Es ist ein eisiger Tag auch draußen in Schönefeld am Stadtrand von Berlin. Aber die Sonne scheint gleißend hell in den Gang am Pier Süd des neuen Flughafens der Hauptstadt, der seit Jahren nicht fertig werden will. "Das Wetter ist wunderbar", sagt Engelbert Lütke Daldrup, der Geschäftsführer des BER, "und das passt ein bisschen zum Anlass." Am Freitag wird der Aufsichtsrat des Flughafens tagen, man wird über zusätzliche Kosten reden müssen, die durch die ständigen Verzögerungen entstehen. Zwei Tage vorher lädt der Chef des heiklen Projekts zum Presserundgang, erstmals seit mehr als einem Jahr.
Lütke Daldrup präsentiert ein Stück Flughafen, das, wie er grinsend erklärt, "nicht nur fertig aussieht", sondern "tatsächlich fertig" ist und baurechtlich genehmigt, und sofort genutzt werden könnte. Es ist eine feinsinnige Unterscheidung: Denn fertig ausgesehen hat dieser Flughafen in Schönefeld schon lange, immer wieder mal. Es sah oft aus, als könnte es an diesem Flughafen am nächsten Tag los gehen - außer an Stellen, wo gerade wegen weiterer neu entdeckter Baumängel die Decken geöffnet waren. Schön und fertig sah vieles schon aus, als 2012 die große Eröffnung-Sause 2012 abgesagt werden musste: Abfertigungsschalter aus feinem Holz, elegante Kunst am Bau - alles war da. Aber man bekam den Brandschutz nicht in den Griff.
Jahr um Jahr verging seither. Zuletzt wurde die Eröffnung für Ende 2017 abgeblasen, die Kosten steigen immer weiter, nun soll es im Oktober 2020 losgehen. Der Pier Süd ist einer von zwei Seitenflügeln des Flughafens, ein gewaltiger Komplex von fast 400 Metern Länge. Bis zu sechs Millionen Passagiere sollen hier über neun Fluggastbrücken abgefertigt werden können. Der Wartebereich ist in schönem dunklen Holz eingerichtet. "Die Bauleute sind komplett raus", sagt Lütke Daldrup, "sie haben auch keinen Schlüssel mehr." Nun werde gewartet, bis der ganze BER im Jahr 2020 starte.
Immerhin 39 von 40 Gebäuden an diesem Flughafen seien fertig, sagt er, "dies ist die Nummer 39". Die 40 allerdings ist das zentrale und bei weitem größte Gebäude: das Fluggastterminal, der eigentliche BER. Ohne dieses Kernstück geht nichts. Dort ringen die Bauleute weiter mit dem Planungschaos, weil hier vor Jahren unendlich viele Fehler gemacht wurden. Jede Lösung wird der Baustelle abgerungen.
Sanierungsaufwand doppelt so hoch wie der Aufwand für den Originalbau
Lütke Daldrup will nun Hoffnung aus den Erfahrungen mit dem fertigen Pier Süd ziehen. Der sei im Grunde ein "kleines Fluggastterminal", sagt er, "ein Referenzprojekt" - es ließe sich einiges übertragen.
Er führt ins Fluggastterminal, seinen Problem-BER, und weist auf die "lichte, transparente Anmutung" hin. "Man hat es hier, Gott sei Dank, mit einer sehr zeitlosen Architektur zu tun, die nicht in die Jahre kommen wird." Klar, sie wäre ja sonst zur Eröffnung überholt.
Hier im Hauptgebäude sind viele Deckenklappen offen, die großen schwarzen Gitter hängen in langen Reihen herab. Dort würden Prüfprozesse vollzogen, auch Mängel beseitigt, sagt der Flughafenchef. Bis ins nächste Jahr hinein werde das noch so gehen. Er nennt es Kladderadatsch. Der Sanierungsaufwand sei dort doppelt so hoch wie der Aufwand für den Originalbau.
"Man wollte hier seit 2012 Geld verdienen"
Immer noch geht es um Details im Brandschutz, die Sprinkleranlage, auch die Steuerung hoch komplizierter Anlagen. Alles sei mühsam und kleinteilig. Lütke Daldrup versichert, dass die Flughafengesellschaft FBB diesmal, anders als früher, ausreichend Puffer auch für Unvorhergesehenes eingeplant habe. "Viele Kollegen haben Stunden und Tage ihres Lebens in Risiko-Workshops verbracht. Wir haben die Dinge durchgeknetet, so weit man das durchkneten kann." Der Termin sei sicher.
Er plant längst die wegen der gestiegenen Fluggastzahlen nötigen Erweiterungen. Und weiß schon, dass er den Umzug vom Flughafen Tegel in zwei Schüben vollziehen will, etwa im Abstand von 14 Tagen. Bis dahin bittet er um Geduld: "Wir müssen auch die nächsten zweieinhalb Jahre Ihre Nerven strapazieren."
Für den Weg dahin wird er Geld organisieren müssen. Bisher sollten die reinen Baukosten des BER, ohne die für die Zukunft geplanten ehrgeizigen Erweiterungen, bei 5,3 Milliarden Euro liegen. Ein beachtlicher Teil davon, mehr als 700 Millionen, dient dem Lärmschutz für Anwohner. Zu diesen Baukosten kamen freilich seit 2009 die Aufwendungen für Kredite, allein im letzten Jahr waren das laut Lütke Daldrup 140 Millionen Euro.
Die Gesellschafter des BER haben keine Lust auf weitere Finanzspritzen
Nun wird der Bau durch die Verzögerungen noch mal teurer. Die Flughafengesellschaft geht von bis zu 770 Millionen Euro zusätzlich aus. Nur ein Teil sind zusätzliche Baukosten, der Rest Einnahmeausfälle, die kompensiert werden müssen, weil der BER nicht in Betrieb ging. "Man wollte hier seit 2012 Geld verdienen", sagt der BER-Chef. "Statt dessen geben wir seit fünf Jahren Geld aus und müssen das bis 2020 weiter tun."
Der neue Finanzbedarf könnte durch ein Mietkauf-Modell für das zusätzliche Terminal T2 auf 500 Millionen Euro gesenkt werden. Die Gesellschafter des Flughafens - die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund - lehnen aber weitere Finanzspritzen erst mal ab. "Wir werden versuchen, große Teile vom Kapitalmarkt zu erhalten", sagt Lütke Daldrup. "Das wird nicht leicht." Im Mai soll das Finanzierungskonzept stehen.