Bericht zu Kosten der Bankenrettung:"Stupid German money" ohne Ende?

Die Rettung heimischer Banken kommt den deutschen Steuerzahler teurer zu stehen als die Bürger fast aller anderer Mitgliedsländer des Internationalen Währungsfonds. Dessen Bericht legt die Vermutung nahe, dass der hiesige Weg schlechter war als etwa der Ansatz der USA.

Von Andrea Rexer und Claus Hulverscheidt

Deutschland bezahlt im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viel Geld für die Rettung der heimischen Banken. Das geht aus einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) hervor. Demnach belasten die Hilfszahlungen an die Institute den deutschen Steuerzahler mit einer Summe von bis zu elf Prozent der Wirtschaftsleistung, das sind rund 290 Milliarden Euro. Nur in Griechenland und Irland kostet die Rettung der Finanzbranche den Steuerzahler gemessen an der Wirtschaftsleistung noch mehr.

Der IWF-Bericht legt die Vermutung nahe, dass die Herangehensweise der USA erfolgreicher war als der deutsche Weg der Bankenrettung. Während in den USA Banken zwangsrekapitalisiert und teilverstaatlicht wurden, schreckte die deutsche Politik 2008 und 2009 vor solch harten Maßnahmen zurück. Aus Sicht der damaligen großen Koalition hätte eine zwangsweise Verstaatlichung großer Kreditinstitute gegen grundlegende Regeln der Marktwirtschaft verstoßen. Zwar gab es intern mehrfach Überlegungen, ob es nicht doch sinnvoll wäre, dem US-Vorbild zu folgen. Zunächst setzten sich jedoch die Gegner, vor allem aus den Reihen der Union, durch.

Ähnliche Bedenken hatte das kapitalistische Amerika ganz offensichtlich nicht. Vielmehr lud die US-Regierung die Chefs der großen Banken seinerzeit nach Washington ein und zwang ihnen das Geld der Steuerzahler geradezu auf. Als Gegenwert erhielt der Staat Aktien der Unternehmen. Da niemand stigmatisiert werden sollte, mussten alle Großbanken die Hilfen annehmen. Die USA wollten das Problem schnell und radikal vom Tisch haben - und das gelang ihnen auch: Mittlerweile sind die Hilfszahlungen in voller Höhe zurückgeflossen, die US-Regierung machten durch den Verkauf ihrer Bankaktien sogar Gewinn.

In Deutschland war es genau anders herum: Weil sie nicht stigmatisiert werden wollten, lehnten es die Banken ab, sich freiwillig beim Rettungsfonds Soffin zu melden und Hilfe zu beantragen. Als sich das in Einzelfällen nicht mehr durchhalten ließ, beteiligte sich die Bundesregierung statt über Aktien über stille Einlagen - das schont vor allem die Aktionäre.

"Während andere Länder auf die Interessen der Steuerzahler achteten, hat Deutschland Gläubiger und Aktionäre geschützt", kritisierte Sven Giegold, finanzpolitischer Sprecher der Grünen im Europaparlament. Erst mit Fortschreiten der Finanzkrise traute sich die Bundesregierung auch ein härteres Eingreifen zu: Bei der Commerzbank stieg sie zu 25 Prozent mit Aktien ein, zusätzlich flossen rund 18 Milliarden Euro in Form von stillen Einlagen in die Bank. Die Hypo Real Estate (HRE) übernahm der Staat etwas später in höchster Not ganz, das Management wurde ausgewechselt.

Verzerrte Statistik

Während in den USA die Hilfsgelder vollständig zurückflossen, liegt die Rückzahlungsquote in Deutschland bisher bei gerade einmal 15 Prozent. Das hat allerdings auch einen statistischen Grund: Mehr als 90 Prozent jener Summe, die der IWF als Rettungskosten tituliert, bezieht sich auf die beiden "Bad Banks" - jene der HRE und jene der einstigen WestLB. Dabei werden jedoch nicht deren Verluste eingerechnet, sondern die vollen Bilanzsummen. Das verzerrt die Statistik erheblich, denn zu keinem Zeitpunkt sind Hilfen in dieser Höhe tatsächlich geflossen. Der größte Teil dieser in der IWF-Statistik als "Hilfe" titulierten Summe wird mit fortschreitendem Abbau der Portfolios in den "Bad Banks" abschmelzen, ohne dass jemals etwas zurückgezahlt werden muss.

Wie viele Verluste die beiden Abwicklungseinheiten am Ende verursachen werden, ist ungewiss. Auch das Bundesfinanzministerium warnte vor einer Fehlinterpretation der IWF-Zahlen. "Wenn man nur die Verbindlichkeiten der Bad Banks, nicht aber die Vermögenswerte berücksichtigt, ist das ökonomisch irreführend", hieß es.

Rechne man die Bilanzsummen der Bad Banks heraus, lägen die Kosten der Bankenrettung in Deutschland bei 1,6 Prozent der Wirtschaftsleistung und damit - mit Ausnahme der USA - auf dem niedrigsten Stand unter allen aufgeführten Ländern. Diese Argument ist allerdings auch nur die halbe Wahrheit, da der Verlust der Bad Banks nach Verwertung aller Wertpapiere wohl nicht Null betragen wird. Experten erwarten vielmehr einen Milliardenbetrag.

Abschließend geklärt ist auch noch nicht, ob ein Engagement in Bankaktien in Deutschland ähnlich erfolgreich gewesen wäre wie in den USA: Das Beispiel Commerzbank lässt eher das Gegenteil vermuten. Als der Staat einstieg, lag der Kurs um ein Vielfaches über dem heutigen Wert.

Ein weiterer Grund dafür, dass die Bankenrettung in Deutschland teurer war, liegt vermutlich im Bankensystem selbst begründet: In den USA spottete man einst über "stupid German money" - gemeint waren vor allem Landesbanker, die auf der Jagd nach hohen Renditen das Risiko völlig aus den Augen verloren hatten. "Der deutsche Bankensektor war weder solide aufgestellt, noch gut überwacht", sagte Grünen-Politiker Giegold. Die Schlussrechnung werde der Steuerzahler wohl erst in ein paar Jahren erhalten.

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