Süddeutsche Zeitung

Beschäftigung:Ein Führerschein für die Zukunft

Die FDP will den Beschäftigten hierzulande in die digitale Ära verhelfen - mit einem Lernprogramm. Und Zertifikat und Bildungsgutschein.

Von Alexander Hagelüken

Es war ein Instrument, das seit den 80er-Jahren viele Arbeitnehmer auf den Massengebrauch von PCs vorbereite-te: Kurse mit den Grundlagen, genannt Computerführerschein. Weil künftig die Digitalisierung das Berufsleben der meisten Deutschen prägen dürfte, will die FDP die Idee reanimieren. Ein Lernprogramm als App soll den Einstieg in die neue Ära erleichtern und erklären, wie ein Algorithmus funktioniert oder was das Digitale für die berufliche Zukunft bedeutet. Voilà, der Digitalführerschein.

"Natürlich mit Zertifikat und Bildungsgutschein für Mitmacher und Unterstützer, das wäre ein Appetitmacher", wirbt der Ex-Telekom-Personalchef Thomas Sattelberger, der seit 2017 für die Liberalen im Bundestag sitzt. Deutschland drohe abge-hängt zu werden, da andere Staaten schon Schülern einfaches Programmieren beibrächten. Die App wäre für ihn nur der Anfang: "Die Bundesrepublik braucht ein zweites Bildungssystem" - eines, das verhindere, dass Beschäftigte, die ihre erste Ausbildung schon hinter sich haben, mit 35, 45 oder 55 Jahren den Anschluss verlieren. Derzeit nehme nur jeder dritte Arbeitnehmer an Weiterbildungen teil.

Auch die große Koalition hat das Thema erkannt. So kündigen Union und SPD im Koalitionsvertrag eine "nationale Strategie" zur Weiterbildung an. Erstmals soll es ein Recht geben, sich dazu beraten zu lassen - und ein Initiativrecht von Betriebsräten. Praktisch angepackt hat die neue Bundesregierung aber bisher eher andere Politikfelder.

"Die Bundesregierung sollte sich vor allem mit der Digitalisierung der Berufswelt beschäftigen", fordert der liberale Arbeits-marktexperte Johannes Vogel. Dazu sollten Beschäftigte einen Teil ihres Gehalts steuerfrei ansparen können, um es für ihre Weiterbildung zu verwenden. Ein anderer Vorschlag ist ein Bafög in der Mitte des Lebens. Das ist, nach dem Vorbild der Studienförderung, für Selbständige oder Angestellte gedacht, die sich beruflich umorientieren wollen. Und die Zeit brauchen, um sich zusätzlich zu qualifizieren, etwa durch einen Master-Abschluss. Weil sie in dieser Zeit nur eingeschränkt oder gar nicht arbeiten können, will ihnen die FDP Geld in Aussicht stellen. "Vielleicht eine Mischung aus Kredit und Zuschuss", sagt Vogel.

SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil will bei diesem lebenslangen Lernen die Bundesagentur für Arbeit stärker einbinden. Das schwebt auch den Liberalen vor - durch eine Steuerung der lokalen Agentu-ren. Diese könnten das Ziel bekommen, die Weiterbildungsquote der Beschäftigten zu steigern. Vogel kennt die Arbeit an der Basis - nachdem er 2013 mit der FDP aus dem Bundestag flog, leitete er die Arbeits-agentur Wuppertal-Solingen.

Der Staat soll Zonen ausweisen, in denen Start-ups Sonderrechte genießen, etwa beim Arbeitsrecht

Der FDP geht es auch darum, zukunftsfähige Firmen anzusiedeln, die Beschäftigten Jobs verheißen. Und zwar abseits der Ballungsräume, wo sich ohnehin die Jobs ballen. Dafür soll es "digitale Freiheitszonen" geben - nach dem durchaus kontroversen Vorbild der Sonderwirtschaftszonen in manchen Ländern. Die Idee: Der Staat investiert in die Infrastruktur, stellt Internet auf dem neuesten Stand bereit und gibt Bauland günstiger her. Außerdem gewährt er einen Steuerbonus für Innovationsleistungen oder verlangt weniger Gewerbesteuer. Und er erlaubt, zumindest testweise, vom Arbeitsrecht abzuweichen. "Viele Start-ups existieren heute nur, weil das Ordnungsamt ein Auge zudrückt. Bei ihnen sitzen eigentlich zu viele Mitarbeiter in einem Raum oder die Fenster sind zu klein", sagt Martin Hagen, Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Bayern.

Die Aufwertung mancher Regionen durch Freiheitszonen soll es jungen Firmen erleichtern, an Kapital und Personal zu kommen. "Wenn bisher Kolbermoor auf dem Briefkopf der Firma steht, zucken In-vestoren vielleicht mit den Schultern, weil sie den Ort nicht kennen. Und Bewerber auch", so Hagen. Sobald Kolbermoor oder andere Orte als Digitalregion bekannt wür-den, könne sich das schnell ändern.

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SZ vom 30.07.2018
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