Der italienische Medienkonzern MFE will seine Beteiligung an ProSiebenSat.1 aufstocken und bei dem bayerischen Fernseh-Unternehmen damit durchregieren. Das von der Familie des ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi dominierte italienische Unternehmen hält bereits 29,99 Prozent an ProSiebenSat.1 – und kündigte nun ein offizielles Übernahmeangebot an. „Es ist an der Zeit, einen Gang höher zu schalten“, sagte MFE-Chef Pier Silvio Berlusconi, der Sohn des vor zwei Jahren verstorbenen Politikers und Medienunternehmers.
Pro Sieben Sat 1 brauche „einen starken Aktionär“. Es gehe darum, Werte zu schaffen, „bevor es zu spät ist“, heißt es von MFE. Das Münchner Medienunternehmen wiederum erklärte, Vorstand und Aufsichtsrat würden das Angebot sorgfältig prüfen. Bis es vorliegt, kann es aber noch einige Wochen dauern. Bis zur Hauptversammlung am 28. Mai muss das Unternehmen zudem einen neuen Aufsichtsratschef finden. Zudem dürfte sich klären, ob der Vertrag von Pro-Sieben-Sat-1-Chef Bert Habets verlängert wird – und ob der Niederländer unter der neuen Konstellation überhaupt weitermachen will.
„Das ist völlig unattraktiv, wer soll das annehmen?“
Die Offerte, die die Italiener den Anteilseignern bieten, dürfte unter dem derzeitigen Aktienkurs von um die 6,50 Euro liegen. Seit Ende Dezember schwankt die Pro-Sieben-Aktie zwischen knapp über fünf Euro und 6,80 Euro. MFE will dem Vernehmen nach den Durchschnittspreis der vergangenen drei Monate zahlen. 78 Prozent davon sollen die Aktionäre in bar erhalten, 22 Prozent in Aktien.
Aktionärsvertreter äußern sich skeptisch zum Übernahmeangebot. „Das ist völlig unattraktiv, wer soll das annehmen?“, sagte Vizepräsidentin Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Der Vorstandsvorsitzende der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) sagte, die Offerte scheine nur dazu zu dienen, das gesetzliche Pflichtangebot bei Überschreiten der wichtigen 30-Prozent-Grenze erfüllen zu können. „Ich gehe nicht davon aus, dass MFE hier viel einsammeln wird können“, sagte Daniel Bauer. „Das ist ein rein taktisches Manöver, um zukünftig am Markt zukaufen zu können.“
Auch DSW-Expertin Bergdolt geht davon aus, dass die Italiener später versuchen, am Markt mehr Aktien zuzukaufen. „Langfristig gibt es die Vermutung, dass sie Pro Sieben Sat 1 vielleicht von der Börse nehmen.“ Bergdolt rechnet nicht damit, dass die bayerische Landesregierung eingreift. „Die Politik wird nicht intervenieren, die werden das akzeptieren.“
Seit dem Einstieg von MFE im Jahr 2019 hat sich der Wert der Pro-Sieben-Aktie in etwa halbiert. Als jetzt die Offerte aus Italien bekannt wurde, stieg der Kurs zunächst; als die geplanten Konditionen publik wurden, fiel er dann wieder deutlich ab. Am Donnerstag verzeichnete das Papier an der Börse einen Verlust von deutlich mehr als zehn Prozent.
Die Berlusconi-Holding verfolgt schon lange das Ziel eines länderübergreifenden europäischen Fernsehkonzerns und würde Pro Sieben Sat 1 dort gern integrieren. Neben Italien ist sie auch in Spanien aktiv. Als Aktionär treiben die Italiener die Führung von Pro Sieben Sat 1 über ihren Einfluss im Aufsichtsrat seit Jahren vor sich her. Sie drängten etwa darauf, sich von Randgeschäften zu trennen, um Geld in die Kasse zu bekommen. So wurde Anfang der Woche das Vergleichsportal Verivox an ein italienisches Unternehmen veräußert. Die Online-Parfümerie Flaconi steht noch zum Verkauf.