Bericht der Sonderermittler:Die Geheimnisse des Staatskonzerns

Bei ihrer Suche fanden die Sonderermittler manches nicht, denn es wurde vernichtet. Doch was sie fanden, reicht für weitere Ermittlungen - durch Staatsanwälte.

Michael Bauchmüller und Klaus Ott

Das Jahr hatte gerade angefangen, da ärgerte sich der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn wieder einmal über unangenehme Schlagzeilen. Von einem Datenskandal war da die Rede, das Staatsunternehmen habe seine Führungskräfte auf fragwürdige Art und Weise ausgeforscht.

Bericht der Sonderermittler: Viele Wochen haben die Ermittler der Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG bei der Bahn geforscht. Was sie trotz "unvollständiger Aktenlage" herausfanden, scheint alle Vorwürfe zu bestätigen.

Viele Wochen haben die Ermittler der Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG bei der Bahn geforscht. Was sie trotz "unvollständiger Aktenlage" herausfanden, scheint alle Vorwürfe zu bestätigen.

(Foto: Foto: AP)

Mehdorn schrieb sogleich an den Aufsichtsrat, an den Vorwürfen sei nichts dran. Die Bahn habe zwar die Berliner Detektei Network, die in den Spitzelskandal bei der Telekom verwickelt ist, mit Ermittlungen beauftragt. Es sei aber ausschließlich um Wirtschaftskriminalität und Korruption gegangen.

Die Bahn habe keine Telefone abgehört, keine Journalisten oder Aufsichtsräte ausgespäht, und auch nicht gegen das Strafrecht verstoßen. Eines könne "mit Gewissheit gesagt werden": Ein Vergleich mit Datenschutzskandalen an anderer Stelle, gemeint war vor allem die Telekom, wäre "völlig unangemessen".

Es galt, Beweise zu löschen

Mehdorns Brief an den Aufsichtsrat datiert vom 21. Januar 2009. Da war aber in einigen Abteilungen seines Unternehmens schon ziemlich hektische Betriebsamkeit ausgebrochen: Es galt, Beweise zu löschen.

Die "Ereignisdatenbank Compliance" etwa, in der alle Verdachtsfälle für krumme Geschäfte gespeichert wurden. Zufall oder nicht: Just am 20.Januar 2009 wurde die Datenbank gelöscht.

Das zumindest fanden die Sonderermittler der Wirtschaftsprüfungsfirma KPMG heraus. Es steht in dem Abschlussbericht, den sie am Mittwoch dem Aufsichtsrat vorlegten. "Wir weisen darauf hin", schreiben die Prüfer, "dass wir eine zum Teil unvollständige und unsystematische Aktenlage vorgefunden haben".

Akten "beklagenswertem Zustand"

in Die Rechtsanwälte Herta Däubler-Gmelin und Gerhart Baum, die parallel ebenfalls Nachforschungen anstellten, gehen noch weiter. Die "vorgefundenen, zu prüfenden und zu bewertenden Akten" hätten sich "in einem beklagenswerten Zustand befunden", schreiben die beiden Ex-Minister in ihrem Bericht.

Auch gebe es wenig Hinweise, dass die Bahn selbst seit dem vorigen Sommer ernsthafte Nachforschungen angestellt hätte. Damals war bekannt geworden, dass die Bahn zur Bekämpfung der Korruption im eigenen Unternehmen unter anderem mit der Detektei Network zusammengearbeitet hatte.

Das Bild aus dem Inneren der Bahn allerdings ist auch so erschreckend genug. Punkt für Punkt listet der KPMG-Bericht die Ermittlungen bei der Bahn auf - und alle Vorwürfe lassen sich erhärten.

Etwa "Projekt Bill", bei dem eine Kölner Detektei Kontobewegungen ausspähte, nur handelte es sich dem Bericht zufolge nicht um einen einzelnen Bahnmitarbeiter, sondern um mehrere. Auch Zulassungsdaten von Autos ermittelten die Kölner Detektive.

Oder die Kontrolle von persönlichen Festplatten und E-Mail-Postfächern. Mindestens 487 mal beschaffte die Bahn-Computerfirma DB Systel seit 2005 solche Daten - für die Abteilungen Konzernsicherheit, -revision und Compliance. Die Betroffenen erfuhren davon erst jetzt, durch die Nachforschungen. Ganze Festplatten wurden in Einzelfällen aus der Ferne kopiert; ohne Wissen ihrer Benutzer, versteht sich.

Auch unterhalb des Vorstandes will Bahn-Chef Rüdiger Grube deshalb nun aufräumen. Der Chef der Konzernrevision, Josef Bähr, soll ebenso gehen wie der Leiter der Konzernsicherheit, Jens Puls.

"Dritter Aufguss desselben Tees"

Der Chef der Abteilung für politische Beziehungen bekommt einen anderen Posten. In seiner Abteilung waren dem Vernehmen nach besonders viele Computer überprüft worden. Und auch der beurlaubte Staatsanwalt und "Chief Compliance Officer" Wolfgang Schaupensteiner, der die Datenaffäre anfangs noch als "dritten Aufguss desselben Tees" bezeichnet hatte, wird das Unternehmen verlassen.

Künftig sollen der Datenschutz und die "Compliance", also die Einhaltung interner Regeln, in einem eigenen Vorstandsressort liegen, überprüft durch einen eigenen Compliance-Ausschuss.

"Ich will sicherstellen, dass sich derartige Vorfälle bei der Bahn nicht wiederholen", sagte Bahn-Chef Rüdiger Grube. Beendet allerdings ist die Aufklärung noch nicht, denn sie ergab Hinweise auf Straftaten. Aber das ist jetzt Sache der Staatsanwälte.

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