Süddeutsche Zeitung

Bericht zur Bankenkrise:Zyprisches Kasino

Ein interner Revisionsbericht offenbart: Das Ende der Laiki-Bank ist auch das Ergebnis von Misswirtschaft und hoch riskanter Kreditgeschäfte. Im Zentrum der Vorwürfe steht der griechische Investor Andreas Vgenopoulos - der zeigt jedoch mit dem Finger auf andere.

Von Christiane Schlötzer und Tasos Telloglou, Athen

Ein Fußballstadion, in dem kein Ball rollt, Spielkasinos, die kein Glück bringen, Millionenkredite für einen TV-Sender, der nun pleite ist, und mehr seltsame Geldgeschäfte haben die zyprische Laiki-Bank ebenso an den Abgrund geführt wie Investitionen in griechische Staatspapiere, deren Wert sich in Luft aufgelöst hat. Athens Schulden als Ursache für das unrühmliche Ende der 112 Jahre alten Bank und damit für die tiefe zyprische Finanzkrise sind weithin bekannt. Von den riskanten Krediten - für griechische Kunden - ist dagegen wenig die Rede, obwohl sie bereits in einem internen Prüfbericht der Bank vom 11. Januar 2012 penibel aufgelistet sind.

Der Bericht der internen Revision, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, wurde erstellt, als sich die Laiki-Bank schon in Schieflage befand. 2012 musste das Geldhaus zu 84 Prozent vom Staat übernommen werden. Der "strikt vertrauliche" Bericht war für die Bankspitze bestimmt. Damit müsste ihn auch der inzwischen als Finanzminister zurückgetretene Michalis Sarris gekannt haben, der bei Laiki die Aufsicht führte.

Einer der größten Kreditnehmer der Bank, die bis November 2011 Marfin Laiki Bank hieß, war die MIG Capital Raising. MIG steht für Marfin Investment Group. Der Mann, der MIG schuf, heißt Andreas Vgenopoulos. Der griechische Tycoon investierte viel, in die Fluglinie Olympic Air wie in den Lebensmittel-Giganten Vivartia. 2010 fiel der Wert der MIG-Aktien um 1,8 Milliarden Euro. Mehr hatte noch keine Firma an der Athener Börse verloren. Danach machte in Athen der Witz die Runde, MIG stünde für "Money is Gone".

Vgenopoulos unterschrieb selbst

75 Prozent betrug der Verlust der Laiki aus den 511 Millionen Euro Kredit, die MIG 2007 erhalten hatte. Die Bank brachte 14 Prozent des MIG-Kapitals von 5,2 Milliarden Euro auf und akzeptierte als Sicherheit MIG-Aktien. Ein so großes Aktienpaket, so die Revision, hätte niemals "schnell genug" wieder verkauft werden können, selbst wenn die Bank sich rechtzeitig dazu entschlossen hätte, "was sie nicht getan hat". Verlust aus dem Geschäft: 384 Millionen Euro. Die Vergabe unterschrieb MIG-Chef Vgenopoulos selbst - als Chef des Kreditausschusses des griechischen Teils der Bank. "Daher trägt er die höchste Verantwortung für die Fehler und Unterlassungen", so der 32-seitige Bericht.

Ein weiterer Verlustbringer (IRF European Investment) hatte auch MIG-Aktien, zudem war Vgenopoulos ein wichtiger Aktionär. Verlust: 68 Millionen Euro. Bei einem Versicherungsunternehmer machten MIG-Papiere gut 80 Prozent des Depots aus. Verlust: 89 Millionen Euro.

Vgenopoulos, 59, einst Olympiateilnehmer im Fechten, wehrt sich. Er erinnert an "gute Profite" der Bank aus Krediten für MIG-Investoren und verweist auf einen Bericht der griechischen Zentralbank von 2009, die damals die Aufsicht über die griechischen Laiki-Branchen hatte. In dem Report, der auch der SZ vorliegt, heißt es: MIG-Aktien hätten als Garantien damals ausreichenden Wert gehabt. Die Kredite seien zudem so strukturiert gewesen, dass sie erst am Ende beglichen werden mussten. "Als die Aktien an Wert zu verlieren begannen, verlangten wir zusätzliches Kapital von der Bank, was auch passierte", erklärt ein Zentralbank-Mann.

Mit dem Transfer der Aufsicht nach Zypern wurde die Schieflage dann schlimmer. Die Kluft zwischen dem Wert der Kredite und dem der Aktien öffnete sich gefährlich. Vgenopoulos wiederum macht die ab November 2011 agierende neue Bankführung für Verluste verantwortlich. Die "staatlich gelenkte Verwaltung der Laiki führte zur Aktionen, die katastrophal für die Bank waren", schrieb sein Anwalt am 23. Januar 2013 an den zyprischen Generalstaatsanwalt, an Zyperns Präsidenten und den Zentralbankgouverneur. Vgenopoulos verweist auch auf Untersuchungen der Athener Börsenaufsicht und der Staatsanwaltschaft, die zu nichts führten.

Auch die Familie eines wichtigen Bankiers der griechischen Piraeus-Bank taucht in der Laiki-Liste mit einem Verlust von 107 Millionen Euro auf. Die Finanzierung einer Kapitalaufstockung der Piraeus-Bank sei zu einem Zeitpunkt - im Januar 2011 - gewährt worden, als der "Ausblick für die griechischen Banken" schon "äußerst negativ war", so die Revisoren. Ironie der Geschichte: Im Zug der Zypern-Krise hat die Piraeus-Bank jüngst für 524 Millionen Euro die griechischen Filialen der Laiki, der Bank of Cyprus und der Hellenic Bank übernommen. Die Brüsseler Euro-Retter hatten die Herauslösung aus den zyprischen Instituten verlangt, um den griechischen Bankensektor vor weiteren Katastrophen zu bewahren. Finanziert wird dies, wenn sich bis Ende des Monats keine privaten Investoren finden, aus Krediten von EU und IWF.

Die Bankenkrise hat in Zypern viele Sparer und Mittelständler enteignet

Die Verluste der Laiki allein aus den untersuchten Krediten betragen 1,3 Milliarden Euro - etwa ein Drittel der bekannten Gesamtverluste der Bank. Der Rest stammt aus griechischen Staatsanleihen, die einem radikalen Schuldenschnitt unterworfen wurden. Solche Papiere hatte auch die größte Insel-Bank, die Bank of Cyprus, im großen Stil gekauft, vom Sekundärmarkt, um damit zu spekulieren. Daten über die riskanten Geschäfte wurden, wie ein Prüfbericht von Alvarez & Marsal vom März 2013 ergab, inzwischen gelöscht.

Die zyprische Bankenkatastrophe hat viele Sparer und mittelständische Unternehmer enteignet. Zyperns Generalstaatsanwalt Petros Kleridis will alle Schuldigen zur Verantwortung ziehen. In dem Schwarze-Peter-Spiel, das nun beginnt, werden alle Trümpfe gezogen werden. So betont der interne Revisions-Bericht der Laiki, die Bankaufsicht in Zypern habe sich gegen die Vergabe der MIG-Kredite ausgesprochen. Dagegen habe die griechische Aufsicht lediglich Stress-Tests empfohlen.

Vgenopoulos zeigt auch mit dem Finger auf andere, auf einen Mann, der sich als Bösewicht empfiehlt: Slobodan Milosevic. Jahrelang hatte der serbische Autokrat, dessen Land einem UN-Embargo unterlag, nach 1998 Zolleinnahmen auf Laiki-Konten deponiert. Das Geld wurde in Säcken nach Zypern gebracht. Die Geldwäsche flog auf, nachdem ein norwegischer Experte im Auftrag der Jugoslawien-Chefanklägerin Carla Del Ponte die Konten durchleuchtete. Vgenopoulos hält sich zu Gute, die Leute bei der Bank, die bei dem Deal mitmachten, entfernt zu haben. Nun verlangt er, die alten Geschichten neu zu untersuchen.

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SZ vom 29.04.2013/kjan
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