Berufspessimist Dennis Meadows:Erhalt überkommener Industrien

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Schon Anfang der 1990er Jahre habe die Weltwirtschaft das Hoch eines 50 bis 80 Jahre dauernden, nach dem russischen Ökonomen Nikolai Kondratieff benannten Zyklus erreicht.

Normalerweise folge darauf ein Abschwung, aber die Kreditfinanzierung der Wirtschaft habe die fällige Korrektur verzögert. "Wir haben dominante Technologien zu groß werden lassen. Nun sieht sich der Staat gezwungen, die Autobranche, Banken und Versicherungen zu retten", sagt Meadows.

Die mächtigen Lobbys der alten Industrien und das Geldsystem verhinderten den notwendigen Strukturwandel, moniert Meadows. "Die Autoindustrie produziert viel mehr Fahrzeuge, als sie absetzen kann.

Zwanzig Jahre lang Stagnation

Aber statt Gelder in neue Transportsysteme zu investieren, um auch Ressourcen zu schonen, fließt das Vermögen des Landes in den Erhalt überkommener Industrien." Die Möglichkeit der Zentralbank, der Regierung quasi frisch gedrucktes Geld für Rettungsprogramme zu geben, verlängere diese Politik nur - und führe zu Inflation.

Gerade ist Meadows von einer Vortragsreise aus Japan zurückgekehrt. Auf Einladung der Tokioter Regierung referierte er in Kyoto genau über diese Zusammenhänge. Das asiatische Land, einst Wachstumsmotor der westlichen Welt, kämpft bald zwanzig Jahre lang mit Stagnation und ist vielleicht gerade deshalb offen für neue, radikalere Lösungen.

Auch in Deutschland haben Experten inzwischen Angst vor der "japanischen Krankheit".Der Systemforscher zieht Parallelen zwischen den Krisen von 1873, 1929 und heute. "Die Zyklen wiederholen sich. 1870 hatten wir zu viele Züge, 1929 zu viele Autos." Heute treten die Überkapazitäten zeitgleich in vielen Branchen auf. "Häuser, Autos, Flugzeuge - praktisch alle kapitalintensiven Industriesektoren sind betroffen."

Und die Lösung? "Es gibt keinen Knopf, den man drücken kann." Aber globale Abwärtstrends, wie wir gerade einen erleben, "bergen die Chance, größere Veränderungen durchzusetzen", ist Meadows überzeugt. Am besten solche, die uns ein nachhaltiges Wirtschaften ermöglichen, denn neben der momentan beherrschenden Verschuldungsthematik bleiben ja auch noch die Klimaerwärmung und das Energieproblem, erinnert der ehemalige Club-of-Rome-Autor.

Ursprünglich sollte 2012, also 40 Jahre nach der Erstveröffentlichung eine vierte "Grenzen des Wachstums"-Analyse erscheinen. Aber davon ist Meadows abgekommen. "Ich habe fast mein ganzes Berufsleben versucht, die Menschen mit Analysen zu Änderungen ihres Verhaltens zu bewegen." Dieses Unterfangen sei misslungen: "Der Ressourcenverbrauch liegt heute um 35 Prozent über dem, was die Erde verkraftet."

Der US-Wissenschaftler hat aber nicht etwa aufgesteckt. Er hat nur die Methoden gewechselt. In den achtziger Jahren hat Meadows begonnen, Strategiespiele für Entscheider zu entwickeln. Sie haben Namen wie Fish banks und Stratagem, mal sind die Mitspieler Fischereibesitzer und müssen Profit und Überfischung in Einklang bringen, mal sind sie Minister, die mit Rücksicht auf die Zukunft ein Land regieren müssen.

"Der kurze Zeithorizont der Entscheider ist eines der wichtigsten Hindernisse zur Überwindung von Krisen", meint Meadows. Wegen der ständigen Wahlen traue sich kaum ein Politiker, Maßnahmen zu beschließen, die langfristig wirkten. "Wie gesagt, wir müssen kurzfristig Opfer bringen, um langfristig wieder besser zu leben", sagt Meadows. Einen anderen Weg aus der Krise gebe es nicht.

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