Bertelsmann-Patron Reinhard Mohn:Ein gewaltiges Vermächtnis

Der Bertelsmann-Konzern verliert seine Vaterfigur Reinhard Mohn, und das mitten in einer der größten Krisen. Mohns Vermächtnis wiegt schwer - wird es nach seinem Tod erhalten?

Caspar Busse

Es war ein Ritual: Auf einem der weißen Tische in der Kantine der Bertelsmann-Zentrale in Gütersloh stand immer ein kleines Schild. "Reserviert ab 13 Uhr", war darauf zu lesen. Wenn Reinhard Mohn im Haus war - und das war er bis vor nicht allzu langer Zeit regelmäßig - , kam der Patriarch pünktlich zusammen mit einer Assistentin und ein, zwei Vertrauten zum Mittagessen.

Mohn war präsent, auch wenn die Mitarbeiter in der Kantine kaum Notiz von ihm nahmen und ohnehin das ungeschriebene Gesetz galt, dass man den alten Herrn beim Mittagessen nicht behelligen oder gar in ein längeres Gespräch verwickeln sollte.

Jetzt ist Mohn nicht mehr da: An diesem Samstag starb der legendäre Firmengründer, der laut Manager Magazin zu den 20 reichsten Deutschen gehörte, mit 88 Jahren in seinem Haus in Steinhagen in der Nähe von Gütersloh.

Bertelsmann sei in tiefer Trauer, teilte Konzernchef Hartmut Ostrowski am Sonntag mit. Das Vermächtnis wiegt schwer. Wird es nach dem Tode Mohns erhalten?

Der Konzern war Mohns Leben - und bis zuletzt mischte er mit, sprach mit Mitarbeitern, ließ sich über alle Geschäfte informieren. Er musste auch mit ansehen, wie Bertelsmann, eines der größten Medienunternehmen der Welt, im Angesicht der Wirtschaftskrise tief in Schwierigkeiten geriet.

Überall wird gespart

Das Wachstum stockt, das Zeitungs- und Zeitschriftengeschäft beim Hamburger Verlag Gruner + Jahr leidet heftig. Die RTL-Gruppe, lange der wichtigste Gewinnbringer, bekommt die Wirtschaftskrise ebenfalls zu spüren - genau wie viele andere Unternehmensbereiche. Im ersten Halbjahr machte Bertelsmann einen Verlust von 333 Millionen Euro. Überall wird kräftig gespart. Gerade musste Ostrowski verkünden lassen, dass dem auch in der Zentrale 130 Stellen zum Opfer fallen.

"Mohn war eine wahre Identifikationsfigur", heißt es im Konzern. Die wird fehlen - gerade in den schwierigen Zeiten der großen Umbrüche und bei der Suche nach der Strategie. Mohns Einfluss war bis zuletzt da. "Auch wenn er gegenüber dem Konzernvorstand immer zurückhaltend agierte, so wurde doch keine der grundlegenden Entscheidungen der vergangenen Jahre ohne seinen Rat und seine Zustimmung gefällt", schreibt Ostrowski in einem internen Brief an die Mitarbeiter zum Tode Mohns. Und er versichert zugleich, er werde nicht an der Unternehmenskultur ("das größte Vermächtnis") rütteln.

Geregelt hatte Mohn alles bereits vor längerem. "Kontinuität war für ihn sehr wichtig", heißt es. Die Familie Mohn wird seit geraumer Zeit durch seine Frau Liz vertreten - intern und extern. Die Tochter Brigitte spielt eine immer wichtigere Rolle und bereitet sich offenbar darauf vor, irgendwann die Rolle der Sprecherin der Familie von ihrer Mutter zu übernehmen.

Das ließ Reinhard Mohn auch in seinem 2008 erschienenen Buch "Von der Welt lernen" durchblicken: Er lobt ausdrücklich die "zielgerichtete und verantwortungsvolle Art" der Tochter. Vor allem auf sie kommt es in Zukunft an. Sie muss den neuen Kurs in Gütersloh bestimmen.

Im operativen Geschäft war der alte Mohn schon fast 30 Jahren nicht mehr tätig. Zuletzt war er vor allem noch Mitglied der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft. Wer ihm hier folgen wird, ist noch nicht bekannt. Aber auch das dürfte Mohn geregelt haben, genau wie die Zukunft von Bertelsmann.

Eine gewaltige Hypothek

1971 hatte Mohn das Familienunternehmen in eine Aktiengesellschaft um gewandelt. 1977 gründete er die Bertelsmann Stiftung. 1993 ließ Mohn dann die Mehrheit des Aktienkapitals der Bertelsmann AG auf die Stiftung übertragen, die heute mit 76,9 Prozent größter Aktionär ist. Die übrigen Anteile gehören der Familie, wobei offen ist, wie diese intern aufgeteilt sind.

Die Stimmrechte in der Hauptversammlung der Bertelsmann AG liegen zu 100 Prozent bei der Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG), die mit Familienmitgliedern und Managern besetzt ist. In Gütersloh sieht man diese Trennung von Kapital und Stimme als "frühzeitige Vorkehrung für die Kontinuität und Unabhängigkeit des Unternehmens". Zum Übernahmekandidat dürfte der Konzern mit mehr als 100.000 Beschäftigten in 50 Ländern nach dem Tode Mohns also nicht so schnell werden.

Düstere Perspektiven

Mohn hinterlässt aber auch eine gewaltige Hypothek. Er ließ Bertelsmann vor drei Jahren vom belgischen Investor Albert Frère 25,1 Prozent der Anteile zurückkaufen. Die Familie verhinderte damit einen Börsengang des Konzerns und sicherte ihren vollen Einfluss. Doch der Konzern musste auch die gewaltige Summe von 4,5 Milliarden Euro an Frère zahlen und leidet seitdem unter hohen Schulden.

Der Spielraum von Konzernchef Ostrowski und Finanzchef Thomas Rabe ist damit ziemlich begrenzt. Ostrowski hat bei seinem Amtsantritt Anfang 2008 den Mohns Wachstum versprochen. Doch die Konjunktur lahmt, und Ostrowski muss sanieren. So verkaufte er das Musikgeschäft und einen Teil der Buchklub-Aktivitäten, mit denen Reinhard Mohn einst den Konzern groß gemacht hat. Dass das deutsche Klub-Geschäft bisher verschont blieb, schreiben manche auch dem Einfluss Mohns zu.

Die Perspektiven sind düster: Für das Gesamtjahr 2009 schließt Ostrowski einen Verlust nicht aus, dann würde es möglicherweise auch keine Dividende für die Stiftung und die Familie geben. Gleichzeitig läuft das größte Sparprogramm der Geschichte. Viele im Konzern fürchten, dass Ostrowski sich künftig auf die lukrative Dienstleistungsbereiche konzentrieren würde - und das Mediengeschäft vernachlässigt.

Doch der gebürtige Bielefelder, der das Vertrauen der Mohns hat, wies da zurück. Schwierig ist die Lage bei Europas größtem Zeitschriftenverlag Gruner + Jahr, der zum Beispiel Brigitte, Stern und Geo verlegt und am Spiegel beteiligt ist. "Es geht uns nicht gut", räumte der neue Gruner + Jahr-Chef Bernd Buchholz jüngst ein.

Seit Monaten schon kursieren Gerüchte, der Verlag werde verkauft. Doch das wurde in Gütersloh bisher energisch dementiert.

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