Süddeutsche Zeitung

Li Keqiang in Deutschland:Warum die Beziehungen zu China so angespannt sind

  • Viele EU-Staaten, darunter auch Deutschland, haben sich zuletzt für engere Beziehungen zu China ausgesprochen.
  • Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Volksrepublik ist allerdings schwierig. China handelt nach wie vor protektionistisch und verärgert damit die deutsche Industrie.

Von Christoph Giesen, Peking

Es ist eine Reise, die nach neuen Optionen klingt, manch einer hofft gar auf einen Ausweg - aus dem Trump-Dilemma: An diesem Mittwoch ist Chinas Ministerpräsident Li Keqiang in Berlin zu Gast, am Donnerstag findet in Brüssel der EU-China-Gipfel statt. In Zeiten, in denen sich Europas Staats- und Regierungschefs fragen, wie sie künftig mit dem US-Präsidenten umgehen sollen, hört man immer wieder den Wunsch nach Annäherung an China. Doch die Wahrheit ist: Das Verhältnis zwischen Berlin und Peking ist angespannt. "Es gibt seit einigen Monaten einen ungewöhnlich hohen Grad an Konflikten", sagt Mikko Huotari, Leiter des Programms Internationale Beziehungen beim Mercator Institute for China Studies (Merics) in Berlin. Vor allem wirtschaftlich klemmt es.

Und das kann man beobachten. Mitte Mai zum Beispiel, als Chinas Führung zur Seidenstraßenkonferenz, dem sogenannten "Belt and Road Forum" nach Peking lud, lobten fast alle Redner Staats- und Parteichef Xi Jinping für seine Initiative. Manch einer schleimte, andere biederten sich an. Der griechische Premierminister Alexis Tsipras etwa gab zu Protokoll: "Griechenland schätzt die Bedeutung der Belt-and-Road-Initiative hoch."

Und Tschechiens Präsident Miloš Zeman sagte gar: "Die Belt-and-Road-Initiative ist das faszinierendste Projekt der modernen Geschichte." Die einzigen Ausnahmen: Russlands Präsident Wladimir Putin - ein Mann, der keinen Bückling macht, vor wem auch immer. Und Deutschlands Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Sachlich erinnerte sie China dran, dass der Protektionismus abgebaut werden müsse - so wie versprochen.

Im Januar hatte Xi in Davos auf der Jahreshauptversammlung des Weltkapitals eine bemerkenswerte Rede gehalten. Ausgerechnet Xi verteidigte die Globalisierung, mahnte den Abbau von Zöllen an und sprach sich gegen Protektionismus aus. "Freetrade Xi" nannten sie ihn danach euphorisch in den Schweizer Bergen. Der Chef einer kommunistischen Partei forderte dort all das, was man sich vom amerikanischen Präsidenten gewünscht hätte. Der schwor derweil seine Anhänger auf "America first" ein. Doch was ist seitdem passiert?

In den vergangenen Monaten konnte man durchaus eine Art Charmeoffensive aus Peking wahrnehmen. Chinas Furcht: ein Handelsstreit mit den Vereinigten Staaten, in den Europa mit einsteigt. Mehr als 50 Prozent des chinesischen Exports wären wohl dann betroffen. In der Sache aber bleibt China hart. In der Medizintechnik etwa gilt die Ansage für staatliche Krankenhäuser, vor allem Geräte einheimischer Hersteller zu kaufen - das trifft die deutsche Industrie hart. Auch bei bestehenden Regeln zeigt sich die chinesische Führung kaum kompromissbereit. Noch immer müssen Autohersteller in der Volksrepublik Gemeinschaftsunternehmen mit chinesischen Partnern gründen. Ausländischen Firmen ist es zudem untersagt, Medienunternehmen, Telekom-Konzerne oder Banken zu übernehmen. Die OECD stuft China deshalb als das verschlossenste Industrieland ein: Platz 59 von 59 Staaten.

Bei einer Mitgliederbefragung der Europäischen Handelskammer in China antwortete fast die Hälfte der teilnehmenden Unternehmen, dass es im Vergleich zum vergangenen Jahr schwieriger geworden sei, Geschäfte in China zu machen. Lediglich 15 Prozent der Firmen glauben, dass in den kommenden fünf Jahren regulatorische Hürden fallen werden. 40 Prozent gehen hingegen eher von einer Zunahme der Hemmnisse in China aus. Kammerpräsident Mats Harborn forderte am Mittwoch erneut Chancengleichheit für europäische Unternehmen.

Während sich Firmen aus China in Europa einkaufen, ist der Zugang für Unternehmen aus Europa sehr beschränkt. "Europäische Investitionen in China werden einfach zurückgehalten", heißt es im Bericht der Kammer. Das drückt sich auch in Zahlen aus. Während das Volumen chinesischer Zukäufe in der Europäischen Union 2016 um 77 Prozent auf mehr als 35 Milliarden Euro stieg, sanken die Investitionen europäischer Unternehmen in Volksrepublik um 23 Prozent auf acht Milliarden Euro. Vor allem Deutschland steht im Fokus chinesischer Investitionen.

Chinas E-Auto-Quote schreckte die deutschen Konzerne auf

"Man kann fast den Eindruck gewinnen, dass die Chinesen mit Deutschland spielen", sagt Merics-Mann Huotari. "Kompromisse in den Beziehungen finden zunehmend nach chinesischen Regeln statt." Und diese Zugeständnisse bekommt man auch nur, wenn zuvor lautstark Alarm geschlagen wurde. Zum Beispiel bei der geplanten Elektroauto-Quote. Zunächst hatte die chinesische Regierung ausländischen Herstellern signalisiert, dass sie ab 2020 mit einer verbindlichen Vorgabe rechnen müssten. Erfreut war man darüber nicht in den Zentralen, machte sich aber an die Planung. Dann tauchte Ende September 2016 ein Gesetzentwurf auf einer Regierungswebsite auf. Statt 2020 hieß es nun plötzlich 2018. Zwei Jahre sind viel Zeit für langfristig planende Unternehmen. Die deutschen Hersteller wandten sich an die Politik, Sigmar Gabriel (SPD), damals noch Bundeswirtschaftsminister, sprach das Thema bei einer Reise nach Peking an. Keine Reaktion.

Erst als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Wochen später mit Xi telefonierte, verständigte man sich mündlich auf eine Lösung. Das Gesetz soll nun ab 2019 gelten und die Autohersteller müssen nicht, wie zunächst vorgesehen, sämtliche technische Details nach China übermitteln. Ein neuer Gesetzentwurf fehlt allerdings noch immer. Sollte es dabei bleiben, hätte China erst ein Problem kreiert und es dann fast gnädig gelöst.

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SZ vom 31.05.2017/jps
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