Beschluss in Karlsruhe:Das weite Maul der Untreue

Die Verfassungsrichter schauen den Managern und Strafgerichten auf die Finger: Wenn es gutgeht, ist der Untreue-Paragraph eine Art Pannenhilfe für die Wirtschaft.

Heribert Prantl

Jeder Handwerker weiß, was ein Franzose ist: ein universeller Schraubenschlüssel, der durch Drehen des Handgriffs stufenlos verstellbar ist; man kann damit Schrauben aller Größe packen und sie dann auf- und zudrehen.

Untreue - Karlsruhe verschärft Voraussetzungen für Urteile

Das Bundesverfassungsgericht hat die Voraussetzungen für strafrechtliche Verurteilungen wegen Untreue verschärft.

(Foto: dpa)

Was für den Handwerker der Franzose ist, das ist für die Strafjustiz der Untreue-Paragraph. Man kann damit große und kleine Vermögensdelikte packen, man kann gegen unbedeutende Sachbearbeiter vorgehen und gegen prominente Großmanager. Das Bundesverfassungsgericht hat nun bestätigt, dass dieses praktische Instrument verfassungsfest ist - dass es also nicht per se zu grob oder zu ungenau ist, dass es sein Maul (so heißt das beim Franzosen) nicht zu weit aufreißt.

Der in der Tat sehr allgemein gehaltene Straftatbestand der Untreue nach Paragraph 266 Strafgesetzbuch ist gerade wegen dieser Alllgemeinheit ein Universalschlüssel der Staatsanwaltschaft, zumal bei Wirtschaftsdelikten: Damit wurde gegen Kanzler Kohl und gegen Siemens, damit wurde und wird gegen Bankmanager und Bankvorstände ermittelt. Mit diesem Schlüssel kann man schwarze Kassen aufsperren und die schwarzen Schatzmeister der Bestrafung zuführen.

Bis zu fünf Jahren Haft drohen jedem, der mit der Betreuung fremder Vermögensinteressen betraut ist und diese verletzt. Das gilt in staatlichen Behörden, das gilt in Aktiengesellschaften, das gilt für Politiker, Beamte und Manager. Die Rechtsprechung hat dazu Kriterien entwickelt, die vom Bundesverfassungsgericht nun goutiert worden sind. Die Verfassungsrichter haben sich aber vorbehalten, den Strafgerichten auf die Finger zu schauen - und dies auch gleich getan.

Im Straßenverkehr gibt es ein blaugerandetes Verkehrsschild, in dessen Mitte ein Franzose zu sehen ist. Das Schild weist auf Pannenhilfe hin. Wenn es gutgeht, dann ist der Untreue-Paragraph eine Art Pannenhilfe für die Wirtschaft. Damit können Illegalitäten abgestellt werden.

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