Süddeutsche Zeitung

Bertelsmann-Chef Ostrowski:"Starke Medienmarken geben den Menschen Orientierung"

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Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski über den Erfolg von Thilo Sarrazin, die Zukunft der Zeitung - und die Frage, wie man im Internet Geld verdient.

Marc Beise und Michael Hirz

Hartmut Ostrowski, 52, ist ein einflussreicher Mann, könnte man meinen. Seit 2008 steht er an der Spitze des Medienkonzerns Bertelsmann. Zum Unternehmen gehören etwa der Zeitungsverlag Gruner + Jahr und die RTL-Gruppe. Doch wie viel Handlungsspielraum gesteht Verlagserbin Liz Mohn einem Vorstandsvorsitzenden beim Familienunternehmen Bertelsmann tatsächlich zu? Eine ganze Menge, versichert Ostrowski.

Frage: Herr Ostrowski, das vergangene Jahr war bitter für die Medienbranche, Bertelsmann konnte rote Zahlen nur knapp vermeiden. In diesem Jahr werden Sie wieder mehr als 500 Millionen Euro Gewinn einfahren. Wie kommt der schnelle Umschwung?

Ostrowski: 2009 war für alle ein schwieriges Jahr. Wir haben ein umfassendes Programm erarbeitet, um die Kosten im ganzen Konzern zu senken. Dazu kam dann die anziehende Konjunktur, das Werbegeschäft ist zurückgekommen, beides hat den Effekt unserer Maßnahmen verstärkt. Deswegen sieht es jetzt wieder ganz gut aus.

Frage: Gutes Management, Kostenprogramm - aus dem Mund eines Betriebswirts klingt das immer so harmlos. Sie haben brutal gespart. Mehr, als es bei Bertelsmann früher üblich war.

Ostrowski: Einen Einbruch wie diesen hatte es in der Medienbranche in den vergangenen 50 Jahren nicht gegeben. Deswegen mussten wir, wie viele andere, konsequent sparen. Das hat schnell Wirkung gezeigt, aber wir haben 4000 Mitarbeiter verloren - das ist natürlich bitter. Ich betrachte das aber auch unter dem Aspekt, dass die Jobs der verbliebenen Beschäftigten dadurch sicherer geworden sind.

Frage: Reinhard Mohn, der verstorbene langjährige Firmenchef, war immer besonders stolz auf den respektvollen Umgang mit seinen Mitarbeitern. Dann kommen Sie und entlassen kaum ein Jahr nach Amtsantritt 4000 Leute. Ziemlich schwer zu vermitteln im Unternehmen.

Ostrowski: Das ist schwer zu vermitteln. Wir haben das partnerschaftlich gelöst. Unser Maßnahmenpaket bestand ja auch nicht nur aus Personalmaßnahmen. Wir haben Material eingespart, das Programm kostengünstiger gemacht. Vielleicht haben wir mal die eine oder andere Wiederholung mehr gezeigt. Die Einsparungen beim Personal betrugen nur 15 Prozent der Gesamteinsparungen.

Frage: Trotzdem waren sie für die Journalisten im Konzern schwer zu ertragen.

Ostrowski: Die Journalisten sind uns wichtig. Man muss aber sagen, dass die Digitalisierung der Medien die Rahmenbedingungen des Journalismus verändert hat. Da muss man die Arbeitsprozesse entsprechend anpassen, und das haben wir auch von unseren Journalisten verlangt.

Frage: Die Digitalisierung verändert auch die Mediennutzung der Menschen. Glauben Sie an die Zukunft der Zeitung?

Ostrowski: Ich bin überzeugt, dass starke Medienmarken überleben werden. Marken werden den Menschen Orientierung geben in der riesigen Datenmenge im Internet. Diese Marken werden auch mobil auf neuen Geräten genutzt werden. Ob wir dann noch Tageszeitungen haben, die an jedem Tag erscheinen, das weiß ich nicht. Auch nicht, ob das dann überhaupt noch Zeitung heißt. Aber wenn man gute Inhalte bringt, die man interessant und einzigartig gestaltet, dann wird man gute Geschäfte damit machen, dann werden die Menschen diese Medien begeistert nutzen und dann wird Qualitätsjournalismus eine gute Zukunft haben.

Frage: Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Ihre Strategie aus?

Ostrowski: Wir treiben diese Entwicklung in allen Bereichen voran. Sie können heute Fernsehsendungen von RTL auch im Internet sehen, Sie können mehr als 20 000 Titel von Random House auch als E-Book kaufen, und Sie können Zeitschriften von Gruner + Jahr auf dem iPad lesen. Wir versuchen also, die großen Marken, die wir haben, vernünftig weiterzuentwickeln und in die digitale Welt zu führen. Die neuen Lesegeräte und das mobile Internet verschaffen Medienunternehmen Möglichkeiten, anzugreifen und sich zu entwickeln. Natürlich ist das eine Herausforderung. Viele fürchten etwa, dass die Wertschöpfung geringer wird, weil Druck und Versand wegfallen. Aber es ist auch eine große Chance.

Frage: Random House ist die größte Buchgruppe der Welt. Ist das Buch noch das Medium, auf das Sie setzen?

Ostrowski: Ich bin sicher, dass es auch in vielen Jahren noch gedruckte Bücher geben wird. Durch die neuen Geräte gibt es zudem viele Möglichkeiten für neue digitale Formate. Die neuesten Titel, die wir jetzt gerade in den USA auf den Markt bringen, haben teilweise schon einen E-Book-Anteil von 25 Prozent.

Frage: Aber die Autoren könnten sich durch die neuen technischen Möglichkeiten von Verlagen unabhängig machen.

Ostrowski: Das Verlagsgeschäft besteht nicht nur aus Druck und Vertrieb. Bei den meisten Titeln ist es so, dass unsere Verleger und Lektoren intensiv mit den Autoren am Buch arbeiten. Auch das Marketing spielt eine Rolle. Es hat auch in der Vergangenheit immer wieder Versuche gegeben, Bücher selbst zu verlegen, das war in der Breite nicht sehr erfolgreich. Die Konzentration auf die großen Marken wird auch bei den neuen Medien eher zunehmen.

Frage: Die Frage ist aber, wie man im Internet Geld verdient. Die meisten Zeitungen stellen ihre Inhalte nach wie vor kostenlos im Netz zur Verfügung.

Ostrowski: Jetzt, da das Internet mobil wird, haben die Medienunternehmen die Chance, diesen Fehler zu korrigieren. Wir müssen aber unsere Inhalte so anpassen, dass die Menschen auch bereit sind, dafür zu bezahlen. Zudem muss der Bezahlvorgang im Netz einfacher werden. Bislang ist das alles noch viel zu kompliziert.

Frage: In Ihrem Konzern ist auch das erfolgreichste Sachbuch des Jahres erschienen, das von Thilo Sarrazin. Wissen Sie ,wie viele Bücher bisher verkauft worden sind?

Ostrowski: Wir liegen jetzt bei gut einer Million. Es ist nicht nur das erfolgreichste Sachbuch des Jahres, sondern zumindest des Jahrzehnts. Das Buch hatte offensichtlich seine Berechtigung, sonst wäre es ja nicht so oft gekauft worden.

Frage: Es ist Ihnen nicht peinlich, dass das Buch in Ihrem Hause erscheint?

Ostrowski: Nein, überhaupt nicht. Ich habe das Buch gelesen. Es ist ein Aufruf zu einer gesellschaftlichen Diskussion. Es ist viel wissenschaftlicher, als man gemeinhin annimmt. Ob ich jetzt mit allem, was in dem Buch steht und mit allem, was darüber gesagt wird, einverstanden bin? Nein. Aber ich bin froh, dass ein Verlag aus dem Haus Bertelsmann eine gesellschaftliche Diskussion unterstützt hat. Dieses Buch wird in die Geschichte eingehen, da bin ich sicher.

Das komplette Interview ist an diesem Sonntag, 28. November, 13.00 Uhr und 22.30 Uhr, beim Fernsehsender Phoenix zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 27.11.2010
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