Süddeutsche Zeitung

Berlusconi:Die Mediendiktatur von Mailand

Regierungschef Silvio Berlusconi besitzt Italiens Privatfernsehen und lenkt die RAI. Unangenehmes wird nicht mehr gesendet.

Birgit Schönau und Ulrike Sauer

(SZ vom 27.03.02) - Kein anderer Medienmagnat versteht seine Fernsehsender und Printmedien so geschickt für politische Ziele einzusetzen wie Silvio Berlusconi. Sein Engagement in Kirchs Gruppe könnte für dessen deutschen Sender ein stärkeres politisches Profil bedeuten, zumal im Wahlkampf.

In Rom macht man sich schon jetzt große Hoffnungen auf einen Wahlsieg Stoibers. "Wenn Edmund Stoiber Bundeskanzler wird, könnte er die Präsenz Berlusconis in Deutschland mit Wohlgefallen sehen", schrieb die linke römische Tageszeitung La Repubblica.

Außenpolitische Folgen

Natürlich ist sich Berlusconi, der Italien derzeit auch als Außenminister vertritt, darüber bewusst, welche außenpolitischen Folgen der Ausbau der Kirch-Anteile haben könnte. Ein Einstieg liegt seit Monaten in der Luft; schon im Januar traf der Italiener seinen alten Geschäftsfreund Rupert Murdoch auf Sardinien.

In Italien kontrolliert Berlusconi neben seinen eigenen drei Sendern Italia 1, Rete Quattro und Canale 5 inzwischen auch die staatliche Radiotelevisone Italiana (RAI), deren Führungsspitze im Februar ausgetauscht wurde. Neuer RAI-Präsident ist der frühere Verfassungsrichter Antonio Baldassare, ein Mann der Rechten. Noch ist der angekündigte Austausch sämtlicher RAI-Programmdirektoren und Nachrichten-Chefredakteure nicht vollzogen, doch woher der Wind weht, ist schon spürbar.

Omnipräsenz in der Innenpolitik

Unbeirrt von den sozialen Umwälzungen im Land behandeln die Newssendungen und Talkshows lieber Familientragödien. Berichte aus dem Ausland spielen kaum mehr eine Rolle, in der Innenpolitik ist Berlusconi omnipräsent. Denn das ist der zweite Bestandteil des Systems Berlusconi: Flagge zeigen auf allen Kanälen. Nicht von ungefähr wollte der Regierungschef das Staatsbegräbnis für den ermordeten Arbeitsrechtler Marco Biagi auf den vergangenen Samstag anberaumen - fast zeitgleich mit einer der größten Gewerkschaftsdemonstrationen aller Zeiten. Die Witwe lehnte den Staatsakt und die TV-Übertragung ab, die Gewerkschaft hatte das Feld für sich allein. Jedenfalls in der RAI. Berlusconis Sender spielten das Ereignis und die Zahl der Teilnehmer herunter.

Das unabhängige Forschungsinstitut Osservatorio di Pavia ermittelte kürzlich, dass in den ersten sechs Monaten der Regierung Berlusconi der Ministerpräsident volle 388 Nachrichtenminuten in der RAI zu sehen war, Oppositionsführer Rutelli hingegen nur 155 Minuten. In den Mediaset-Nachrichten betrug das Verhältnis sogar 675 zu 39 Minuten.

Vertrag wird nicht verlängert

Kritiker sind weitgehend verstummt. Berlusconi hat zwei seiner Fernsehgrößen als Abgeordnete ins Parlament gehievt. Zudem publiziert mancher TV-Journalist überdies in den Buchverlagen des Premiers. Wer es wagt, den Großen Kommunikator unbeirrt anzugreifen, wie der Nestor des italienischen Fernsehjournalismus, Enzo Biagi, 82, in seiner täglichen Zehn-Minuten-Rubrik "Il Fatto", der weiß, dass sein Vertrag nicht verlängert wird. Berlusconi ist davon überzeugt, dass Journalisten wie Biagi ihn bei den letzten Wahlen um 17 Prozentpunkte der Stimmen gebracht hätten - und das soll nicht wieder vorkommen.

Über die Krise bei Kirch und die Übernahmeinteressen Berlusconis verloren die italienischen Fernsehsender kein Wort. Dabei ist Kirch in Italien kein Unbekannter. Vor acht Jahren sprang er seinem Freund Berlusconi als Retter zur Seite. Damals wankte das von Millionenverlusten geschwächte Mailänder Medienimperium unter einer Schuldenlast. Der Einstieg von Kirch, Murdoch und dem saudischen Prinzen Al Waleed verschaffte Berlusconi Luft.

Inzwischen steht der Medienpatron und reichste Mann Italiens blendend da. Sein TV-Konzern Mediaset, an dem die Familienholding Fininvest mit 48 Prozent die Kontrollmehrheit hält und der von seinem Sohn Piersilvio geführt wird, hat sich in einen Goldesel verwandelt. 65 Prozent der Werbeinvestitionen im italienischen Fernsehen gingen 2001 auf das Konto seiner drei landesweiten Sender. Die Gewinne sprudelten weiter, wenn auch nicht mehr ganz so üppig wie vorher. Analysten rechnen mit einem Rückgang des Nettoergebnisses um knapp 15 Prozent auf knapp 360 Millionen Euro.

Im Ausland weniger erfolgreich

Im Ausland ist der Italiener weniger erfolgreich. Nur in Spanien fasste er Fuß, Mediaset hält 40 Prozent am hoch profitablen Privatsender Telecinco. Am Dienstag blieben Mailands Börsianer recht unbeeindruckt vom deutschen Übernahme-Szenario. "Der Markt scheint zu glauben, dass Mediaset sich nicht gleichzeitig an der spanischen und an der deutschen Front engagieren wird", so ein Händler.

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