehin einen Zuschuss zur Altersvorsorge gewähren. Demnächst aber müssen alle Unternehmen bei der Entgeltumwandlung mindestens 15 Prozent des umgewandelten Betrages als Zuschuss zahlen. Wenn ein Angestellter monatlich also beispielsweise 100 Euro aus seinem Gehalt an eine Pensionskasse abführt, sind 15 Euro fällig. Das gilt für neue Verträge ab 2019, für bestehende ab 2022.
Allerdings nicht in der Versicherungswirtschaft, argumentiert der AGV. "Es besteht ein geltender Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung, der sehr großzügig ist", sagt Sebastian Hopfner, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Verbands. Dass der Tarifvertrag hier statt des Gesetzestextes gelte, sei im Gesetz ausdrücklich vorgesehen. Es enthalte eine Tarifvertragsöffnungsklausel. "Mindestens 80 Prozent unserer Mitgliedsunternehmen leisten ohnehin einen Zuschuss des Arbeitgebers zur betrieblichen Altersversorgung, der deutlich höher ist als die gesetzliche Verpflichtung", sagt Hopfner.
Verdi teilt diese Argumentation nicht. Der Tarifvertrag enthalte überhaupt keine Regelung zu den eingesparten Sozialversicherungsbeiträgen, heißt es. Deshalb könne der Tarifvertrag auch nicht anstelle der gesetzlichen Regeln gelten. Außerdem habe der Arbeitgeberverband seine Rechtsauffassung zu dem Thema einseitig und ohne Rücksprache mit dem Tarifpartner veröffentlicht.
Unter den Mitarbeitern der Branche wächst die Verärgerung. Die Betriebs- und Personalräte der öffentlichen Versicherer wie Provinzial und Versicherungskammer Bayern haben sich bereits mit einem Brief an Vorstandsmitglieder ihrer Gesellschaften gewandt. "Der Arbeitgeberzuschuss würde damit genau in der Branche nicht gewährt, für die das Betriebsrentenstärkungsgesetz existenziell ist und die mit diesem Zuschuss auch offensiv wirbt." Die Branche empfehle sogar ihren Kunden mit bestehenden Verträgen eine vorgezogene Zuschussregelung - die sie selbst für die eigenen Mitarbeiter ablehnt.
Der Arbeitgeberverband wundert sich dagegen über die Kampagne, bislang habe die Gewerkschaft kein Gespräch mit dem AGV gesucht. Hopfner aber macht auch klar, dass ein solches Gespräch kaum die Haltung des Verbandes ändern würde: "Die Rechtslage ist eindeutig", sagt er.