Süddeutsche Zeitung

Berliner Flughafen:Für einen Abriss des BER ist es zu spät

  • Über einen Abriss und Neubau des BER wird des Öfteren diskutiert.
  • Doch angesichts der Kosten und der Zeit, die das in Anspruch nehmen würde, erscheint die Option denkbar unwahrscheinlich.
  • Stattdessen wird eine andere Variante durchgespielt. Eine Eröffnung ohne das unfertige Fluggastterminal FGT.

Von Jens Schneider, Berlin

Ist es nicht manchmal besser, alles abzureißen und neu anzufangen? In Berlin hält man viel darauf, dass in der Hauptstadt gern grundsätzlich alles infrage gestellt wird. Man könne ja nicht immer auf die gleiche Art weitermachen. Nun haben die Berliner seit Jahren ein Riesen-Problem, bei dem es dem Anschein nach immer auf die gleiche Art weitergeht: den Hauptstadtflughafen BER. 2012 musste wegen gravierender Mängel die Inbetriebnahme abgesagt und danach immer wieder verschoben werden - neuester Stand : Es soll im Oktober 2020 so weit sein. Und wenn nicht?

Darüber, das fällt auf, will man lieber nicht reden, seit Langem schon. Gerade ist eine Einschätzung von Thorsten Dirks, Vorstand der Lufthansa, bekannt geworden, der in vertrauter Runde erklärt haben soll, dass der BER sowieso abgerissen und neu gebaut werde. "Unsinn", antwortet der Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup. Was aber wäre, wenn nicht?

Für so ein Gedankenspiel muss man sich die Situation in Schönefeld klarmachen: Wer den BER besucht, sieht dort keine Baustelle. 39 von 40 Gebäuden sind fertig, darunter die beiden Seitenterminals und ein eindrucksvoller Tower, der bereits seit Langem genutzt wird für den alten Schönefelder Flughafen. Unfertig ist allein das - allerdings zentrale - Fluggastterminal FGT, in das schon fast drei Milliarden Euro geflossen sind.

Wenn unter Kennern der Baustelle über einen Neustart für den BER spekuliert wird, geht es nie darum, alles niederzureißen und vielleicht Gras über die Baustelle wachsen zu lassen, die am Ende mehr als sechs Milliarden Euro kosten soll. Das erscheint grotesk angesichts der Kosten und der Zeit, die ein Neuanfang anderswo erfordern würde - viele Jahre allein bis zu einer Baugenehmigung. Also kann es allein um den Umgang mit dem Fluggastterminal FGT gehen. Eine Option könnte sein, das riesige Gebäude samt der zu komplizierten Technik zu entkernen und neu zu füllen - eine extrem kostspielige Geschichte.

Als möglicher Plan B wird vielmehr eine andere Option gehandelt: Der BER könnte auf sein schickes FGT zunächst verzichten und rundherum einen schlichten Flughafen aus schnell errichteten Leichtbauterminals entstehen lassen, inklusive der bereits funktionstüchtigen Gebäude. Dazu würde das einfach geplante neue Terminal T1E passen, das wegen der gestiegenen Passagierzahlen bereits jetzt am BER entstehen soll. Über eine solche Teileröffnung hatte vor Jahren schon der damalige Flughafenchef Hartmut Mehdorn spekuliert, sie wurde verworfen.

Man ist so weit wie nie zuvor

Und auch heute gilt dieser Plan B als höchst problematisch. Mehdorns Nachfolger Lütke Daldrup sieht darin keine Option. Denn in der bisherigen Planung ist alles auf das Fluggastterminal zugeschnitten, bis hin zum Bahnhof des BER, der unter dem FGT liegt. Die nötigen Umbauten müssten, wenn sie denn möglich sind, erst mal genehmigt werden. Das würde Zeit und viel Geld kosten. Auch würden dem Flughafen ohne das FGT enorme Kapazitäten fehlen, die mittelfristig nicht durch den Bau weiterer Leichtbauterminals zu kompensieren wären.

Nach der ersten Absage im Jahr 2012 hätte man über einen kompletten Neustart nachdenken sollen, sagte Lütke Daldrup kürzlich. Nun aber sei man weit fortgeschritten. Weil die Mängel unterschätzt wurden, ging man am BER den kostspieligen Weg, das FGT komplett zu sanieren. Heute könnte man fast sagen, dass es den Neubau längst gibt, nämlich im Bestand: Am FGT gibt es kaum einen Winkel, wo nicht umgekrempelt, ergänzt oder alles verändert wurde. Die Entrauchungsanlage ist vollends umgebaut worden. Nun wird kaum noch repariert, bald sollen die Gutachter entscheiden. Man ist so weit wie nie zuvor. Aber das ist keine Garantie für die Eröffnung.

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SZ vom 20.03.2018/jps
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