Süddeutsche Zeitung

Beruf und Familie:Wenn alles an ihr hängt

Eine Unternehmensberatung ruft Firmen auf, sich in die häusliche Aufgabenverteilung einzumischen. Denn zu oft belastet diese Arbeit nur die Mütter.

Von Alexander Hagelüken

Selten beginnen Studien wie hier mit der Beschreibung eines Comics. Zu sehen ist eine völlig geschaffte Frau, die sich beim Kochen noch um die Kinder kümmert. Irgendwann fährt sie ihren untätigen Mann an. Der mault zurück: "Wenn du mich gefragt hättest, hätte ich geholfen." Genau das ist für die Studienautoren der Punkt: Wenn der Mann sich nicht zuständig fühlt, lastet automatisch der Großteil der Hausarbeit und Kinderbetreuung auf der Frau - selbst wenn er ab und zu hilft.

Die Urheberschaft dieser Studie ist ungewöhnlich. Die Unternehmensberatung BCG fordert die Unternehmen auf, sich in die Aufgabenverteilung zu Hause einzuschalten: "Wenn die Wirtschaft ernsthaft mehr Frauen in Führungspositionen bringen will, muss sie sich um die Last der häuslichen Verantwortung kümmern", schreiben Jennifer Garcia-Alonso und Mitautor(inn)en. Sie lassen nicht gelten, dass Firmen argumentieren, es gehe sie nichts an, was privat bei den Mitarbeitern geschieht. "Weil Arbeit und Zuhause so verbunden sind, ist diese Haltung kurzsichtig und überholt". Frauen schreckten oft vor anspruchsvolleren Positionen zurück, weil sie die Doppelbelastung aus Beruf und Außerberuflichem überfordere.

Jemand muss das Büro rechtzeitig verlassen, um zu kochen, die Kinder zu versorgen und nachher aufzuräumen. Meist ist das die Frau. Als BCG mehr als 6000 Arbeitnehmer in 14 Industriestaaten befragte, schälte sich ein klares Bild heraus. Zwei Drittel der arbeitenden Paare geben selbst an, dass sie sich die Haus-Aufgaben nicht gleich aufteilen. Deutsche Arbeitnehmerinnen tragen zweieinhalbmal so häufig die Verantwortung für die Wäsche und doppelt so häufig fürs Kochen und Saubermachen. Beim Spülen und Einkaufen ist das Ungleichgewicht kaum geringer. Selbst wenn es um Rechnungen, Finanzen und den Garten geht, leisten die Frauen kaum weniger. Und sie übernehmen selbst dann das meiste, wenn der Gatte Teilzeit arbeitet - oder gar nicht.

Zu der eigentlichen Erledigung häuslicher Aufgaben kommt noch was anderes: Daran zu denken und es zu organisieren. Auch das ist Arbeit. Wissenschaftler nennen das geistige Zusatzlast, Mental Load. "Selbst wenn der Mann das Kind zum ärztlichen Einschulungstermin bringt, hat oft die Frau einen Arzt gesucht, den Termin vereinbart, dem Mann den Weg beschrieben, die Schulformulare ausgedruckt und die Impfdaten aufgetrieben", schreiben die Berater. Schon das Daran-Denken und Organisieren kostet der Frau viel Mühe. Männer nutzen ihre geringere Belastung, um Karriere zu machen. Sie bleiben lange im Büro, treffen Geschäftspartner zum Abendessen, gehen auf Dienstreise. Und erholen sich länger von der Arbeit, während sie den Haushalt erledigt.

Frühere Untersuchungen zeigen, dass Frauen entgegen dem Klischee weder durch Heirat oder Schwangerschaft beruflich an Ehrgeiz verlieren. Es ist vielmehr die Doppelbelastung, die sie entmutigt - und eine auf männliche Karrieren fixierte Firmenkultur.

Deshalb können Firmen viel tun, so die Unternehmensberater. Führungskräfte sollten als Rollenvorbilder demonstrieren, dass sie sich zu Hause um Kinder und Haushalt kümmern. Firmen sollten ihren Mitarbeitern flexible Arbeitszeiten ermöglichen, Homeoffice oder das frühzeitige Verlassen des Büros für den Kindergeburtstag. Und zwar gezielt den Vätern, damit die Kinder und Haushalt als gleichberechtigte Verantwortung begreifen. Die Analysegesellschaft Humanyze schreibt Vätern sogar vor, nach der Geburt Elternzeit zu nehmen, um das Stereotyp aufzubrechen, das sei Sache der Frau.

Auch können Firmen Netzwerke mit aufbauen, die Eltern helfen, Kinder und Haushalt zu bewältigen. Gerade bei Notfällen wie Krankheit.

Werden sich die Männer ändern? Die Studie gibt Hoffnung. Männliche Millennials wollen sich mehr reinhängen. Während sich Frauen ab 45 zweieinhalbmal so häufig um den Haushalt kümmern müssten wie der Partner, ist das bei unter 35-Jährigen nur noch eineinhalbmal der Fall.

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Quelle:
SZ vom 17.05.2019
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