Bestechung:Schecks für die Fachleute

British Government Signs A Deal For New Nuclear Power Plant

Das Atomprojekt Hinkley Point ist seit Langem umstritten. Nun gibt es auch noch Spionagevorwürfe.

(Foto: Matt Cardy/Getty Images)

Ein Berater des größten chinesischen Atomkonzern soll in den Vereinigten Staaten spioniert haben. Im schlimmsten Fall droht nun das Aus für den Bau des britischen Reaktors Hinkley Point C. Es ist das Referenzprojekt der Chinesen in Europa.

Von Christoph Giesen

Schmiergeldzahlungen für amerikanische Nuklearspezialisten, eine 17-seitige Anklageschrift und ein hochrangiger Berater im Gefängnis: Der geplante Bau des britischen Atomkraftwerks Hinkley Point C ist drauf und dran, sich zu einem Agenten-Thriller zu entwickeln. Für Chinas staatlichen Atomkonzern China General Nuclear Power Company (CGN) könnte die Affäre sogar in einem Debakel enden.

Ursprünglich war geplant gewesen, die Verträge für das Kraftwerk, das in Somerset, im Südwesten Englands, gebaut werden soll, noch im Juli zu unterzeichnen. Das 18 Milliarden Pfund ( etwa 21,5 Milliarden Euro) teure Projekt soll zu zwei Dritteln vom französischen Staatskonzern EDF finanziert werden. Das restliche Drittel will die China General Nuclear Power Corporation (CGN) übernehmen.

Die Regierung in London prüft das Kraftwerksprojekt bis Herbst noch einmal sehr genau

Überraschend verkündete die neue britische Regierung Ende Juli jedoch, sich das Projekt bis Herbst noch einmal genau ansehen zu wollen. Es wurde vermutet, dass Premierministerin Theresa May Zweifel daran habe, einem Konzern, der direkt dem chinesischen Staatsrat unterstellt ist, die Investition in derart wichtige Teile der nationalen Infrastruktur zu erlauben. Noch am Dienstag warnte der chinesische Botschafter in London, Liu Xiaoming, in einem Gastbeitrag in der Financial Times, dass ein Ende des Projekts in Hinkley Point die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und China arg beeinträchtigen könnten. Inzwischen aber ist es auf chinesischer Seite auffällig still.

Denn: Einem CGN-Berater wird in den Vereinigten Staaten vorgeworfen, Nukleargeheimnisse verraten zu haben. Im Fokus der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen steht ein 66-jähriger amerikanischer Staatsbürger, der aus Taiwan stammt. Im April wurde er in Atlanta festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Er soll von 1997 bis April 2016 im Auftrag der chinesischen Regierung spioniert haben. Ihm droht eine lebenslange Haft.

Die Anklage wirft ihm vor, Atomexperten des staatlichen Tennessee Valley Authority Energy Corporation Bestechungsgelder gezahlt und im Gegenzug sensible Informationen nach Peking weitergeleitet zu haben. Insgesamt sechs Nuklearfachleute sollen Gelder erhalten haben.

In einem Fall geht es laut Anklageschrift um einen Scheck in Höhe von 15 555 Dollar, der an eine Adresse in Chattanooga geschickt wurde. In einem anderen Fall bekam einer der Atomexperten 22 698 Dollar für angebliche Beratungsleistungen und Reisekosten vom Beschuldigten erstattet.

Vor allem CGN soll laut Anklage durch den mutmaßlichen Geheimnisverrat profitiert haben. So soll das Staatsunternehmen bei der Entwicklung von Reaktoren und moderner Brennelement-Programme Vorteile durch die mutmaßliche Spionage gehabt haben.

Grundlage für die Verhaftung des CGN-Beraters ist der sogenannte Energy Act, dieses amerikanische Gesetz stellt es unter Strafe, Ergebnisse etwa aus der Nuklearforschung ohne behördliche Zustimmung an andere Staaten weiterzugegeben. Die Anwälte des Beschuldigten argumentieren nun jedoch, dass dieses Gesetz in den vergangenen 60 Jahren nicht zur Anwendung gekommen sei.

Problematisch für den Beschuldigten: Einer der mutmaßlich bestochenen Nuklearexperten der Tennessee Valley Authority hat bereits in Vernehmungen eingeräumt, dabei geholfen zu haben, dass Nukleartechnik rechtswidrig außerhalb der Vereinigten Staaten entwickelt wurde.

Sollten sich die Vorwürfe erhärten, wäre das für Chinas Nuklearindustrie ein Desaster. Der Bau des britischen Reaktors ist vor allem als Referenzprojekt enorm wichtig. Bis zum Jahr 2020 sollen allein in China 88 Reaktoren Strom liefern. Außerhalb der Volksrepublik ist die Anzahl der Projekte jedoch noch überschaubar. Das Kalkül: Wer es in Großbritannien geschafft hat, packt es überall. Dieser Plan ist nun in Gefahr.

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